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»Wir kennen die Richtung. Stanton wird den kürzesten Weg nehmen, der durch den Whitewater Canyon führt. Ich kenne eine Abkürzung, einen schmalen Hohlweg durch die Felsen. Wenn wir schnell genug sind, erreichen wir den Whitewater Canyon vor den Sklavenjägern und können ihnen dort auflauern.«

»Und wenn Stanton einen anderen Weg nimmt oder auch eine Abkürzung kennt?«

»Dann haben wir Pech gehabt - und Harris auch.«

Nach einer halben Stunde scharfen Rittes wurde das Gelände felsig und stieg immer steiler an. Bald bedeckte soviel lockeres Geröll den Boden, daß die Pferde nur noch im Schritt gehen konnten. Vorsichtig setzten sie ein Bein vor das andere, um nicht auf den losen Steinen auszurutschen und zu stürzen.

»Das sieht mir aber nicht gerade nach einer Abkürzung aus«, meinte Custis Hunter zu Jacob.

»Hierher!« rief in diesem Moment der Marshal, winkte den Reitern hinter ihm und lenkte sein Pferd auf ein dunkles Loch zwischen den Felsen zu.

Der Hohlweg, von dem Webb gesprochen hatte, entpuppte sich als ein wahres Labyrinth. Immer wieder zweigten andere Wege ab, die nach Webbs Aussage aber nur Sackgassen waren. Zielsicher führte der Marshal seine Leute zwischen den hohen, scharfzackigen Felsen hindurch, die so eng beieinander standen, daß keine zwei Reiter nebeneinander Platz fanden.

Nach einer Viertelstunde verbreiterte sich der Weg allmählich, und schließlich lag der Whitewater Canyon vor ihnen. Ein langes, mehrfach gewundenes Tal zwischen den hoch aufragenden, bizarren Felsformationen, das in vielen Jahrtausenden durch ein Wasserbett in den Stein gewaschen worden war. Dieser einstmals vielleicht mächtige Strom war jetzt nur noch ein kleines Rinnsal in der Mitte des Canyons, das ohne die heftigen Regenfälle vor einigen Tagen vielleicht gar nicht zu sehen gewesen wäre. Der weiße Felsengrund schimmerte durch das höchstens knietiefe Wasser und war verantwortlich für den Namen des Canyons. Bowden Webb wies seine Männer an, hinter einer scharfen Biegung in Stellung zu gehen. Er selbst löste das Seil von seinem Sattel und lief zu einer spitzen Felsnadel auf der rechten Seite, um das er ein Seilende knotete. Dann hastete er durch den Creek auf die andere Seite des Canyons, zog das Seil straff und band es an einem großen dürren Strauch fest. Das Seil war etwa in Kniehöhe über dem Boden gespannt.

Jetzt verstand Jacob, was er vorhatte: eine Stolperfalle für die Pferde der Sklavenjäger.

Als der Marshal neben ihm hinter einem großen Felsblock in Deckung ging, fragte Jacob: »Sind Sie sicher, daß Stanton den Canyon nicht schon durchquert hat?«

»Dann hätte ich Spuren gesehen. Es kann höchstens sein, daß die Sklavenjäger gar nicht diesen Weg nehmen.«

»Wie können wir das feststellen?«

»Nur durch Warten.«

Sie warteten eine halbe Stunde, bis sie leises Pferdewiehern hörten und bald darauf schwaches Hufgetrappel. Webb setzte seinen Hut ab, verließ seine Deckung und schlich bis zu der Biegung, um die er vorsichtig lugte. Mit großen Sätzen kehrte er zurück und warf sich mit befriedigtem Gesichtsausdruck wieder hinter den Felsen.

»Sie sind es!« zischte er und gab den beiderseits der Talsohle verteilten Männern Handzeichen, damit sie sich bereithielten. Jacob brachte, wie Bowden, seinen Revolver in Anschlag.

Das Hufgetrappel wurde lauter, und schon sahen sie das erste Pferd auftauchen: Stantons schlanken Rotfuchs. Kaum war der gutgekleidete Sklavenjäger um die Biegung geritten, als das Tier über das Seil stolperte, nach vorn knickte und seinen Reiter in das flache Wasser schleuderte.

Brad Folsom und Hatch McPherson zügelten ihre Pferde gerade noch rechtzeitig vor dem Seil. Big Hatch schloß die Gruppe ab und hielt das Packpferd mit dem großen Mehlsack am Zügel.

Folsom hatte die Lage schnell erkannt, ließ die Zügel los und zog seine Revolver. Da krachte Webbs 44er. Die Kugel traf die rechte Schulter des Ledergesichtigen, und seine Waffe fiel aus der rechten Hand.

»Ich würde auch das andere Schießeisen fallen lassen!« rief der Marshal. »Mehr als ein Dutzend Mündungen sind auf euch gerichtet!«

Das Ledergesicht zog seine Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und ließ seinen Blick über die Hänge des Canyons gleiten. Als er die vielen Waffen sah, die im grellen Sonnenlicht aufblitzten, erkannte er seine aussichtslose Lage, und sein zweiter Revolver folgte dem ersten.

»Was ist mit dir, Goliath?« fragte Webb den Riesen.

Big Hatch ließ die Zügel des Packpferdes los, schnallte seinen Waffengürtel ab und ließ ihn in den Bach fallen.

Webb, Jacob und die anderen verließen ihre Stellungen und gingen langsam, die Waffen noch schußbereit in den Händen, zum Creek hinunter.

Die ersten Männer waren noch nicht ganz unten, als Stanton, den alle für bewußtlos gehalten hatten, plötzlich mit gezogenem Colt aufsprang und einen Sprung zum Packpferd machte. Dort drückte er die Mündung seiner Waffe gegen den Mehlsack.

»Jetzt laßt ihr die Waffen fallen!« befahl er. »Sonst stirbt der Nigger.«

»Wir sind in der Überzahl«, ermahnte ihn Webb.

»Na und? Wenn ihr mich auch tötet, den Nigger nehme ich mit!«

Man sah dem vor Haß und Erregung verzerrten Gesicht des Sklavenjägers an, daß er es ernst meinte. Er hatte seinen Hut verloren. Sein Schädel war naß von Wasser und Blut. Beim Sturz in den Creek hatte er sich die Stirn aufgeschlagen. Sein sonst lockiges Haar klebte jetzt an seinem Schädel.

Die Männer des Verfolgertrupps sahen einander ratlos an und richteten ihre fragenden Blicke dann auf den Marshal.

»Was ist jetzt?« fragte Stanton ungeduldig. »Ich zähle bis fünf!«

»Sie brauchen nicht zu zählen«, erwiderte der Marshal. »Wir ergeben uns.« Er wandte sich an seine Männer. »Laßt die Waffen fallen, Boys!«

Ein zufriedenes, siegesgewisses Grinsen zeichnete sich auf Stantons Gesicht ab.

Webb senkte den rechten Arm mit dem Revolver. Als sich die Waffenhand nur noch in Hüfthöhe befand, krachte ein Schuß.

Die Kugel des Marshals traf den Sklavenjäger in die Brust und ließ ihn zusammenzucken. Ungläubiges Staunen vertrieb das Grinsen von seinem Gesicht. Aber noch stand er aufrecht und richtete seinen Navy Colt wieder auf den Mann in dem großen Sacke.

Webb feuerte eine zweite Kugel ab, die in Stantons Oberschenkel schlug und ihn endlich von den Beinen riß. Der Schuß aus seinem Colt löste sich, richtete aber keinen weiteren Schaden an, außer das Packpferd scheuen zu lassen.

Mit schnellen Schritten waren die Männer der Posse am Creek und fesselten Stantons Begleiter. Ein nach Luft schnappender, überglücklicher Jackson Harris wurde aus dem Sack geholt und von seinen Fesseln befreit.

Everett Stanton lag zusammengekrümmt im Bach. Das aus seinen Wunden fließende Blut bildete dünne Fäden im Wasser, bis es sich mit ihm vermischte. Der Sklavenjäger atmete nur noch schwach. Webbs erste Kugel hatte ihn nahe dem Herzen getroffen. Es war nur noch eine Frage von Minuten.

Webb bückte sich plötzlich und fischte etwas nahe dem Sterbenden aus dem Wasser. Es war eine goldene Taschenuhr, die an einer goldenen Kette hing.

»Das Ding kann noch nicht lange im Wasser liegen«, brummte der Marshal und klappte den Deckel auf. »Vermutlich ist es Stanton aus der Tasche gefallen.«

Mit dem Aufklappen des Deckels ertönte eine liebliche Melodie, die Jacob zusammenfahren ließ.

»Das Lied habe ich schon einmal gehört«, sagte er erregt. »Im Lager.« Er besah sich die Taschenuhr genauer. »Die Uhr gehörte Adam Zachary!«

Webb blickte ihn überrascht an. »Sind Sie sich da sicher, Adler?«

»Vollkommen.«

Sam Kelley trat an ihre Seite. »Jacob hat recht. Es ist... war Adams Uhr. Ich habe sie mehrmals bei ihm gesehen, und die Melodie erkenne ich auch wieder.«

Webb ging neben Stanton in die Hocke und fragte: »Haben Sie Adam Zachary ermordet, Stanton?«