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Als Lillebror sich fertig angezogen hatte, ging er in die Küche, um Fräulein Bock mitzuteilen, daß mit der Isolierung jetzt Schluß sei.

Sie hatte schon angefangen, das Mittagessen zu machen. Die ganze Küche roch stark nach Gewürzen.

„Von mir aus gern", sagte Fräulein Bock, nachdem Lillebror ihr mitgeteilt hatte, daß die ganze Familie nach Hause käme. „Es wird gut sein, wenn ich hier aufhöre, bevor meine Nerven ganz kaputt sind."

Sie rührte wild in einem Kochtopf, der auf dem Herd stand. Sie schmorte etwas darin in einer dicken Soße, und die würzte sie kräftig mit Salz und Pfeffer und Curry.

„So", sagte sie. „Sie muß tüchtig gesalzen und gepfeffert und gecurryt werden, dann wird sie gut."

Sie warf plötzlich einen unruhigen Blick auf Lillebror.

„Du meinst doch hoffentlich nicht, daß dieser entsetzliche Karlsson heute wiederkommt? Es wäre zu schön, wenn meine letzten Stunden hier etwas friedlich verliefen."

Bevor Lillebror noch antworten konnte, hörte man draußen am Fenster eine fröhliche Stimme, die aus vollem Halse sang: „Du schaust, o lieber Sonnenschein, durchs Fenster in mein Stübchen fein ..."

Karlsson war am Fenstersims.

„Heißa hopsa, hier kommt euer lieber Sonnenschein! Jetzt wollen wir's uns lustig machen."

Aber Fräulein Bock streckte ihm flehentlich die Hände ent-gegen. „Nein, nein, nein! Alles, was ihr wollt, wenn wir's nur nicht lustig haben müssen."

„Na ja, zuerst essen wir natürlich", sagte Karlsson und flitzte zum Küchentisch. Dort hatte Fräulein Bock für sich und Lillebror gedeckt. Karlsson setzte sich auf den einen Platz und ergriff Messer und Gabel.

„Los jetzt! Her mit dem Essen!"

Er nickte Fräulein Bock freundlich zu.

„Du kannst gerne mit am Tisch sitzen. Nimm dir einen Teller und komm!"

Dann blähte er die Nasenflügel und schnupperte.

„Was gibt's denn?"

„Eine gehörige Portion Prügel", sagte Fräulein Bock und rührte noch wilder in ihrer Soße. „Die müßtest du jedenfalls haben, aber ich bin am ganzen Körper so mürbe, ich fürchte, ich bin heute nicht imstande, herumzurennen."

Sie füllte das Schmorgericht in eine Schüssel und stellte diese auf den Tisch.

„Eßt", sagte sie. „Ich möchte warten bis nachher. Der Arzt hat nämlich gesagt, ich müßte Ruhe haben, wenn ich äße."

Karlsson nickte.

„Na ja, in irgendeiner Dose werden wohl noch ein paar Zwie-bäcke sein, die kannst du ja knabbern, wenn wir das aufgegessen haben. Iß du nur in aller Ruhe einen kleinen Brotkanten. Nur zu!"

Er tat sich eine große Portion von dem Essen auf seinen Teller.

Lillebror nahm sich dagegen nur einen Löffel voll. Er fürchtete sich immer vor einem Gericht, das er nicht kannte. Und so etwas Geschmortes hatte er nie zuvor gesehen.

Karlsson fing an, aus seinem Essen einen kleinen Turm zu machen mit einem Wallgraben drum herum. Während er damit beschäftigt war, aß Lillebror seinen ersten Bissen. Uuh! Er schnappte nach Luft und bekam Tränen in die Augen. Sein ganzer Mund brannte wie Feuer. Fräulein Bock aber hatte sich neben ihn gestellt und sah ihn erwartungsvoll an, darum schluckte er den Bissen hinunter und sagte kein Wort.

Da schaute Karlsson von seinem Turmbau auf.

„Was ist dir? Weshalb weinst du?"

„Ich ... ich mußte gerade an etwas Trauriges denken", stammelte Lillebror.

„Ach so", sagte Karlsson und hieb mit gesundem Appetit in seinen Turm ein. Kaum aber hatte er den ersten Bissen hinunter-geschluckt, da stieß er ein Geheul aus, und seine Augen füllten sich mit Tränen.

„Was ist denn?" fragte Fräulein Bock.

„Fuchsgift, vermute ich! Aber du wirst ja selbst am besten wissen, was du zusammengemuddelt hast", sagte Karlsson.

„Schnell, hol die große Feuerspritze, in meinem Hals ist Feuer ausgebrochen!"

Er wischte sich die Tränen aus den Augen.

„Weshalb weinst du denn?" fragte Lillebror.

„Ich mußte auch an was Trauriges denken", sagte Karlsson.

„Was war das denn?" erkundigte sich Lillebror.

„Dies Essen hier", sagte Karlsson.

Da wurde Fräulein Bock böse.

„Daß ihr euch nicht schämt, ihr beiden! Tausende von Kindern auf der ganzen Welt würden wer weiß was darum geben, wenn sie so ein Essen hätten."

Karlsson steckte die Hand in die Tasche und holte Notizbuch und Bleistift heraus.

„Darf ich bitten, mir Namen und Adressen von zweien von ihnen aufzugeben", sagte er.

Aber Fräulein Bock brummte nur und wollte keine Adressen angeben.

„Es werden kleine Feuerfresserkinder sein, denke ich mir", sagte Karlsson, „die nie was anderes getan haben, als Feuer und Schwefel zu verschlingen."

In diesem Augenblick klingelte es an der Wohnungstür, und Fräulein Bock ging hin, um zu öffnen.

„Wir gehen mit und sehen nach, wer da ist", sagte Karlsson.

„Vielleicht ist es eins von diesen tausend Feuerfresserkindern, die wer weiß was darum geben würden, wenn sie die Feuergrütze vom Hausbock hätten, und da müssen wir achtgeben, daß sie sie nicht zu billig verkauft - wo sie so viel teures Fuchsgift reingetan hat!"

Er ging hinter Fräulein Bock her, und das tat Lillebror ebenfalls.

Sie standen dicht hinter ihr auf dem Flur, als sie öffnete, und sie hörten, wie eine Stimme draußen sagte:

„Mein Name ist Peck. Ich komme vom Schwedischen Rundfunk und Fernsehen."

Lillebror merkte, wie es ihn eiskalt überlief. Er lugte vorsichtig hinter Fräulein Bocks Kleid hervor. Dort stand ein Herr vor der Tür, fraglos so ein schöner und grundgescheiter und ziemlich dicker Mann in den besten Jahren, von denen es so viele im Fernsehen geben sollte, wie Fräulein Bock gesagt hatte.

„Ist Fräulein Hildur Bock zufällig anwesend?" sagte Herr Peck.

„Das bin ich", sagte Fräulein Bock. „Ich habe aber meine Rundfunkgebühren bezahlt und mein Fernsehen auch."

Herr Peck lächelte verbindlich.

„Ich komme nicht wegen der Gebühren. Nein, es handelt sich um diese Spukgeschichten, von denen Sie schrieben. Wir möchten gern eine Sendung davon machen."

Fräulein Bock wurde rot. Sie sagte kein Wort.

„Was ist, fühlen Sie sich nicht wohl?" fragte Herr Peck schließlich.

„Nein", sagte Fräulein Bock, „ich fühle mich nicht wohl. Dies ist die schrecklichste Stunde meines Lebens."

Lillebror stand dicht hinter ihr und hatte so ungefähr die gleiche Empfindung wie sie. Du guter Moses, jetzt war es soweit!

Dieser Peck würde im nächsten Augenblick Karlsson sehen, und wenn Mama und Papa morgen nach Hause kämen, würde das Haus voller elektrischer Drähte und Fernsehkameras und ziemlich dicker Männer sein, und mit dem Hausfrieden wäre es vorbei. Guter Moses, wie sollte er Karlsson bloß wegschaffen!

Da fiel sein Blick auf die alte Kleidertruhe, die auf dem Flur stand und in der Betty all ihren Theaterkram aufbewahrte. Sie und ihre Klassenkameraden hatten irgendeinen albernen Klub, und der kam mitunter bei Betty zusammen, und dann verkleide-ten sie sich und schwirrten umher und taten so, als wären sie ganz jemand anders, als sie in Wirklichkeit waren. Sie nannten es Theaterspielen, und Lillebror fand es ziemlich dumm. Aber, oh, wie gut war es, daß ausgerechnet jetzt die Theatertruhe da stand! Lillebror machte den Deckel auf und flüsterte Karlsson nervös zu:

„Mach rasch - versteck dich hier in der Truhe!"

Und obgleich Karlsson nicht verstand, weshalb er sich verstek-ken sollte, so war er der letzte, der sich weigerte, bei einem Streich

mitzumachen, wenn es erforderlich war. Er zwinkerte Lillebror verschmitzt zu und rutschte in die Truhe hinein. Lillebror klappte schnell den Deckel wieder zu. Dann beobachtete er ängstlich die beiden an der Tür. Hatten sie etwas gemerkt?

Das schien nicht der Fall zu sein, denn Herr Peck und Fräulein Bock unterhielten sich darüber, weshalb Fräulein Bock sich nicht wohl fühlte.