»Wir gehen am besten gleich zum Asquith Trading Center«, schlug der schwarze Schmied unterwegs vor. »Dort gibt es die größte Auswahl an allem, was man für einen Treck braucht, auch Zugtiere.«
»Hauptsache, es gibt dort auch faire Preise«, meinte Jacob.
»Die erzielt man, wenn man etwas von den Sachen versteht, die man kaufen will.«
»Dafür sind Sie bei uns, Mr. Kelley.«
»Allerdings«, bestätigte der Schwarze lachend. »Abner Zachary hat mir aufgetragen, mich gut um Sie zu kümmern. Er meinte, einen Zimmermann dürften wir uns nicht entgehen lassen.«
Wahrscheinlich auch nicht zwei mögliche Schwiegersöhne, dachte Jacob. Laut fragte er: »Wie sind Sie alle eigentlich zusammengekommen, Mr. Kelley? Zachary scheint der von allen anerkannte Führer zu sein.«
»Die meisten von uns kennen Mr. Zachary schon aus Missouri und sind ihm gefolgt, als er dieses unruhige, brutale Land verließ. Alle Schwarzen des Trecks sind freigelassene Sklaven, die sich am Stockton Lake angesiedelt hatten, in der Nähe von Abner Zacharys Farm. Auch ich betrieb dort eine Schmiede. Aber mit Ausbruch des Bürgerkriegs wurden die Anfeindungen der Sklavereibefürworter immer schlimmer. Wir freien Schwarzen waren ihre bevorzugten Ziele. Als Abner Zachary nach dem Tod seiner Frau seine Farm verließ, um ein neues Land zu suchen, in dem Schwarze und Weiße mit gleichen Rechten und Pflichten nebeneinander leben können, sind wir ihm nur zu gern gefolgt. Unterwegs hat sich unser Treck vergrößert. Hier in Kansas City sind noch ein paar Familien zu uns gestoßen, wie die Millers. Es ist immer besser, zu vielen zu sein, wenn man die weite Reise über die Rockies antritt. Ein paar von uns werden das Gelobte Land sicher nicht erreichen. Nur wenn wir viele sind, kommen auch genug an.«
»Obwohl Sie das Risiko kennen, nehmen Sie und Ihre Familie die Gefahr auf sich?« fragte Jacob.
Kelley sah ihm ins Gesicht. »Ich tu es nicht zuletzt für meine Kinder. Damit sie einmal wirklich frei sein können.«
*
Im Trading Center trennten sie sich. Jacob und Martin sollten sich schon einmal nach geeigneten Wagen umsehen, während Sam Kelley und sein Sohn ihre Einkäufe erledigten. Die Schwarzen wollten dann zu den Deutschen stoßen.
Letztere gingen auf den Platz im Innenhof, auf dem eine Menge Planwagen standen. Gebrauchte Wagen, wie ein großes Schild verkündete, aber günstig und gut erhalten.
»Das könnte etwas für uns sein«, meinte Martin. »Angesichts dessen, was wir für die Reise noch alles kaufen müssen, kann es nichts schaden, ein wenig sparsam mit unserem Geld zu sein.«
Noch ehe Jacob etwas darauf erwidern konnte, trat ihnen ein bulliger, kahlköpfiger Mann aus dem Schatten eines Vorbaus entgegen. Was ihm auf dem Kopf an Haaren fehlte, macht ein gewaltiger, pechrabenschwarzer Schnauzbart wieder wett. Er spuckte einen Priem hinter einen Wagen, wischte sich mit dem Ärmel seines blauen Baumwollhemdes über den Mund und blieb mit einem breiten Lächeln vor den beiden Freunden stehen.
»Kann ich Ihnen helfen, Gents? Ich bin Buck Saunders und für den Verkauf dieser prächtigen Wagen zuständig.«
»Wir wollen uns dem Oregon-Treck anschließen«, erklärte Martin, »und suchen einen guten Wagen.«
»Da sind Sie bei Buck Saunders an der besten Adresse. Kommen Sie mit, ich habe genau das Richtige für Sie.« Er führte sie zu einem wahren Ungetüm von Planwagen, dessen Räder die beiden großen Deutschen noch um einiges überragten. »Eine Spezialanfertigung, die ein Mormone bauen ließ, um seine drei Frauen und seine zahlreiche Kinderschar darin unterzubringen. Leider wurde er bei einem Streit auf offener Straße erschossen, bevor er die Reise zum großen Salzsee antreten konnte.«
»So viele Personen sind wir eigentlich nicht«, wandte Jacob ein. »Genauer gesagt, zwei Männer, eine Frau und eine kleines Kind.«
»Na, um so besser«, rief Saunders aus und klatschte in die Hände. »Dann ist das der beste Wagen für Sie. Was meinen Sie, was Sie sich auf der langen Reise über ein wenig Platz und Bewegungsfreiheit freuen werden. Ihre Mitreisenden werden Sie darum beneiden!«
»Da ist was dran«, meinte Martin. »Denk nur an die Enge auf der ALBANY, Jacob. Und die Reise nach Oregon dauert viel länger als die Fahrt übers Meer.«
»Da hat Ihr Freund recht«, bestätigte Saunders mit einem Lächeln, das seinen mächtigen Schnauzer tanzen ließ.
Sie besahen sich den riesigen Wagen von allen Seiten, und Jacob erkundigte sich nach dem Preis.
»Ich lasse Ihnen den Wagen billiger, weil Sie mir sympathisch sind, Gents. Sagen wir, hundertzwanzig Dollar?«
»Wofür, Saunders?« fragte eine Stimme hinter ihnen. »Etwa für Ihren gesamten Fuhrpark?« Es war die Stimme von Sam Kelley, der zu ihnen trat. »Sieht so aus, als sei ich gerade noch rechtzeitig gekommen. Sie wollten meinen Freunden doch nicht etwa den Mormonen-Wagen andrehen, Saunders?«
Das Lächeln auf dem Gesicht des Verkäufers verwandelte sich in eine Trauermiene, und die Bartenden hingen trübselig nach unten.
»Was haben Sie dagegen einzuwenden, Kelley? Es ist ein guter Wagen!«
»Aber für den Treck nach Oregon vollkommen ungeeignet. Viel zu schwer. Sobald es zu regnen beginnt, sackt er auch ohne jegliches Gepäck unwiderruflich im Schlamm ein. Außerdem braucht man eine ganze Viehherde, um ihn zu ziehen.«
»Der Mormone war da anderer Meinung«, widersprach Saunders.
»Lassen Sie die Toten in Frieden ruhen, Buck«, sagte Kelley. »Bieten Sie meinen Freunden lieber einen vernünftigen Wagen an. Und zu einem vernünftigen Preis. Ich habe da eben etwas von hundertzwanzig Dollar gehört. So viel bezahlt man nicht einmal für einen neuen Wagen!«
»Aber das hier ist eine Spezialanfertigung«, sagte Saunders trotzig und streichelte fast liebevoll den Eisenreifen eines Vorderrads.
»Ja, so speziell, daß Sie den Wagen so ungefähr jedem Auswanderer anzudrehen versuchen, der nach Kansas City kommt. Bis jetzt ohne jeden Erfolg.«
Der schwarze Schmied steuerte auf einen Wagen zu, der im Vergleich zu allen anderen schmächtig wirkte.
»Das ist wirklich das, was Sie suchen«, sagte er zu Jacob und Martin, während er in den Wagen kletterte und das Holz begutachtete. »Eine leichte Bauweise, aber wegen des harten Hickoryholzes gleichwohl belastbar. Sie sind nur drei Erwachsene und haben vermutlich wenig Gepäck. Da dürften Sie mit vier Zugtieren auskommen. Das spart Ihnen zusätzlich Geld für Reittiere. Ich konnte mir nur eine alte Mähre zum Reiten kaufen, weil ich zum Ziehen meiner fahrbaren Schmiede zehn Ochsen benötige.«
»Auch ein guter Wagen«, beeilte sich Saunders zu sagen. »Ich kann ihn sehr günstig abgeben, für fünfundsiebzig Dollar.«
Kelley lachte ihm ins Gesicht. »Das hat er nicht mal gekostet, als er neu war. Mach uns endlich ein vernünftiges Angebot, oder wir gehen zur Konkurrenz. Dann kaufen meine Freunde allerdings auch ihre Zugtiere und ihre Vorräte woanders, und Mr. Asquith entgeht eine Menge Profit.«
»Also gut, sagen wir fünfundfünfzig Dollar«, ließ sich Saunders herab.
»Sagen wir fünfundzwanzig«, entgegnete der Schmied.
Saunders starrte ihn an wie einen Irren.
»Das ist ein lächerliches Angebot!«
»Genauso lächerlich, wie fünfundfünfzig Dollar für den gebrauchten Wagen zu verlangen.«
»Na schön, mein letztes Angebot«, meinte der Verkäufer mit zutiefst zerknirschtem Gesichtsausdruck. »Fünfundvierzig Dollar.«
»Unser letztes Angebot«, erwiderte Kelley, »lautet fünfunddreißig Dollar.«
Saunders sah ihn verständnislos an.
»Jetzt geben Sie Ihrem steinharten Herzen einen Stoß, Saunders, und einigen Sie sich mit meinen Freunden auf vierzig Mäuse!«
Das tat der Schnauzbärtige widerwillig.
So kamen Jacob und Martin günstig zu ihrem Wagen, ohne daß sie viel dafür tun mußten. Auch bei ihren übrigen Einkäufen stand ihnen der erfahrene Sam Kelley mit Rat und Tat zur Seite. Schließlich mußten sie nur noch die Tiere besorgen.