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Die beiden Auswanderer waren bewaffnet. Je weiter sie nach Westen kamen, desto mehr hatten sie einsehen müssen, daß ein Mann ohne Waffen in diesem wilden Land verloren war. Nicht nur Martin, auch Jacob hatte sich trotz seiner Abneigung gegen Schußwaffen einen Revolver umgeschnallt. In ihrem Quartier lagen zwei Karabiner. Sie hatten sich bei den erbeuteten Waffen der Bushwackers kostenlos bedienen können.

Jacob war zu seinem eigenen Erstaunen ein geborener Schütze. Bei Martin sah das schon anders aus, besonders solange er auf seine linke Hand angewiesen war. Aber Jacob gehörte nicht zu den Männern, die eine Waffe in Sekundenbruchteilen aus dem Holster zaubern und in weiteren Sekundenbruchteilen einen sicheren Schuß auf den Gegner abgeben konnten.

Das Ledergesicht vor ihm schien ein solcher Mann zu sein. Sein Blick und seine Haltung wirkten voll konzentriert. Er wartete offenbar nur auf eine falsche Bewegung der beiden Störenfriede, um dann seine Waffen zu ziehen.

Einen Kampf mit Schußwaffen zu gewinnen, war also zweifelhaft. Aber ebenso zweifelhaft war, ob sich die beiden unrasierten Kerle auf solch einen Kampf überhaupt einlassen würden, solange die Revolver an ihren Hüften hingen.

Die Andeutung eines Lächelns glitt über das Ledergesicht, und er sagte: »Die Lady soll selbst entscheiden, ob sie mit euch gehen will. Ich hoffe, sie trifft die richtige Entscheidung.«

Während er sprach, sah er die junge Frau nicht an, nur Jacob und Martin.

Das Mädchen dagegen ließ seinen Blick ängstlich über alle vier Männer gleiten. Wahrscheinlich überlegte sie sich, ob ihre mutmaßlichen Retter im Ernstfall eine Chance gegen ihre Peiniger hatten.

Ihre Lippen zitterten, als sie Jacob ansah und sagte: »Ja, ich möchte mit Ihnen gehen, bitte!«

»Pech für euch«, sagte das Ledergesicht. Wie hingezaubert lagen die beiden Revolver mit den Elfenbeingriffen in seinen Händen, der eine auf Jacob der andere auf Martin gerichtet. »Wenn wir die Sache friedlich beigelegt hätten, wäre das gut gewesen - für euch. Jetzt geht es hart auf hart!«

»Dagegen habe ich nichts«, sagte Jacob. »Aber warum Blut vergießen? Genügen unsere Fäuste nicht?«

»Nein, die genügen mir nicht«, beschied ihn der Revolvermann.

»Aber uns«, sagte da eine Stimme in Jacobs Rücken, und er hörte Schritte hinter sich. »Lassen Sie Ihre Revolver fallen und kommen Sie nicht auf dumme Gedanken, Mister. Einer von uns beiden trifft Sie bestimmt!«

Jacob sah aus den Augenwinkeln zwei weitere Männer, die in den Schuppen getreten waren. Jeder von ihnen hielt einen Revolver in der Rechten. Der Ältere von ihnen, der einen Verband um den Kopf trug, hatte gesprochen. Der andere war noch sehr jung, allenfalls sechzehn. Sein glattes Gesicht wirkte außerordentlich angespannt. Die beiden Neuankömmlinge stellten sich weit auseinander, so daß der Revolvermann nicht auf beide zugleich schießen konnte.

Das sah auch das Ledergesicht ein und ließ widerwillig seine Waffen in den Staub fallen.

»Gut so«, sagte der Mann mit dem Kopfverband. »Und jetzt habt ihr die Wahclass="underline" Entweder verabschiedet ihr euch friedlich voneinander, oder alle schnallen ihre Waffen ab und zeigen, ob sie wirkliche Männer sind.«

Das Ledergesicht und sein riesenhafter Kumpan wechselten kurze Blicke, dann sagte ersterer: »Auch ohne Waffen werden wir mit den beiden Figuren fertig.«

»Schön«, meinte der Mann mit dem Kopfverband gelassen. »Beweisen Sie es!«

Jacob, Martin und der Riese schnallten ihre Waffen ab. Kaum hatte letzterer seinen Waffengurt fallengelassen, da stürmte er auch schon auf Jacob zu.

Der junge Deutsche wollten ihm mit einem Sprung zur Seite ausweichen und ihn ins Leere laufen lassen. Aber sein Gegner hatte damit gerechnet und war wendiger, als Jacob gedacht hatte. Er änderte seine Angriffsrichtung, geriet dabei zwar ins Taumeln, konnte Jacob aber noch am Arm packen und mit sich zu Boden reißen, wo sich beide Männer im Schmutz hin und her wälzten.

Der Riese schaffte es, seine Körpermasse auf Jacob zu wälzen, und wollte ihn in den Schwitzkasten nehmen. Der Deutsche verhinderte das im letzten Augenblick, indem er sein rechtes Knie hochriß und damit in den Schritt des Gegners traf. Der Getroffene heulte vor Schmerz auf, und Jacob warf ihn von sich. Der Riese rollte über den Boden und blieb ganz in der Nähe seines Waffengurts liegen.

Als er die Hand nach dem Griff seines Revolvers ausstreckte, zog der Mann mit dem Kopfverband den Hahn seiner Waffe zurück und sagte: »Bevor Sie schießen, Mr. Koloß, tu ich es!«

Verwirrt hielt der Riese mitten in der Bewegung inne, seine Hand nur zwei Zoll von seinem Revolver entfernt. Jacob nutzte diese Verwirrung, um sich auf ihn zu werfen und mit einer ganzen Schlagserie auszuschalten.

Währenddessen umkreisten sich Martin und das Ledergesicht vorsichtig. Wäre sein rechter Arm gesund gewesen, hätte Martin längst angegriffen. Aber unter den gegebenen Umständen wollte er abwarten, was der andere unternahm.

Auf dessen Gesicht erschien erneut das boshafte Grinsen. »Was ist los, Mann? Warum bewegst du dich so komisch? Stimmt etwas nicht mit deinem Arm?«

Noch während er sprach, sprang er vor und landete einen linken Schwinger auf Martins verletzter Schulter. Der Schlag war hart, durch seine Verletzung für Martin um so härter. Der Deutsche gab einen Schmerzenslaut von sich und wich zurück. Der Kleine setzte nach und deckte ihn mit einer Serie von Schlägen ins Gesicht ein. Martins Nase platzte auf, und ein dünner Blutfaden rann neben seinem Mundwinkel herunter.

Martin sah ein, daß er seinen Gegner nicht unterschätzen durfte. Der kleine hagere Körper täuschte über die Kraft und Zähigkeit hinweg, die in ihm steckte. Und über die Kampferfahrung, die das Ledergesicht offensichtlich besaß. Der Mann konnte blitzschnell zuschlagen und einen da treffen, wo es wirklich weh tat. Martin hatte das schon zu spüren bekommen.

Als der Hagere erneut angriff, tat Martin so, als wollte er weglaufen. Aber dann drehte er sich herum und stellte seinem Gegner ein Bein, über das dieser stolperte. Martin warf sich auf ihn und hieb solange mit der Linken auf ihn ein, bis er den Deutschen anflehte, aufzuhören. Das Ledergesicht war jetzt zerschunden und blutig.

»Schätze, die richtige Seite hat gewonnen«, sagte der Mann mit dem Kopfverband, als sich Jacob und Martin erhoben und nach ihren Waffen griffen.

Als auch die Peiniger des Mädchens ihre Hände nach den Warfen ausstreckte, meinte er kopfschüttelnd: »Nicht doch. Ihr könnt zurückkommen und eure Schießeisen aufsammeln, wenn wir weg sind. Jetzt verzieht euch!«

Wie geprügelte Hunde gingen die beiden Stoppelbärtigen durch das Tor nach draußen, aber sie warfen den im Schuppen Zurückbleibenden haßerfüllte Blicke zu.

*

Während Martin zu dem Mädchen ging, um ihr aufzuhelfen, wandte sich Jacob den beiden anderen Männern zu und bedankte sich für die Hilfe.

»Ich glaube, einen Revolverkampf hätten mein Freund und ich nicht überstanden, Mister...«

»Miller«, stellte sich der Mann mit dem Kopfverband vor. »Ben Miller.« Er zeigte auf den Jungen. »Und das hier ist mein Sohn Johnny.«

»Johnny Miller«, wiederholte Jacob überrascht und musterte den Jungen. »Der Name Miller ist häufig. Aber sind Sie vielleicht der Johnny Miller, der durch seinen Gewaltritt nach Kansas City dafür gesorgt hat, daß General Ewings Truppen rechtzeitig gekommen sind, um Blue Springs vor Quantrill s Bande zu retten?«

»Das ist er nicht nur vielleicht, sondern ganz bestimmt«, meinte der Mann mit dem Kopfverband und klopfte seinem Sohn stolz auf die Schulter. »Wenn Johnny nicht zwei gute Pferde zuschandegeritten hätte, läge Blue Springs jetzt in Schutt und Asche.« Er sah Jacob fragend an. »Aber woher wissen Sie davon?«

Jacob nannte ihre Namen und berichtete den Millers, daß er und Martin zu den Menschen gehörten, die Blue Springs gegen die Schwarze Brigade verteidigt hatten. »Und jetzt hoffen wir, daß wir noch einen Platz im letzten Oregon-Treck ergattern können, der dieses Jahr aufbricht.«