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»Uns haben sie nichts getan«, beharrte Abner Zachary und sah den drei Fremden ruhig entgegen.

Die Reiter erreichten den Conestoga-Wagen fast gleichzeitig mit Jacob und Martin. Als das Ledergesicht die Deutschen erblickte, zog er mit blitzartiger Geschwindigkeit die beiden Revolver mit den Elfenbeingriffen und legte sie auf die Auswanderer an.

»So schnell sieht man sich wieder«, ertönte die blecherne Stimme des Hageren. »Aber diesmal geht das Spiel anders aus!«

»Was soll das, Brad?« fuhr ihn der im Vergleich zu seinen Begleitern ungewöhnlich gepflegte Mann im hellen Anzug an. »Bist du übergeschnappt?«

»Die beiden Grünschnäbel haben uns heute morgen einigen Ärger bereitet, Boß«, erklärte der Riese.

Der gutaussehende Mann, der einen schlanken Rotfuchs ritt, grinste.

»Was für Ärger? Waren sie es etwa, die euch die Visagen so poliert haben, daß ihr ausseht wie bunte Äpfel?«

»Dafür werden sie jetzt büßen«, stieß das Ledergesicht erregt hervor und zog die Hähne beider Revolver mit laut vernehmlichem Klicken gleichzeitig zurück.

»Mister, sind Sie mit Ihren Männern in unser Lager gekommen, um friedliche Auswanderer niederzuschießen?« fragte Abner Zachary mit einer Stimme wie Donnergrollen.

»Das lag nicht in meiner Absicht«, versicherte der Mann auf dem Rotfuchs. »Aber wie es aussieht, haben meine Männer eine private Streitigkeit mit zwei von Ihren Leuten. Es steht mir nicht an, mich dazwischenzustecken.«

»Ihre Männer sollten froh sein, daß wir nicht Marshal Webb eingeschaltet haben. Dann säßen sie jetzt in einer engen Zelle hinter fingerdicken Gitterstäben.«

»Wieso?«

»Wegen Belästigung, um es milde auszudrücken«, antwortete Abner Zachary und sah dabei Urilla an.

»Damit habt ihr euch also die Zeit vertrieben«, sagte der Mann im hellen Anzug zu seinen Begleitern. »Statt zum Barbier zu gehen, wir ihr es vorhattet. Ihr konntet es wohl wieder nicht abwarten, wie? Das Vergnügen vor dem Geschäft, he?«

Das Ledergesicht sah ihn unsicher an.

»Steck endlich die Schießeisen wieder ein, Brad!« herrschte ihn sein Boß an. »Wir wollen hier keinen Ärger. Du kannst froh sein, daß die Lady den Vorfall nicht dem Marshal gemeldet hat.«

Während das Ledergesicht widerwillig seine Waffen entspannte und sie zurück in die Holster stieß, sah der Gutaussehende Urilla an, tippte an seinen Hut, deutete eine Verbeugung an und sagte: »Vergeben Sie meinen Männern ihre Ungestümheit, Lady. Wahrscheinlich hat Ihre Schönheit sie verwirrt.«

»So ein Schwätzer«, zischte Martin leise und entlockte damit seinem Freund trotz der angespannten Situation ein leichtes Lächeln.

Abner Zachary fragte: »Was können wir für Sie tun, Mister.«

»Stanton«, stellte sich der Reiter des Rotfuchses vor. »Everett Stanton.«

Er zeigte auf das Ledergesicht. »Das ist Mr. Brad Folsom.«

Dann auf den Riesen. »Und das ist Hatch McPherson, aus unübersehbaren Gründen auch Big Hatch genannt. Wir haben einen ziemlich weiten Weg hinter uns und hoffen sehr, daß Sie uns helfen können.«

»Wobei?« fragte der alte Zachary knapp.

»Dabei, einen Mann zu finden, einen Schwarzen. Ein entflohener Sklave. Er heißt Jackson Harris und ist von der Penrose-Plantage entflohen. Übrigens zur selben Zeit, als Sie Stockton verlassen haben, Mr. Zachary. Sie sind doch Abner Zachary, oder irre ich mich da?«

»Sie irren sich nicht, Mr. Stanton«, sagte der Prediger, dessen Gesicht sich bei der Erwähnung des entflohenen Sklaven schlagartig verdüstert hatte. »Allerdings weiß ich nicht, inwieweit wir Ihnen helfen können.«

»Nun, die Vermutung liegt nahe, daß sich Harris bei Ihrem Treck aufhält. Es ist allgemein bekannt, daß Sie ein Sklavenfreund sind, Mr. Zachary. Unter Ihren Leuten sind viele Schwarze, vielleicht auch Harris.«

»Die Schwarzen hier sind alles freie Menschen«, erwiderte Zachary.

»Mag sein«, sagte Stanton gedehnt, stützte sich aufs Sattelhorn und blickte suchend in die Runde; inzwischen waren eine Menge Menschen von dem Disput angelockt worden und verfolgten ihn mit gespitzten Ohren und neugierigen Gesichtern. »Mag aber auch nicht sein, Mr. Zachary. Sie haben wohl nichts dagegen, wenn wir uns ein bißchen hier im Lager umsehen, oder?«

»Doch, das habe ich!«

»Mit welchem Recht?«

»Ich bin der Treck-Captain und bestimmte, was hier geschieht. Außerdem wird Ihrer Aufmerksamkeit nicht entgangen sein, daß wir uns hier auf der Westseite des Missouri befinden, also auf dem Gebiet von Kansas. Hier ist die Sklaverei verboten. Hier gibt es nur freie Menschen.«

»Meiner Aufmerksamkeit ist gar nichts entgangen«, sagte Stanton eine Spur schärfer als zuvor. »Nicht, daß Abe Lincoln nur die Sklaven in den Südstaaten für frei erklärt hat, aber nicht die in den Sklavenstaaten der Union. Und schon gar nicht das Gesetz, wonach ein entflohener Sklave auch auf dem Gebiet eines Staates, der die Sklaverei ablehnt, ein entflohener Sklave bleibt und zu seinem rechtmäßigen Besitzer zurückgebracht werden darf. Der rechtmäßige Besitzer ist Mr. Jefferson Penrose. Er hat mich damit beauftragt, Harris zurückzubringen. Übrigens hat Penrose eine Belohnung auf die Rückgabe des Sklaven ausgesetzt. Satte fünfhundert Dollar gibt es für den, der ihn zurückbringt. Gibt es niemanden hier, der sich das Geld mit uns teilen will?«

Wieder blickte Stanton in die Runde, aber er sah nichts als an seinem Angebot desinteressierte oder gar abweisendfeindselige Gesichter.

»Wir sind keine Freunde von Sklavenjägern, Mr. Stanton«, sagte Abner Zachary hart. »Ich habe mir Ihr Anliegen angehört und Ihnen gesagt, woran Sie mit uns sind.« Er machte eine kurze Pause, nach der die folgenden Worte donnerten wie die Stimme des Herrn am Jüngsten Tag: »Jetzt verschwinden Sie!«

Stanton richtete sich im Sattel auf.

»Ich werde zurückkommen, aber dann mit dem Marshal. Und während ich fort bin, werden Brad und Big Hatch auf Sie und Ihre Leute achtgeben. Wenn Harris hier ist, wird er nicht entwischen können. Brad ist der beste Schütze, den das Land auf beiden Seiten des Big Muddy jemals gesehen hat.«

Seine Miene hellte sich auf, als er Urilla ansah.

»Freut mich sehr, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben, Miß. Tut mir nur leid, daß es uns unter solch unerfreulichen Umständen geschehen mußte. Guten Tag!«

Die Sklavenjäger wendeten ihre Pferde und verließen ohne Hast das Lager. Stanton verschwand zwischen den Gebäuden am Stadtrand. Seine stoppelbärtigen Begleiter blieben dort auf ihren Pferden sitzen und starrten unverwandt zum Treck herüber.

»Sklavenjäger, pah!« machte Abner Zachary und spuckte vor sich auf den Boden. »Als der Herr dieses Gezücht erschaffen hat, muß er einen schlechten Tag gehabt haben.«

»Wir sollten bewaffnete Wachen aufstellen, Vater«, meinte sein Sohn Adam.

Der Prediger schüttelte sein graues Haupt. »Wozu soll das gut sein? Wenn Stanton tatsächlich mit dem Marshal zurückkehrt, können wir schlecht auf den schießen. Außerdem ist eine blutige Auseinandersetzung das letzte, was wir gebrauchen können. Wir wollen übermorgen nach Oregon aufbrechen, nicht ins Gefängnis.«

»Sie haben wohl recht, Mr. Zachary«, meinte Jacob. »Aber trotzdem würde ich die Sache nicht auf die leichte Schulter nehmen. Diese Strolche sind rücksichtslos und gefährlich, wie Martin und ich heute morgen schon feststellen mußten.«

»Wenn man ihnen dazu einen Grund gibt«, sagte der Prediger mit einem strengen Blick auf Urilla.

»Was soll das heißen?« fragte Adam.

Sein Vater sah zu den zwei Sklavenjägern am Stadtrand hinüber.

»Diese Burschen werden nur dann gefährlich, wenn man ihnen einen Anlaß bietet. Denk mal darüber nach, Adam, warum sie sich ausgerechnet an Miß Anderson herangemacht haben.«

Sein Blick kehrte zu der jungen Frau zurück und wurde inquisitorisch.