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Die Matrosen der Heloise starrten mit schußbereiten Musketen, die Entermesser und Enterhaken in greifbarer Nähe, nach vorn in die Dunkelheit.

«Gei auf die Breitfock!»

Männer rannten, den Befehl auszuführen; als das große Segel zur Rah aufgeholt war, enthüllte es wie ein Theatervorhang die im zunehmenden Licht hinter ihren leichten Kanonen kauernden Matrosen.

Es folgte eine Reihe von Schüssen, und Bolitho hörte über sich das Kreischen einer Kettenkugel, das ihm wie Geschrei gequälter Seelen vorkam.

Little sagte durch die Zähne:»Zu hoch — Gott sei Dank.»

Das tödliche Kettengeschoß klatschte weit achteraus mit einer Gischtfontäne ins Wasser, aber genau in Verlängerung ihrer beiden Masten.

«Anluven!«Palliser hatte ein Backstag gepackt und studierte den Umriß des Gegners.»So hoch an den Wind wie möglich!«»An die Schoten, Halsen und Brassen!»

Die Brigantine luvte an, bis die verbliebenen Segel protestierend zu killen begannen.»Kurs Nordwest zu West. Voll und bei!»

Das andere Schiff feuerte wieder, und eine Kugel schlug zwanzig Fuß vor dem Bug der Heloise ein; sie warf Spritzwasser hoch über ihre Back.

Dann begann die ernsthafte Beschießung, aber die Kugeln lagen zu weit und ungenau, weil die feindlichen Geschützbedienungen erst zu erraten versuchten, was das Manöver des Neuankömmlings bedeutete.

Eine weitere Kugel durchschlug das Besansegel und hinterließ ein Loch, groß genug, um den Kopf hindurchzustecken.

Palliser explodierte:»Diese idiotische Brigg schießt auf uns!»

Little grinste.»Hält uns wohl auch für Piraten.»

«Ich werde ihnen Piraten geben!«Palliser zeigte auf das Schiff, das an Backbord aus der Dunkelheit auftauchte und seine Silhouette verkürzte, als es Kurs änderte, um die intervenierende Heloise zurückzuschlagen.

«Zuerst auf den Schoner!»

Little legte die Hände um den Mund.»In der Aufwärtsbewegung,[9] Jungs — klar zum Feuern!»

Einige Leute waren noch dabei, eine Drehbasse auf die höher liegende Luvseite zu schleppen, und schimpften auf Little, er solle ihnen mehr Zeit lassen.

Aber Little verstand sein Handwerk.

«Ruhig, Jungs!«Es klang, als spräche ein Dompteur mit seinen Raubkatzen. »Feuer!»

Die Lunten flogen wie Glühwürmchen nach unten, und die Drehbassen bellten giftig das auf sie zukommende Schiff an. Ein mörderischer Hagel aus dicht gestopfter Kartätsche ergoß sich über das gegnerische Vorschiff, und Bolitho meinte, vielstimmiges Geschrei zu hören, als die Ladung drüben einschlug.

«Klar zur Wende!«Pallisers Stimme drang auch ohne Megaphon durch.»An die Brassen, Schoten und Halsen!»

Palliser hangelte sich auf dem schräg liegenden Deck zu Slade am Ruder hinunter.»Wir nehmen einen neuen Anlauf. Legen Sie Ruder.»

Stark überliegend, bis die Matrosen die Rahen rundgeholt hatten, lief die Brigantine nach Lee ab. Das zweite Schiff schien unter ihrem Klüverbaum vorbeizuwandern, bis es an Backbord querab lag und der angreifenden Heloise sein Heck zeigte.

Palliser schrie:»Schießen Sie auf das Achterschiff, Little!«Er drehte sich abrupt zu Slade und seinen keuchenden Rudergängern um.»Stütz! Stützruder, Idiot!»

Bolitho fand Zeit, Slade zu bedauern. Die Heloise brauste auf das Heck des anderen Schiffes zu, als wolle sie wie ein Beil hineinfahren.

«Feuer!»

Die Decks beider Schiffe wurden blitzartig hell, als ihre Kanonen orangefarbene Zungen vorstreckten, denen kurz darauf der Krach einschlagenden Eisens folgte. Die Kartätschenladungen der Heloise mußten das Achterschiff des Gegners leergefegt haben. Rudergänger und Geschützbedienungen fanden keine Deckung vor der flach kommenden Ladung dicht gepackter Eisenstücke. Das Schiff begann, aus dem Ruder zu laufen, und wurde erneut von Littles Drehbassen beharkt.

«Breitfock setzen!«Pallisers Augen waren überall.

Bolitho sah ihn jetzt deutlich auf dem Achterdeck, seine drahtige Gestalt hob sich wie ein Racheengel vom heller werdenden Hintergrund ab.

«Feuer!»

Weitere Kugeln sausten über sie hinweg, und Bolitho bemerkte, daß das erste Schiff offenbar Mut gefaßt hatte und herankam, um seinem Gefährten zu helfen.

Zum erstenmal sah er jetzt auch klar die Rosario, und bei dem Anblick tat ihm das Herz weh. Ihr vorderer Mast war völlig verschwunden, und vom Großmast stand nur noch die Hälfte. Trümmer und heruntergefallene Takelage trieben um ihren Rumpf, und als die Sonne über den Horizont stieg, sah Bolitho, daß dünne rote Rinnsale aus den Speigatten flossen. Es schien, als blute das Schiff selbst.

«Klar zur Halse!»

Bolitho gab einem Matrosen einen Stoß und schrie:»Zu den anderen!«Der Mann machte einen erschrockenen Satz und lief dann eifrig los, um sich mit vollem Gewicht an die Brassen zu hängen. Er hatte wohl geglaubt, es sei heißes Eisen und nicht eine Hand, die ihn stieß.

In dem Augenblick gab es einen fürchterlichen Krach. Bolitho fiel fast auf die Knie, als zwei Volltreffer in die Bordwand der Heloise schlugen. Er bemerkte, daß Ingrave mit weit aufgerissenen Augen und wie gelähmt das nächstliegende Schiff anstarrte.

Er rief:»Gehen Sie nach unten und kümmern Sie sich um die Schäden!«Er lief zu dem Midshipman hinüber, packte ihn am Arm und schüttelte ihn wie eine Puppe. »Los, Mr. Ingrave! Bringen Sie die Pumpen in Gang!»

Ingrave starrte ihn zunächst mit leerem Blick an, dann rannte er mit unerwarteter Entschlußkraft zum Niedergang.

Stockdale riß Bolitho plötzlich respektlos zur Seite, als ein schwerer Block von oben kam und allerlei Tauwerk hinter sich herzog. Der Block prallte aufs Schanzkleid und schlug dann ins Wasser.

Palliser schrie:»Achtung!«Er hatte seinen Degen gezogen.»An die Backbordgeschütze!»

Gegen die relativ leichten Kanonen des Schoners wirkten ihre

Drehbassen zwar harmlos. Aber Bolitho sah, wie ihre Kartätschenladungen das Vorsegel drüben durchsiebten und zwei Männer als blutige Bündel vom Mast fegten, bevor weitere Kugeln ins Unterwasserschiff der Heloise schlugen. Er hörte Holz krachen und Stützbalken zwischen den Decks brechen und wußte, daß sie schwer getroffen waren.

Jemand hatte es geschafft, die Pumpen in Gang zu bringen, doch Bolitho sah zwei Leute stark blutend zusammenbrechen und einen dritten von der Marsrah mühsam herabklettern. Sein eines Bein baumelte kraftlos und wohl nur noch durch einen Muskel gehalten herunter.

Palliser rief:»Kommen Sie nach achtern!«Als Bolitho zu ihm eilte, sagte er:»Es steht nicht gut mit uns. Gehen Sie selber nach unten und melden Sie mir, wie schwer die Schäden sind. «Er zuckte zusammen, als weitere Treffer den bereits schwer mitgenommenen Schiffsrumpf erschütterten. Irgendwo schrie ein Mann verzweifelt:»Wir sinken!»

Bolitho starrte Palliser an. Er hatte recht. Die Beweglichkeit der He-loise war plumper Reaktion auf Wind und Ruder gewichen. Unglaublich, daß sie die Rollen mit der Rosario so plötzlich getauscht hatten. Und nirgends war Hilfe in Sicht. Ihre Feinde würden ihnen keinen leichten Tod gönnen.

Palliser rüttelte ihn auf.»Ich halte auf die Rosario zu. Mit unseren Leuten und ihren Kanonen haben wir noch eine Chance. «Er sah Bolitho ruhig an.»Seien Sie ein braver Junge und gehen Sie nach unten.»

Bolitho eilte zum Niedergang. Mit einem schnellen Blick nahm er die Schäden auf dem zersplitterten Deck und die alten Blutspuren wahr. Hier hatten sie schon einmal gekämpft. War das nicht genug gewesen? Wollte es das Schicksal, daß sie so endeten?

Er rief Jury zu:»Kommen Sie mit!«Er blickte in die Finsternis hinunter. Der Gedanke, dort unten eingeschlossen zu sein, wenn das Schiff unterging, bedrückte ihn. Zögernd sagte er, um seine Besorgnis zu verbergen:»Wir wollen die Schäden gemeinsam feststellen. Denn wenn mir etwas passiert…«Er sah Jury nach Luft schnappen; der hatte also noch nicht an das Ende gedacht.»Wenn mir etwas zustößt, können Sie Mr. Palliser Einzelheiten berichten.»

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9

Da zwischen Feuerbefehl und Zündung immer einige Sekunden verstrichen, bewirkte das Abfeuern bei Aufwärtsbewegung des Schiffes, daß die Kugel oberhalb der Wasserlinie Deck oder Takelage des Feindes traf.