»Auch da hat Asquith ein großes Angebot«, teilte ihnen der Schwarze mit. »Pferde sind durch den Krieg sehr teuer geworden. Die Armee kauft alles auf, was auch nur entfernt danach aussieht. Als Zugtiere sollten Sie deshalb Ochsen oder Maultiere nehmen.«
»Und was ist besser?« fragte Martin.
»Ich habe mich für Ochsen entschieden. Ein Ochse kostet nur etwa halb soviel wie ein Muli, frißt alles, läuft einem nachts nicht davon und ist nicht so störrisch wie ein Maultier. Außerdem können die Rothäute Ochsen nicht reiten und stehlen sie deshalb nicht so gern wie Pferde und Mulis, hat man mir erzählt.«
»Dann nehmen wir auch Ochsen«, erklärte Martin, nachdem er einen kurzen Blick mit Jacob gewechselt und Einverständnis in den Augen seines Freundes gelesen hatte.
»Sie sind aber langsamer als Mulis«, wurden sie von Kelley belehrt.
»Was macht das schon«, meinte Jacob. »Da der Treck zusammenbleibt und noch vor anderen Wagen Ochsen laufen, wird es sowieso nicht sehr schnell vorangehen.«
»Ein wahres Wort«, meinte der Schwarze und half den Deutschen, vier kräftige, gesunde Ochsen auszusuchen.
Der Verkäufer wollte siebzig Dollar pro Stück haben, aber Jacob und Martin zahlten letztlich nur fünfzig. Die Milchkuh, die sie beim selben Händler erstanden, handelte der Schmied von sechzig Dollar auf fünfundvierzig herunter.
»Falls Sie noch genügend Geld haben, empfehle ich Ihnen, sich zwei Pferde zuzulegen«, sagte Kelley. »In diesem weiten Land lauern viele Gefahren. Ein Mann kann leicht in die Verlegenheit kommen, schnell große Strecken überwinden zu müssen. Sei es, um Hilfe zu holen, sei es, um Hilfe zu bringen.«
Jacob und Martin begleiteten ihn zu den Pferdeställen, wo sie George Kelley wiedertrafen. Der Junge stand vor einer Box und sprach mit einem schlanken Rappen, dessen Fell glänzte.
»George ist ein Pferdenarr«, erklärte Sam Kelley. »Er versteht eine ganze Menge von den Tieren.«
Als der Junge seinen Vater erblickte, lief er ihm entgegen und rief schon von weitem: »Dad, Dad, ich will dieses Pferd haben!«
Der Schmied blieb stehen und musterte abwechselnd seinen Sohn und den Rappen.
»Weshalb?«
»Es ist das schönste Tier, das ich je gesehen habe. Und das schnellste.«
»Woher willst du das wissen? Hast du es schon laufen sehen?«
»Nein, aber das muß ich auch nicht. Man sieht ihm an, wie schnell es ist.«
»Wenn es wirklich das schnellste Pferd wäre, würde Asquith es nicht verkaufen, sondern morgen beim Rennen starten lassen.«
»Vielleicht hat Mr. Asquith nicht so ein gutes Auge für Pferde wie George«, meinte Jacob.
»Kann schon sein«, brummte der Schmied.
Der Stallwart kam und fragte, worum es ging.
»Uns interessiert der Preis dieses Rappen«, sagte Sam Kelley.
»Zweihundert Dollar.«
Der Schmied schüttelte den Kopf. »Zuviel für mich.«
»Pa!« sagte George enttäuscht.
»Wir können nicht unser ganzes restliches Geld für ein Pferd ausgeben«, belehrte ihn sein Vater.
Der Stallwart stützte die Hände in die Hüften. »Ich kenne Sie, Sam Kelley. Wenn das einer Ihrer Tricks ist, um das Tier runterzuhandeln, beißen Sie sich diesmal die Zähne aus. Der Rappe ist jeden Cent wert!«
»Das ist kein Trick«, versicherte Kelley. »Ich habe das Geld nicht übrig.«
Trotz seiner Proteste stieß George bei seinem Vater auf taube Ohren.
»Du hast mir versprochen, ich würde bald ein eigenes Pferd bekommen, als wir von Stockton weg sind, Pa«, versuchte es George noch einmal.
»Da wußte ich noch nicht, wie teuer es kommt, uns für den Treck nach Oregon auszurüsten.« Kelley legte eine Hand auf den Kopf seines Sohnes. »Du wirst dein Pferd bekommen, George, wenn wir in Oregon sind.«
Damit war für den Schmied die Diskussion beendet, und er half den beiden Deutschen, sich zwei Reittiere auszusuchen. Sie entschieden sich für zwei robuste Tiere, die die entbehrungsreiche Reise hoffentlich überstehen würden. Jacob nahm einen Grauschimmel und Martin einen Braunen. Die beiden Tiere zusammen kosteten nur zwanzig Dollar mehr als der Rappe, den George so sehr in sein Herz geschlossen hatte.
Als alle Einkäufe, auch die der Kelleys, in den neuen Wagen geladen und die Ochsen ins Joch genommen waren, kletterten Jacob und Martin auf den Bock und setzten das Gefährt, das sie ins ferne Oregon bringen sollte, langsam in Bewegung. Die Milchkuh war hinter dem Wagen angebunden, und die Kelleys führten die Pferde an der Leine.
Sie fuhren nur langsam, weil sie sich an das Gefährt noch gewöhnen mußten und die Straßen sehr voll waren. Vor dem Boardinghouse, in dem die Deutschen Quartier genommen hatten, hielten sie an.
Irene war sehr überrascht, als sie sah, wie weit ihre Freunde schon mit den Reisevorbereitungen waren. Sie gaben ihre Zimmer auf, weil es günstiger war, im Planwagen -beziehungsweise, was Jacob und Martin betraf, unter ihm - zu übernachten. Während der Reise mußten sie es sowieso tun. Da konnte es nicht schaden, sich schon einmal daran zu gewöhnen.
Als sich der Wagen mit Irene und Jamie hinten zwischen den Einkäufen in Bewegung setzte, fing Jamie aus Leibeskräften an zu schreien.
»Das kann ja heiter werden«, meinte Martin, der die Ochsen antrieb.
»Wie meinst du das?« fragte Jacob.
»Offenbar mag Jamie unseren Wagen nicht. Wenn wir Pech haben, hören wir die nächsten vier, fünf Monate nichts anderes als sein Geschrei.«
»Besser Jamies Geschrei als das Geschrei angreifender Indianer«, erwiderte Jacob.
Martin gab ihm recht.
*
Beim Treck wurde der neue Wagen mit großer Begeisterung empfangen und von einer kleinen Prozession zu einem freien Lagerplatz geführt.
Nur Abner Zachary hatte Wichtigeres zu tun. Er war in einen heftigen Disput mit seinem Sohn Adam verwickelt. Urilla stand daneben und verfolgte die Auseinandersetzung bangen Blickes.
Als Jacob Martin bat, ihm zu helfen, die Tiere auf die Weide zu führen, mußte er es ihm dreimal sagen. So sehr hatte Martin die Ohren gespitzt, um etwas von der Auseinandersetzung mitzubekommen.
Die beiden Deutschen kehrten gerade von der Weide zurück, als drei Männer in das Lager einritten. Jacob und Martin blieben wie vom Donner gerührt stehen, als sie die Reiter erblickten. Sie kannten alle drei.
Ihr Anführer war der gutaussehende Mann, dem sie am Morgen kurz im Trading Center begegnet waren.
Seine beiden Begleiter hatten sie in viel unliebsamer Erinnerung. Es waren die beiden Männer, vor denen sie Urilla bewahrt hatten, der Riese und das Ledergesicht. Sie trugen wieder ihre Waffen und waren noch immer unrasiert. Ihre geschwollenen Gesichter waren gut sichtbare Zeichen des verlorenen Kampfes.
»Was wollen die hier?« zischte Martin grimmig.
»Keine Ahnung. Aber wir werden es sicher bald erfahren.«
Die Reiter trieben ihre Tiere zu Abner Zacharys Conestoga-Wagen, und auch die beiden Deutschen lenkten eilig ihre Schritte dorthin.
Als Urilla die Reiter erblickte, wurde sie blaß und klammerte sich an Adam Zacharys Arm fest. Martin registrierte das ebenso mit Unbehagen wie der alte Zachary.
»Was hast du, Urilla?« fragte Adam.
Urilla starrte die näherkommenden Reiter an.
»Die beiden sind es gewesen, der Kleine und der Riese. Sie haben mich in den Schuppen gezerrt!«
»Ich werde mein Gewehr holen«, sagte Adam und wollte in den Wagen klettern.
Sein Vater packte ihn an der Schulter und hielt ihn zurück. »Warte, Adam! In Stockton haben wir soviel Gewalt und Blutvergießen erlebt, daß wir nicht schon wieder damit anfangen wollen. Laß uns einfach anhören, was die Fremden von uns wollen. Sie werden nicht gleich auf uns schießen. Dafür sind wir zu viele.«
Adams Stirn umwölkte sich, und er riß sich von dem Alten los. »Aber Vater, vergißt du, was die Kerle Urilla angetan haben?«