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er mußte dafür an einem kleinen Knopf drehen, den er auf dem Bauch hatte -, wollte Lillebror auf ihn zustürzen und ihn umarmen. Da stieß Karlsson ihn aber mit seiner kurzen dicken Hand zurück und sagte:

„Ruhig, nur ruhig! Gibt's was zu essen? Ein paar Fleischklöße oder dergleichen? Oder vielleicht ein bißchen Sahnetorte?"

Lillebror schüttelte den Kopf.

„Nööö, heute hat Mama keine Fleischklöße gemacht. Und Sahnetorte haben wir nur, wenn Geburtstag ist."

Karlsson schnaubte.

„Was ist das eigentlich für eine Familie? ,Nur wenn Geburtstag ist?' Wenn aber ein lieber alter Freund kommt, den man monatelang nicht gesehen hat? Man sollte doch meinen, deine Mama könnte sich dann ein bißchen anstrengen."

„Ja, aber wir wußten nicht...", begann Lillebror.

„Wußten nicht", sagte Karlsson. „Ihr hättet die Hoffnung haben können. Ihr hättet die Hoffnung haben können, daß ich eines Tages käme, und das hätte deiner Mama genügen müssen, mit der einen Hand Klöße zu drehen und mit der anderen Sahne zu schlagen."

„Wir hatten Bratwurst zu Mittag", sagte Lillebror beschämt.

„Vielleicht möchtest du ..."

„Bratwurst! Wenn ein lieber alter Freund kommt, den man monatelang nicht gesehen hat!"

Karlsson schnaubte abermals.

„Nun ja, will man in diesem Haus verkehren, dann muß man lernen, sich in allerlei zu fügen . .. Her mit der Bratwurst!"

Lillebror rannte, so schnell er konnte, in die Küche. Mama war nicht zu Hause, sie war beim Arzt, er konnte sie daher nicht fragen. Er wußte aber, daß er Karlsson zu Bratwurst einladen durfte. Auf einem Teller lagen fünf Stücke, die übriggeblieben waren, und die nahm er für Karlsson mit. Und Karlsson stürzte sich darauf wie ein Habicht. Er stopfte sich den Mund mit Bratwurst voll und sah ganz zufrieden aus.

„Naja",sagte er, „für Bratwurst schmeckt sie gar nicht so übel.

Natürlich nicht so wie Fleischklöße, aber von manchen Leuten darf man nicht zuviel verlangen."

Lillebror verstand, daß er „manche Leute" war, und daher beeilte er sich, von etwas anderem zu reden.

„Hattest du es schön bei deiner Großmutter?" fragte er.

„Ich hatte es so schön, daß man es gar nicht erzählen kann", sagte Karlsson. „Und darum habe ich mir auch vorgenommen, nichts davon zu erzählen." Und er biß hungrig in seine Wurst.

„Ich hatte es auch schön", sagte Lillebror. Er begann, Karlsson zu erzählen, was er alles bei seiner Großmutter gemacht hatte.

„Sie ist so gut, so gut, meine Großmutter", sagte Lillebror. „Und du kannst dir nicht denken, wie sie sich freute, als ich kam. Sie drückte mich, so sehr sie konnte."

„Warum denn?" fragte Karlsson.

„Weil sie mich gern hat. Verstehst du das nicht?" sagte Lillebror.

Karlsson hörte auf zu kauen.

„Und du denkst natürlich, meine Großmutter hat mich nicht besonders gern, was? Du glaubst natürlich nicht, daß sie mich hochhob und mich drückte, bis ich blau im Gesicht wurde, nur weil sie mich so gern hat, das glaubst du nicht, was? Ich will dir aber mal was sagen: Meine Großmutter hat ein Paar kleine Fäuste, so hart wie Eisen, und wenn sie mich nur ein einziges Gramm mehr gemocht hätte, dann säße ich jetzt nicht hier, dann wär's mit mir aus gewesen."

„So so", sagte Lillebror, „die Großmutter, die konnte aber mächtig drücken."

So sehr hatte seine Großmutter ihn allerdings nicht gedrückt, aber sie hatte ihn doch gern, und sie war auch immer gut zu ihm gewesen. Das erklärte er Karlsson.

„Sie kann aber auch so nörglig sein wie keine auf der Welt", sagte Lillebror, nachdem er ein wenig überlegt hatte. „Sie nörgelt immerzu und immerzu, man soll die Strümpfe wechseln, und man soll sich nicht mit Lasse Jansson zanken und so was alles."

Karlsson schleuderte den Teller weg, als er ihn leergegessen hatte.

„Und du glaubst natürlich, meine Großmutter wäre gar nicht nörglig, was? Du glaubst natürlich nicht, daß sie den Wecker gestellt hat und jeden Morgen um fünf Uhr hochgespritzt ist, nur um lange genug nörgeln zu können, ich solle die Strümpfe wechseln und mich nicht mit Lasse Jansson zanken?"

„Kennst du denn Lasse Jansson?" fragte Lillebror verwundert.

„Nein, Gott sei Dank nicht", sagte Karlsson.

„Warum sagte denn aber deine Großmutter ...", erkundigte sich Lillebror.

„Weil sie die nörgligste Großmutter der Welt ist", sagte Karlsson. „Vielleicht kapierst du es jetzt endlich. Du kennst Lasse Jansson und willst dann behaupten, deine Großmutter wäre so nörglig wie keine auf der ganzen Welt? Aber meine Großmutter, die nörgelt den ganzen Tag, daß ich mich nicht mit Lasse Jansson zanken soll, obgleich ich den Bengel nie gesehen habe und von ganzem Herzen hoffe, ich brauche ihn auch nie zu sehen."

Lillebror grübelte. Es war wirklich sonderbar: Ihm hatte es sehr wenig gefallen, wenn die Großmutter an ihm herumnörgelte, aber jetzt hatte er plötzlich das Gefühl, er müsse Karlsson über-trumpfen und die Großmutter nörgliger machen, als sie war.

„Sowie ich nur ein ganz, ganz klein wenig nasse Füße hatte, fing sie an zu nörgeln, ich solle die Strümpfe wechseln", versicherte Lillebror.

Karlsson nickte.

„Und du glaubst natürlich, meine Großmutter wollte nicht, daß ich die Strümpfe wechsele, was? Du glaubst natürlich nicht, daß sie durch das ganze Dorf angeprescht kam, sowie ich draußen war und in eine Wasserpfütze trat, und nörgelte und nörgelte: , Wechsle die Strümpfe, Karlssonchen, wechsle die Strümpfe!'

Das glaubst du wohl nicht, was?"

Lillebror drehte und wand sich.

„Doch, das kann schon sein ..."

Karlsson drückte ihn auf einen Stuhl und stellte sich vor ihn, die Hände in die Seiten gestemmt.

„Nee, das glaubst du nicht. Aber jetzt hör mal zu, ich werde dir erzählen, wie es war. Ich war draußen und trat in eine Wasserpfütze - kapierst du das? Und ich hatte mächtigen Spaß. Und mittendrin kommt Großmutter angeprescht und schreit, daß es im ganzen Ort zu hören ist: ,Wechsle die Strümpfe, Karlssonchen, wechsle die Strümpfe!'"

„Und was hast du gesagt?" fragte Lillebror.

„,Das tu' ich aber nicht', sagte ich, denn ich bin der Ungehor-samste der Welt", versicherte Karlsson. „Und darum rannte ich Großmutter weg und kletterte auf einen Baum, um Ruhe zu haben."

„Da war sie wohl baff", sagte Lillebror.

„Man merkt, daß du meine Großmutter nicht kennst", sagte Karlsson. „Großmutter kam hinterher."

„Auf den Baum rauf?" fragte Lillebror erstaunt.

Karlsson nickte.

„Du glaubst natürlich, meine Großmutter könnte nicht auf Bäume klettern, was? O doch, du, wenn sie nörgeln will, dann klettert sie so hoch, wie man's nicht für möglich hält. »Wechsle die Strümpfe, Karlssonchen, wechsle die Strümpfe', sagte sie und rutschte auf dem Ast entlang, auf dem ich saß."

„Was hast du da gemacht?" fragte Lillebror.

„Ja, was sollte ich machen", sagte Karlsson. „Ich wechselte die Strümpfe, da war nichts zu wollen. Hoch oben auf dem Baum, auf einem kümmerlichen kleinen Ast, da saß ich und wechselte unter Lebensgefahr die Strümpfe."

„Haha, jetzt hast du aber geschwindelt", sagte Lillebror. „Oben auf dem Baum hattest du doch keine Strümpfe zum Wechseln bei dir."

„Du bist aber schön dumm", sagte Karlsson. „Ich hatte keine Strümpfe zum Wechseln?"

Er zog die Hosen hoch und zeigte auf seine kurzen dicken Beine in heruntergerutschten Ringelstrümpfen.

„Was ist das hier?" sagte er. „Sind das vielleicht keine Strümpfe? Zwei Stück, wenn ich mich nicht irre. Und saß ich etwa nicht da auf meinem Ast und wechselte die Strümpfe, so daß ich den linken Strumpf auf den rechten Fuß zog und den rechten auf den linken Fuß? Das soll ich etwa nicht getan haben? Bloß meiner alten Großmutter zu Gefallen?"