„Ja, aber dadurch kriegtest du doch nicht trocknere Füße", sagte Lillebror.
„Habe ich das behauptet?" fragte Karlsson. „Wie?"
„Ja, aber dann ...", stotterte Lillebror, „dann hast du ja ganz umsonst die Strümpfe gewechselt!"
Karlsson nickte.
„Begreifst du jetzt, wer die nörgligste Großmutter der Welt hat?
Deine Großmutter nörgelt, weil es nötig ist, wenn man einen so verstockten Enkel hat wie dich. Aber meine ist die nörgligste der Welt, die nörgelt nämlich ganz unnötig über midi. Kannst du das endlich in deinen armen Schädel reinkriegen?"
Dann aber brach Karlsson in ein schallendes Gelächter aus und versetzte Lillebror einen kleinen Knuff.
»Heißa hopsa, Lillebror", sagte er. „Nun pfeifen wir auf unsere Großmütter! Jetzt finde ich, wir sollten es uns gemütlich machen."
„Heißa hopsa, Karlsson, das finde ich auch", sagte Lillebror.
„Hast du eine neue Dampfmaschine bekommen?" erkundigte sich Karlsson. „Weißt du noch, was wir für einen Spaß hatten, als wir die alte in die Luft gehen ließen? Hast du keine neue bekommen? Dann könnten wir das noch mal machen."
Lillebror hatte aber keine neue Dampfmaschine bekommen, und Karlsson sah recht ungehalten aus. Da gewahrte er jedoch zum Glück den Staubsauger, den Mama in Lillebrors Zimmer vergessen hatte, als sie hier vor einer Weile saubergemacht hatte. Mit einem kleinen Freudenschrei sprang Karlsson darauf zu und knipste den Schalter an.
„Der beste Staubsaugersauger der Welt, rate, wer das ist!"
Und er begann, aus allen Kräften Staub zu saugen.
„Wenn es um mich her nicht ein bißchen säuberlich ist, dann mach' ich nicht mit", sagte er. „Es ist notwendig, daß dieser Schmutz wegkommt. Was ihr für 'n Glück habt, daß ihr den besten Staubsaugersauger der Welt hier habt."
Lillebror wußte, daß Mama das Zimmer überall ganz gründlich gesaugt hatte, und das sagte er. Karlsson aber lachte höhnisch.
„Weibsleute können mit solchen Apparaten nicht umgehen, das weiß doch jedes Kind. Nein, so wird es gemacht", sagte Karlsson und ging daran, die dünnen weißen Gardinen abzusaugen, so daß die eine mit einem kleinen Zischlaut halb in den Staubsauger hineinflutschte.
„Nein, laß das!" schrie Lillebror. „Die Gardine ist zu dünn!
Siehst du nicht, daß sie im Staubsauger hängenbleibt? Laß das!"
Karlsson zuckte mit den Schultern.
„Ja, wenn du in Schmutz und Dreck leben magst, dann meinetwegen", sagte er.
Ohne den Staubsauger abzustellen, begann er, an der Gardine zu zerren und zu ziehen. Die aber saß ganz fest, und der Staubsauger ließ sie nicht los.
„Da hast du dicht aber geirrt", sagte Karlsson zu dem Staubsauger. „Du hast Karlsson vom Dach vor dir, den besten Drachenkämpfer der Welt."
Er riß nun gehörig an der Gardine und bekam sie heraus. Nun war sie ziemlich schwarz und außerdem etwas zerrissen.
„Oh, guck bloß, wie die Gardine aussieht", sagte Lillebror unglücklich. „Guck, sie ist ganz schwarz!"
„Jaja, und du meinst, so eine Gardine brauche nicht abgesaugt zu werden, du kleiner Schmutzfink", sagte Karlsson.
Er streichelte Lillebror den Kopf.
„Aber sei nicht traurig, deswegen kannst du doch ein braver Kerl werden, wenn du auch ein bißchen zum Dreckigsein neigst.
Ich werde dich übrigens mal ein bißchen staubsaugen. Oder hat deine Mama das schon getan?"
„Nein, das hat sie wahrhaftig nicht getan", sagte Lillebror.
Karlsson ging mit dem Staubsauger auf Lillebror los.
„Ja, da siehst du's mal, diese Weibsleute", sagte er. „Saugen das ganze Zimmer und vergessen das allerschmutzigste Stück!
Komm, wir fangen mit den Ohren an!"
Noch nie in seinem Leben war Lillebror abgesaugt worden, aber jetzt wurde er abgesaugt, und es kitzelte so, daß er vor Lachen quiekte. Karlsson machte es gründlich. Er saugte ihm die Ohren und die Haare und den Hals rundherum und saugte unter den Armen und auf dem Rücken und auf dem Bauch und bis ganz zu den Füßen hinunter.
„So was nennt man Großreinmachen", sagte Karlsson.
»Ich kann dir sagen, das kitzelt aber!" sagte Lillebror.
„Ja, dafür müßtest du eigentlich extra bezahlen", sagte Karlsson.
Danach wollte Lillebror bei Karlsson großreinmachen.
„Jetzt bin ich dran. Komm, ich sauge dir deine Ohren!"
„Ist nicht nötig", sagte Karlsson. „Die habe ich erst vorigen Herbst gewaschen. Hier gibt es manches, was es viel nötiger hat."
Er schaute sich im Zimmer um und entdeckte Lillebrors Briefmarke, die auf dem Tisch lag.
„Hier liegen überall garstige Papierchen herum", sagte er. Und bevor Lillebror ihn daran hindern konnte, hatte er Rotkäppchen in den Staubsauger gesaugt.
Da geriet Lillebror ganz außer sich.
„Meine Briefmarke!" schrie er. „Jetzt hast du Rotkäppchen aufgesaugt! Das verzeihe ich dir nie."
Karlsson stellte den Staubsauger ab und verschränkte die Arme über der Brust.
„Entschuldige", sagte er, „entschuldige, daß man ein guter und hilfsbereiter und reinlicher kleiner Mensch ist, der hier im Leben nur sein Bestes tun möchte. Entschuldige bitte!"
Es klang, als wollte er gleich anfangen zu weinen.
„Es hat gar keinen Zweck", sagte er, und seine Stimme zitterte.
„Man bekommt doch nie einen Dank - nur ausgeschimpft wird man immer."
„Oh", sagte Lillebror, „oh, sei nicht böse, aber du mußt doch verstehen, das Rotkäppchen..."
„Was ist das für 'ne alte Rotkappe, um die du solch ein Geschrei machst?" fragte Karlsson, und nun weinte er nicht mehr.
„Das ist Rotkäppchen, die ist auf der Briefmarke", sagte Lillebror. „Es ist meine schönste Briefmarke."
Karlsson stand still und grübelte. Auf einmal leuchteten seine Augen auf, und er lachte verschmitzt.
„Der beste Spielausdenker der Welt, rate, wer das ist! Und rate, was wir spielen wollen: ,Rotkäppchen und der Wolf! Wir spielen, daß der Staubsauger der Wolf ist, und ich bin der Jäger, der ihm den Bauch aufschlitzt, und, hui, kommt Rotkäppchen raus."
Er sah sich eifrig um.
„Hast du irgendwo ein Beil? So ein Staubsauger, der ist hart wie Eisen."
Lillebror hatte kein Beil, und darüber war er froh.
„Man kann ja den Staubsauger aufmachen und so tun, als hätte man dem Wolf den Bauch aufgeschlitzt."
„Ja, wenn man Pfuscharbeit machen will", sagte Karlsson. „Das ist aber nicht meine Art, wenn ich Wölfe aufschlitze. Da es aber in diesem kümmerlichen Haus kein Handwerkszeug zu geben scheint, müssen wir eben so tun als ob!"
Er warf sich über den Staubsauger und biß in den Handgriff.
„Du dummer Kerl!" schrie er. „Was fällt dir ein, Rotkäppchen aufzusaugen?"
Lillebror fand Karlsson reichlich kindisch, aber wenn man so zuschaute, machte es trotzdem Spaß.
„Ruhig, nur ruhig, kleines Rotkäppchen", rief Karlsson. „Setz dir die Mütze auf und zieh die Gummischuhe an, denn jetzt kommst du raus!"
Und dann öffnete Karlsson den Staubsauger und kippte alles, was darin war, auf dem Teppich aus. Es war ein großer, grauer, garstiger Haufen.
„O weh, du hättest das lieber in eine Papiertüte ausleeren sollen", sagte Lillebror.
„Papiertüte steht das so im Märchen?" fragte Karlsson. „Steht da, daß der Jäger dem Wolf den Bauch aufschlitzte und Rotkäppchen in eine Papiertüte ausleerte? Steht das da?"
„Nöö", sagte Lillebror, „das nicht gerade ..."
„Na, dann sei doch still", sagte Karlsson. „Sag doch nicht so was, was nicht dasteht, sonst mach' ich nämlich nicht mit!"
Dann konnte er nichts mehr sagen, denn vom Fenster kam ein Luftzug, und nun flog ihm eine ganze Menge Staub um die Nase. Er mußte niesen. Er nieste mitten in den Staubhaufen hinein. Dadurch kam ein kleines Stückchen Papier in Bewegung, flog durch das Zimmer und blieb genau vor Lillebror liegen.