Midshipman Jury kam aufs Achterdeck und meldete:»Kombüsenfeuer ist gelöscht, Sir.»
Er sieht sehr jung und adrett aus, dachte Bolitho, als ob er sich extra fein gemacht hätte. Er lächelte.»Ein schöner Tag.»
Jury schaute den Mast hinauf und suchte Henderson.»Wir haben wenigstens den Vorteil der größeren Beweglichkeit, Sir.»
Bolitho warf ihm einen Blick zu und sah sich selber, wie er noch vor einem Jahr gewesen war.»Das ist richtig. «Es lohnte nicht hinzusetzen, daß der Wind nur noch eine schwache Brise war. Um wenden und halsen zu können, mußten die Segel gut ziehen. Wind und Leinwand waren das Lebenselement einer Fregatte.
Rhodes kam zum Achterdeck hoch und studierte neugierig den schmutzigen kleinen Fleck Land vor ihrem Steuerbordbug. Er trug seinen besten Säbel, den er von seinem Vater geerbt hatte. Bolitho dachte an den alten Säbel, den sein Vater immer trug. Er war auf allen Familienporträts in Falmouth zu sehen und würde eines Tages seinem Bruder Hugh gehören, sogar sehr bald schon, wenn sein Vater endgültig heimkehren würde.
Er wandte Jury und Rhodes den Rücken zu. Irgendwie hatte er das Gefühl, daß er Falmouth nie wiedersehen würde. Und zu seiner Verwunderung stellte er fest, daß er es widerspruchslos hinnahm.
Palliser kam zurück und befahclass="underline" »Sagen Sie Mr. Timbrell, daß er ein Jolltau an der Nock der Großrah anschlagen soll, Mr. Bolitho. «Er fing ihre erstaunten Blicke auf.»Nun?»
Rhodes zuckte verlegen mit den Schultern.»Tut mir leid, Sir, aber ich dachte, in einem Augenblick wie diesem…»
Palliser konterte:»In einem Augenblick wie diesem, meinen Sie wohl, kommt es auf eine Leiche mehr oder weniger auch nicht an?»
Bolitho schickte Jury zum Bootsmann und dachte an Spillanes Verrat. Er hatte reichlich Gelegenheit gehabt, Informationen zu sammeln und sie in Rio oder Basseterre an Land zu bringen. Der Schreiber des Kommandanten genoß — wie auch dessen Bootssteurer — mehr Bewegungsfreiheit als alle anderen Leute an Bord. Garrick mußte überall Agenten und Spione gehabt haben, sogar in der Admiralität, wo jemand jeden Schritt, um die Destiny auf den Weg zu bringen, verfolgt hatte. Als das Schiff klar zum Auslaufen in Plymouth lag, war Spilla-ne erschienen. Er hatte es leicht gehabt, die Wege von Dumaresqs Rekrutierungskommandos zu verfolgen. Er brauchte nur ihre Plakate zu lesen.
Jetzt liefen alle Fäden wie die Linien auf der Seekarte hier zusammen, als ob Gulliver diesen Platz eigens dafür markiert hätte. Es schien mehr vorherbestimmt als geplant zu sein.
Die meisten Männer an Deck schauten zur Bootsmannsgruppe auf, die eine Henkersschlinge von der Rahnock zur Laufbrücke fierten. Wie Rhodes hatten sie wenig Verständnis für eine Hinrichtung im Schnellverfahren. Das lag außerhalb ihres Begriffs von Gerechtigkeit.
Bolitho hörte einen der Rudergänger leise sagen:»Der Kommandant kommt, Sir.»
Bolitho wandte sich dem Niedergang zu, als Dumaresq, der ein frisches Hemd trug und seinen goldverbrämten Hut fest auf den Kopf gedrückt hatte, zum Achterdeck hochstieg.
Er nickte jedem seiner Offiziere und den Männern der Wache zu und sagte zu Colpoys, der sich bemühte, trotz seiner Wunde Haltung anzunehmen:»Schonen Sie Ihre Kräfte.»
Gulliver berührte seinen Hut:»Kurs Nord zu Ost, Sir. Wind ist noch immer ziemlich schwach.»
Dumaresq schaute ihn geistesabwesend an.»Das sehe ich. «Er wandte sich an Bolitho:»Lassen Sie die Leute bei sechs Glasen[16] zur Teilnahme an einem Strafakt achteraus kommen. «Er beobachtete, wie Bolitho sich bemühte, seine Gefühle zu verbergen.»Sie haben offenbar immer noch nicht gelernt, mich zu täuschen. Was bedrückt Sie — die Hinrichtung?»
«Ja, Sir. Es ist wie eine Vorahnung, ein Aberglaube. Ich — ich kann es nicht genauer ausdrücken.»
«Offensichtlich. «Dumaresq ging an die Querreling und schaute über das Oberdeck.»Dieser Mann versuchte, uns zu verraten, genau wie er sich bemühte, Murray zu vernichten. Murray war ein guter Mann, während. «Er brach ab, um einige Seesoldaten zu beobachten, die sich anschickten, im Vor- und Großmast aufzuentern.
«Ich hätte Murray gern noch einmal gesehen, bevor er uns verließ,
Sir.»
Dumaresq fragte scharf:»Warum?»
Bolitho war über Dumaresqs Reaktion erstaunt.»Ich hätte ihm gern gedankt.«»Oh, deswegen.»
Ein Ruf von Henderson ließ alle nach oben schauen.»An Deck! Ein Schiff läuft von der Insel aus, Sir!»
Dumaresq senkte das Kinn auf sein Halstuch.»Endlich. «Er sah Midshipman Merrett am Besanmast.»Laufen Sie hinunter und holen Sie die Kriegsartikel von meinem Steward. Wir wollen diese Angelegenheit hinter uns bringen und uns dann zum Gefecht bereitmachen.»
Er klopfte auf seine scharlachrote Weste und gab einen leisen Rülpser von sich.»Das war ein hübsches Stück Schweinefleisch. Und auch das Glas Wein wird helfen, den Tag richtig zu beginnen. «Er bemerkte Bolithos Unentschlossenheit.»Lassen Sie den Gefangenen holen. Ich möchte, daß er das Schiff seines Brotgebers sieht, bevor er an der Rah baumelt. Gott lasse ihn da verfaulen.»
Sergeant Barmouth stellte eine Reihe Seesoldaten quer auf der Hütte auf, und als die Bootsmannsmaaten» Alle Mann achteraus zum Strafakt «durch die Decks pfiffen, erschien Spillane, begleitet vom Wachtmeister und von Korporal Dyer.
Die Seeleute, die ihre Oberkörper schon zum Gefecht entblößt hatten, machten Platz, um die kleine Gruppe durchzulassen.
Unter der Querreling hielten sie an, und Poynter meldete:»Der Gefangene, Sir!»
Bolitho zwang sich, in Spillanes nach oben gerichtetes Gesicht zu schauen. Es war so völlig leer, als sei der gewöhnlich aufmerksame und gefaßte Mann nicht imstande, das Geschehen zu begreifen.
Bolitho erinnerte sich, wie Spillane mit Auroras Botschaft in seine
Kammer gekommen war, und fragte sich, wieviel davon er wohl Garrick berichtet hatte.
Dumaresq wartete, bis seine Offiziere die Hüte abnahmen, und sagte dann mit seiner volltönenden Stimme:»Sie wissen, warum Sie hier stehen, Spillane. Wenn Sie ein gepreßter Mann wären, den man gegen seinen Willen zum Dienst für den Krieg gezwungen hätte, wäre es anders. Aber Sie haben sich freiwillig gemeldet in der klaren Absicht, Ihren Diensteid zu brechen und alles zu tun, Ihr Schiff und Ihre Kameraden ins Verderben zu führen. Es war Verschwörung zum Mord. Schauen Sie da hinüber, Mann.»
Als Spillane sich nicht rührte und ihn nur anstarrte, sagte Dumaresq:»Wachtmeister!»
Poynter faßte das Kinn des Delinquenten und drückte es zum Bug.
«Das Schiff da drüben wird von Ihrem Herrn, Piers Garrick, befehligt. Schauen Sie es sich genau an, und fragen Sie sich selber, ob es den Verrat wert war.»
Doch Spillanes Blick blieb auf die im Wind schwingende Schlinge gerichtet. Es war zweifelhaft, daß er irgend etwas anderes sah.
«An Deck!«Hendersons normalerweise kräftige Stimme klang unsicher, als fürchte er sich, in das Drama unter ihm einzugreifen.
Dumaresq schaute auf.»Sprechen Sie, Mann!»
«Auf der San Augustin hängen Leichen an den Rahen, Sir!»
Dumaresq schnappte sich Jurys Fernglas und machte einen Sprung in die Wanten.
Langsam kam er wieder herunter an Deck und sagte:»Es sind die spanischen Offiziere des Schiffes. «Er warf einen kurzen Blick auf Bolitho.»Zur Warnung erhängt, zweifellos.»
Doch Bolitho hatte etwas anderes in Dumaresqs Augen gelesen, nur ganz kurz. Etwas wie Erleichterung, aber worüber? Was hatte er zu sehen erwartet?
Dumaresq kehrte an die Querreling zurück und setzte seinen Hut wieder auf. Dann sagte er:»Entfernen Sie das Jolltau von der Großrah, Mr. Timbrell. Wachtmeister, bringen Sie den Delinquenten nach unten. Er soll auf die gemeinsame Hinrichtung mit den anderen warten.»