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Den Hut in der einen, den Degen in der anderen Hand, stieg Bolitho hinter dem Kommandanten aus dem Boot. Dumaresqs beiläufige Billigung seiner Gefühle für die Frau eines anderen hatte ihm völlig den Wind aus den Segeln genommen. Kein Wunder, daß der Schiffsarzt wenig Wert darauf legte, diesen Vorgesetzten mit einem ruhigeren und leichter durchschaubaren zu vertauschen.

Ein jugendlich wirkender Hauptmann der Garnison grüßte durch Handanlegen an den Hut und rief dann:»Mein Gott, Sir, ist das eine böse Wunde!»

Dumaresq weidete sich an Bolithos Unbehagen und hätte ihm beinahe zugezwinkert.»Der Preis für Pflichterfüllung. «Er stieß einen würdevollen Seufzer aus.»Sie äußert sich auf verschiedene Weise.»

XIII An sicherem Ort

Sir Jason Fitzpatrick, der Stellvertretende Gouverneur von St. Christopher, sah aus wie ein Mann, der das Leben bis zum Übermaß noß. Er war etwa vierzig, ungewöhnlich dick, und sein Gesicht, das der Sonne über viele Jahre Trotz geboten hatte, leuchtete ziegelrot.

Als Bolitho seinem Kommandanten durch eine wunderschön gekachelte Eingangshalle in einen Raum mit niedrigerer Decke folgte, sah er viele Zeugen von Fitzpatricks Lieblingsbeschäftigung: überall standen Tabletts mit Flaschen und schön geschliffenen Gläsern, damit der Stellvertretende Gouverneur seinen Durst stets ohne Verzug stillen konnte.

Fitzpatrick sagte:»Nehmen Sie Platz, meine Herren. Wir wollen erst einmal meinen Rotwein kosten. Er müßte jetzt richtig sein, obwohl man in diesem schrecklichen Klima nie weiß.»

Er hatte eine kehlige Stimme und unglaublich kleine Augen, die zwischen Falten fast verschwanden.

Bolitho fielen diese winzigen Augen mehr auf als alles andere. Sie bewegten sich so flink, als wären sie unabhängig von dem schweren Fleisch, das sie umgab. Dumaresq hatte ihm unterwegs erzählt, daß Fitzpatrick ein reicher Plantagenbesitzer war, der auch auf der Nachbarinsel Nevis Güter besaß.»Bitte, Master!»

Bolitho wandte sich um und spürte, daß sich sein Magen zusammenzog: Ein großer Neger in roter Jacke und weißer, weiter Hose hielt ihm ein Tablett hin. Bolitho sah weder das Tablett noch die Gläser, sondern in seiner Phantasie nur das andere schwarze Gesicht, hörte wieder den schrecklichen Triumphschrei, als das Entermesser zuschlug. Endlich nahm er ein Glas und nickte dem Diener zu, während sein Puls sich wieder beruhigte.

Dumersq sagte:»Kraft der mir übertragenen Vollmacht habe ich die Untersuchung ohne Verzug zu führen, Sir Jason. Ich habe die erforderlichen Zeugenerklärungen und wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir mitteilten, wo Garrick sich aufhält.»

Fitzpatrick spielte mit dem Stiel des Glases, während seine Blicke durch den Raum huschten.»Aha, Kapitän, Sie sind also in großer Eile. Aber sehen Sie, der

Gouverneur ist abwesend. Er wurde vor ein paar Monaten vom Fieber gepackt und kehrte auf einem Handelsschiff nach England zurück. Jetzt mag er schon auf dem Rückweg sein. Unsere Nachrichtenverbindung ist sehr schlecht. Wir haben angesichts der überall herumstreunenden Piraten große Mühe, unsere Post rechtzeitig zu bekommen. Anständige Schiffer bangen bei jeder Fahrt um ihr Leben. Es ist ein Jammer, Ihre Lordschaften sollten sich endlich einmal darum kümmern.»

Dumaresq blieb unbeeindruckt.»Ich hatte gehofft, daß ein Flaggoffizier hier wäre.»

«Wie ich schon sagte, Kapitän, der Gouverneur ist abwesend. Andernfalls.»

«Andernfalls würde hier kein verdammter Spanier vor Anker liegen, da bin ich ganz sicher.»

Fitzpatrick zwang sich zu einem Lächeln.»Wir sind nicht im Krieg mit Spanien. Die San Augustin kam in friedlicher Absicht. Sie wird befehligt von Capitän de Navio Don Carlos Quintana: ein älterer und sehr angesehener Offizier, ebenfalls mit Vollmachten von seiner Regierung. «Er lehnte sich offenbar zufrieden zurück.»Außerdem: Welche Beweise haben Sie wirklich? Die Erklärung eines Mannes, der starb, bevor er vor Gericht gebracht werden konnte; ferner die beschworene Aussage eines Rene gaten, der so darauf bedacht ist, seine Haut zu retten, daß er alles beschwören würde.»

Dumaresq bemühte sich, seine Verbitterung zu unterdrücken, als er antwortete:»Mein Schreiber hatte weitere schriftliche Beweise bei sich, als er auf Madeira ermordet wurde.»

«Darüber bin ich wirklich sehr betrübt, Kapitän. Aber es wäre kriminell, einen Mann von der Bedeutung Sir Piers Garricks ohne eindeutige Beweise derart zu verunglimpfen. «Fitzpatrick lächelte selbstgefällig.»Darf ich vorschlagen, daß wir auf Anweisung aus London warten? Wir können Ihren Bericht mit dem nächsten Schiff expedieren, das — wahrscheinlich von Barbados aus — nach Hause segelt. Sie könnten dort warten und sofort handeln, wenn die Anweisung eintrifft. In der Zwischenzeit werden auch der Gouverneur und das Geschwader zurückgekehrt sein, so daß Sie dann höhere Instanzen hätten, die Ihre Maßnahmen autorisieren könnten.»

Dumaresq erwiderte ärgerlich:»Das kann Monate dauern. Bis dahin ist der Vogel ausgeflogen.»

«Entschuldigen Sie meinen Mangel an Begeisterung. Wie ich schon Don Carlos gesagt habe, geschah das alles vor dreißg Jahren. Woher auf einmal dieses Interesse?»

«Garrick war ein Schurke und Verräter. Sie klagen über Piraten, die diese Gewässer verunsichern, Städte plündern und Schiffe reicher Handelsherren kapern. Aber haben Sie sich noch nie gefragt, woher die Piraten ihre Schiffe bekommen? Schiffe wie die Heloise, die funkelnagelneu aus einer britischen Werft kam und von einer Besatzung überführt wurde, die nur für diese eine Fahrt angeheuert worden war.

Also?»

Bolitho hörte fasziniert zu. Er hatte erwartet, daß Fitzpatrick aufspringen und den Kommandeur der Garnison rufen lassen würde, um dann gemeinsam mit Dumaresq zu überlegen, wie sie Garrick aufspüren und verhaften konnten.

Aber Fitzpatrick spreizte entschuldigend die roten Hände.»Es liegt nicht in meiner Macht, Gegenmaßnahmen zu befehlen, Kapitän. Ich habe nur vorübergehende Kommandogewalt und würde wenig Dank ernten, wenn ich die Lunte ans Pulverpaß legte. Sie müssen selbstverständlich tun, wozu Sie sich in der Lage fühlen. Sie sagten, Sie hätten hier einen Flaggoffizier erwartet. Sicherlich, damit er Ihnen die Last der Verantwortung von den Schultern nimmt?«Als Dumaresq schwieg, fuhr er leise fort:»Darum verachten Sie mich nicht, wenn auch ich nicht ohne Rückendeckung handeln möchte.»

Bolitho wunderte sich. Die Admiralität in London, eine ganze Reihe höherer Offiziere der Flotte, sogar die Regierung König Georgs hatten sich darum bemüht, die Destiny hierherzuschicken. Dumaresq hatte von dem Augenblick an, als er den Auftrag erhalten hatte, ohne Ruhepause dafür gearbeitet und viele Stunden in der Einsamkeit seiner Kajüte über die Schlußfolgerungen aus der dürftigen Beweiskette nachgegrübelt. Und jetzt sollte er, da keine höhere Autorität der Marine da war, sich gedulden und warten, bis weitere Befehle von irgendwoher einliefen — oder alles auf seine eigene Kappe nehmen. Mit seinen achtundzwanzig Jahren war Dumaresq der dienstälteste Seeoffizier in St.Christopher. Bolitho konnte sich nicht vorstellen, wie er weitermachen sollte, ohne seine Karriere zu gefährden.

Dumaresq sagte matt:»Erzählen Sie mir, was Sie von Garrick wissen.»

«Im Grunde nichts. Es stimmt, daß er an der Schiffahrt interessiert ist und mehrere kleine Schiffe im Lauf der letzten Monate erhielt. Er ist sehr reich. Soviel ich weiß, beabsichtigt er, den Handel mit den Franzosen in Martinique auszudehnen.»