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»Mischen Sie sich nicht ein, Marshal!« dröhnte jetzt auch Abner Zachary. »Das ist nicht mehr Ihre Angelegenheit !«

Webb sah dem Prediger ins Gesicht und sagte ruhig: »Machen Sie sich nicht unglücklich, Zachary. Ihr Sohn ist ermordet worden, das ist tragisch genug. Bringen Sie nicht noch mehr Unglück über Ihre Familie, indem Sie noch selbst zum Mörder werden!«

»Geschwätz«, zischte der Prediger verächtlich. »Ich bin nur das Werkzeug Gottes, das den Mörder meines Sohnes seiner verdienten Strafe zuführt.«

»Sie irren sich«, erwiderte der Marshal. »Es ist genau umgekehrt. Indem Sie Gott für Ihre Mordtat bemühen, degradieren Sie ihn zu Ihrem Werkzeug.«

»Reden Sie nicht!« fuhr ihn der alte Zachary an und hielt die Bibel hoch. »Ich kenne die Heilige Schrift genau und muß mir keine Belehrungen über Gott anhören.«

Sein seltsamer Blick, eisig kalt und doch vor Zorn flammend, richtete sich auf Martin, der starr und blaß auf dem knochigen Braunen saß.

»Der Herr ist mein Hirte, und ich bin sein Werkzeug«, murmelte der Prediger und schlug mit unerwarteter Heftigkeit auf die Kruppe des Braunen, der mit einem lautem Wiehern nach vorn sprang.

Martin rutschte vom Pferderücken und blieb an der Buche hängen. Es sah fast aus wie das Schreckensbild, das Jacobs Phantasie beherrscht hatte. Kurz nur. Dann war Jacob heran, der sein Bowiemesser gezückt hatte, als er sah wie Abner Zachary seinen Blick auf den angeblichen Mörder seines Sohns richtete. Mit einem kräftigen Schnitt hatte er den Strick durchgetrennt, und Martin fiel auf den Boden, wo er liegenblieb und sich nicht rührte.

Zu spät! schoß es durch Jacobs Kopf. Martin ist tot!

Doch in diesem Moment glaubte Jacob zu sehen, wie den Körper seines Freundes ein Zucken durchlief. Ein Lebenszeichen oder eine Sinnestäuschung?

Als er vom Pferd steigen wollte, um nach Martin zu sehen, richtete Patrick O'Rourke seine 75er Krider auf Jacob.

»Keine weitere Bewegung, Dutch!« stieß der Ire hervor. »Unsere Geduld ist erschöpft!«

Jacob fragte sich, weshalb sich gerade die O'Rourkes so vehement für Martins Hinrichtung einsetzten. Soweit er gehört hatte, waren sie nicht mit den Zacharys von Stockton gekommen, sondern erst hier in Kansas City zu dem Treck gestoßen. Eine besondere Verbundenheit zur Familie Zachary konnte es also nicht sein, die Patrick und Liam O'Rourke gegen Martin Partei ergreifen ließ. Jacob nahm an, daß es die pure Gemeinheit und Lust an den Qualen anderer war, die den beiden Iren in ihre abstoßenden, breiten Gesichter geschrieben stand.

Diese Gedanken zuckten in Bruchteilen von Sekunden durch Jacobs Kopf und wurden durch einen Schuß abrupt beendet.

Hatte Patrick O'Rourke abgedrückt?

Aber der Ire selbst schrie auf und ließ die kurzläufige Rifle fallen. Mit der linken Hand griff er sich an die rechte Schulter. Blut sickerte zwischen seinen Fingern hervor.

Sein Bruder Liam und die übrigen Bewaffneten, die nach den Schützen suchten, waren dadurch lange genug abgelenkt, daß Marshal Webb und seine beiden Deputys ihre Revolver ziehen und in Anschlag bringen konnten.

Jacobs suchendes Auge entdeckte den Mann, der auf O'Rourke geschossen hatte. Genauer gesagt, waren es zwei Männer, ein Weißer und ein Schwarzer. Sie standen mit gezogenen Waffen auf dem Bock eines Prärieschoners.

Der Deutsche konnte es erst kaum glauben, als er die Gesichter erkannte. Es waren Männer, die er aus Blue Springs kannte. Sie hatten erst Quantrill geholfen, die Stadt einzunehmen, aber dann, als sie ihr Fehlverhalten einsahen, den Bürgern der Stadt geholfen. Es waren Custis Hunter, Sohn eines von den Leuten aus Blue Springs ermordeten Plantagenbesitzers, und sein ehemaliger Sklave Melvin.

Jacob glitt aus dem Sattel und kniete sich neben seinem Freund hin. Martin schlug gerade die Augen auf und starrte Jacob an wie einen Geist.

»Ich hätte nicht gedacht, daß es im Himmel einen Doppelgänger von Jacob gibt«, krächzte er.

Der junge Zimmermann grinste seinen Freund erleichtert an. »Und ich hätte nicht gedacht, daß du dies hier für den Himmel hältst, mein Freund.«

*

Der Schuß auf Patrick O'Rourke hatte die lynchwütigen Auswanderer eingeschüchtert und ihnen gezeigt, daß der Tod kein Spiel war. Daß er auch sie jederzeit treffen konnte.

Es gelang Jacob und den Ordnungshütern, Martin unter der Rückendeckung von Custis Hunter und Melvin aus dem Lager und in die Stadt zu bringen, wo der geschwächte Deutsche in die Obhut eines Arztes gegeben wurde. Marshal Webb trommelte ein halbes Dutzend vertrauenswürdiger Männer zusammen, die er zu Hilfspolizisten vereidigte und als Wachen im Haus des Arztes ließ.

Jacob bedankte sich bei den beiden unerwartet aufgetauchten Helfern und erfuhr, daß sie mit dem Zug aus Blue Springs gekommen waren und sich dem Auswanderertreck anschließen wollten. Deshalb waren sie zum Lager des Trecks gegangen.

Mit ihnen waren Virginia Cordwainer, die Mutter von Custis' kleinem Sohn, und ihre schwarze Dienerin Beth in die große Stadt am Missouri gereist.

Custis hatte die Plantage seines Vaters verkauft, nachdem er allen Sklaven die Freiheit geschenkt hatte, und wollte sich fern im Westen eine neue Existenz aufbauen. Für sich und seine Familie. Er gedachte Virginia in Kürze zu heiraten.

Vielleicht würde es eine Doppelhochzeit werden, kündigte Melvin an, der Gefallen an Beth gefunden hatte.

*

Dieser heiße Julitag schien nicht dazu bestimmt zu sein, Jacob und seinen Freunden längerfristig Freude zu bereiten. Sam Kelley und Ben Miller suchten aufgeregt den Marshal, in ihrer Begleitung eine junge Schwarze.

Sam berichtete, wie er seinen verschwundenen Schwager gesucht hatte und dabei auf die Frau gestoßen war, die ihn ansprach, als er Jackson Harris' Namen rief. Sie hatte gesehen, wie drei Weiße den ehemaligen Sklaven entführt hatten. Ihrer Beschreibung nach handelte es sich bei den Weißen eindeutig um die Sklavenjäger.

Bowden Webb sah die Schwarze skeptisch an. »Woher kannten Sie den Namen des Entführten?«

Die Schwarze zögerte mit der Antwort. Ihre Augen hielten dem bohrenden Blick des Marshals nicht stand.

»Woher?« drängte Webb.

»Sie haben ihn mir genannt«, antwortete die Frau leise.

»Sie? Die drei Weißen?«

Sie nickte stumm.

»Warum?«

»Ich sollte den Mann, Harris, in die Gasse locken. Sie sagten, er sein ein Freund von ihnen, und es sollte ein Scherz sein. Sie gaben mir drei Dollar dafür.«

»Aber es war kein Scherz«, stellte der Marshal mehr fest, als daß er es fragte.

»Nein«, bestätigte die Frau. »Sie bedrohten Harris, schlugen ihn nieder, legten ihn auf ein Pferd und ritten mit ihm davon.«

»In welche Richtung?« »Zum Fluß.«

»Sie wollten über den Big Muddy«, stellte Sam Kelley fest.

»Natürlich«, sagte Marshal Webb. »Sie wollen schnellstmöglich zurück nach Stockton, um dort von Mr. Penrose die Prämie für die Rückführung des entlaufenen Sklaven zu kassieren.«

»Aber wir haben ihn doch freigekauft!« sagte Kelley.

»Die Brüder wollen doppelt kassieren«, meinte Webb und traf dann Anordnungen, um einen Verfolgertrupp zusammenzustellen.

Bill Stoner protestierte: »Die Sklavenjäger haben das Stadtgebiet wahrscheinlich längst verlassen, Marshal. Damit halten sie sich außerhalb unserer Zuständigkeit auf.«

»Dann reiten wir eben als Privatleute mit«, entgegnete Webb.

Sein Deputy gab klein bei.

*

Keine zwanzig Minuten später hatte der fünfzehn Mann starke Verfolgertrupp den breiten Missouri überquert und verließ Kansas City in südöstlicher Richtung. Er bestand aus Webb, Begley, Stoner, Jacob, Custis Hunter, Melvin, Sam Kelley, Ben Miller und ein paar Männern vom Treck, vornehmlich Schwarze.

Jacob brachte sein Pferd an die Seite des Marshals und rief mitten im Galopp: »Welchen Weg schlagen wir ein? Wir wissen doch gar nicht, wohin sich Stantons Trupp wendet.«