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„Ich mache die Milch ein wenig warm", sagte Lillebror schnell und überließ Karlsson das Kind, und Karlsson schrie: „Buschi-buschi-buschi!" und schleuderte Goldsophie zur Decke empor, während Lillebror in die Kochnische ging und die Flasche wärmte.

Und eine Weile später lag Goldsophie in ihrem Bett und schlief wie ein kleiner Engel. Sie war satt und zufrieden, und Lillebror hatte die Decke um sie her festgestopft, und Karlsson hatte sie mit seinem Zeigefinger gepiekst und „buschi-buschi-buschi" geschrien, aber trotz allem schlummerte Goldsophie, weil sie satt und müde war.

„Jetzt machen wir einen kleinen Streich, bevor wir weggehen", sagte Karlsson.

Er ging in die Kochnische und holte die Wurstscheiben. Lillebror sah ihm mit großen Augen zu.

„Hier wirst du mal einen Scherz erleben", sagte Karlsson und hängte eine der drei Wurstscheiben auf den Griff der Küchentür.

„Nummer eins", sagte er und nickte befriedigt.

Alsdann ging er mit raschen Schritten zum Schreibtisch. Hier stand eine hübsche weiße Taube aus Porzellan, und ehe Lillebror es sich versah, hatte die weiße Taube eine Wurstscheibe im Schnabel.

„Nummer zwei", sagte Karlsson. „Und Nummer drei bekommt Goldsophie."

Er steckte die Wurstscheibe auf ein Hölzchen und gab es der schlummernden Goldsophie in die Hand. Es sah wirklich lustig aus. Man hätte fast meinen können, Goldsophie hätte sich die Wurstscheibe selber geholt und wäre darüber eingeschlafen. Aber Lillebror sagte doch: „Nein, sei so gut und laß das."

„Ruhig, nur ruhig", sagte Karlsson. „Da werden ihre Eltern es sich abgewöhnen, sich abends rumzutreiben." „Wieso denn?" fragte Lillebror.

„Ein Kind, das selber aufstehen und sich eine Scheibe Wurst holen kann, das wagen sie nicht mehr allein zu lassen. Wer weiß, was es sich das nächste Mal holt — am Ende Vaters Sonntagsbier?"

Er steckte das Hölzchen ein wenig fester in Goldsophies kleine Hand.

„Ruhig, nur ruhig", sagte er. „Ich weiß schon, was ich tue, denn ich bin der beste Kinderaufpasser der Welt." In diesem Augenblick hörte Lillebror Schritte auf der Treppe draußen, und er zuckte ordentlich zusammen vor Schreck. „Oh, jetzt kommen sie", flüsterte er.

„Ruhig, nur ruhig", sagte Karlsson, und dann stürzten sie beide zum Fenster. Lillebror hörte, wie ein Schlüssel ins Schloß gesteckt wurde, und er glaubte, jetzt sei keine Hoffnung mehr, aber siehe da, es gelang ihm gerade noch, sich nach Karlsson über das Fenstersims zu wälzen. Gleich danach hörte er, wie die Tür aufging und eine Stimme sagte: „Susanne, Mamas kleine Susanne — sie schläft und schläft." „Ja, sie schläft und schläft", sagte eine andere Stimme. Aber dann ertönte ein Schrei. Und Lillebror wußte, jetzt hatten Goldsophies Eltern die Wurst entdeckt.

Er wartete nicht darauf, wie es weiterging, sondern rannte schleunigst hinter dem besten Kinderaufpasser der Welt her, der sich soeben hinter einem Schornstein versteckte. „Willst du zwei Strolche sehen?" fragte Karlsson, als sie sich etwas ausgeruht hatten. „Ich habe zwei prima Strolche in einer anderen Dachkammer hier drüben."

Es hörte sich fast so an, als ob es Karlssons eigene Strolche seien. Das waren sie nun nicht, aber Lillebror wollte sie unter allen Umständen sehen.

Aus der Dachkammer der Strolche hörte man Gerede und Gelächter und Gejohle.

„Jubel und Trubel", sagte Karlsson. „Komm, wir sehen nach, was die da so Lustiges vorhaben."

Sie schlichen an der Regenrinne entlang, und Karlsson reckte den Kopf und lugte hinein. Vor dem Fenster hingen Gardinen, aber es war doch ein Spalt offen, durch den sie hindurchschauen konnten. „Die Strolche haben Besuch", flüsterte Karlsson. Lillebror lugte auch. Drinnen saßen zwei, die wohl die Strolche sein mochten, und außerdem ein netter, kleiner, gutmütiger Mann, der aussah, als ob er vom Lande käme, wo die Großmutter wohnte.

„Weißt du, was ich glaube?" flüsterte Karlsson. „Ich glaube, diese Strolche sind dabei, ganz allein ihre Streiche zu machen. Aber das sollen sie mal hübsch bleiben lassen." Er blickte noch einmal hinein.

„Ich möchte meinen Kopf wetten, daß sie dabei sind, diesem armen Schlucker mit dem roten Schlips einen Streich zu spielen", flüsterte er Lillebror zu.

Die Strolche und der mit dem roten Schlips saßen um einen kleinen Tisch herum dicht am Fenster. Sie aßen und tranken, und die Strolche klopften dem mit dem roten Schlips herzlich auf die Schulter und sagten:

„Wie ist es nett, daß wir dich kennengelernt haben, lieber Oskar."

„Für mich ist es auch nett", sagte Oskar. „Wenn man so in die Stadt kommt, dann ist es von Wert, daß man sich gute Freunde zulegt, bei denen man sicher ist. Sonst weiß man nicht, was einem so alles passieren kann. Man kann auch Betrügern in die Hände fallen." Die Strolche nickten.

„Ach ja, man kann Betrügern in die Hände fallen", sagte der eine. „Was für ein Glück, daß du Fille und mich getroffen hast."

„Ja, wenn du nicht Rulle und mich getroffen hättest, dann hätte es dir ganz schön schlimm ergehen können", sagte der andere.

„Aber jetzt mußt du essen und trinken und dir's wohl-sein lassen", sagte der mit dem Namen Fille, und dann klopfte er Oskar wieder auf die Schulter.

Allerdings tat er danach etwas, was Lillebror ganz stutzig machte. Er steckte gleichsam zufällig seine Hand in die Hintertasche von Oskars Hose und zog eine Brieftasche heraus, und die stopfte er in die Hintertasche seiner eigenen Hose. Und Oskar merkte nichts. Vielleicht kam es daher, weil Rulle ihn in dem Augenblick gerade umarmte und streichelte. Als Rulle aber genug gestreichelt hatte und seine Hand zurückzog, geschah es, daß Oskars Uhr mitging. Die stopfte Rulle in die Hintertasche seiner Hose. Und Oskar merkte nichts.

Aber nun steckte Karlsson vom Dach vorsichtig eine kurze dicke Hand durch den Gardinenspalt und zog die Brieftasche aus der Hintertasche von Filles Hose, und Fille merkte nichts. Und dann steckte Karlsson eine kurze dicke Hand hindurch und holte die Uhr aus der Hintertasche von Rulles Hose, und Rulle merkte nichts.

Nach einer kleinen Weile aber, als Rulle und Fille und Oskar noch mehr gegessen und getrunken hatten, steckte Fille die Hand in die Hintertasche und merkte, daß die Brieftasche weg war. Und da warf er Rulle einen bitterbösen Blick zu und sagte:

„Du, Rulle, komm mit raus auf den Flur, ich hab' mit dir zu reden!"

In diesem Augenblick fühlte Rulle in seiner Hintertasche nach und merkte, daß die Uhr weg war. Und er warf Fille einen bitterbösen Blick zu und sagte:

„Das trifft sich gut, denn ich hab' auch mit dir ein Wort zu reden!"

Da gingen Fille und Rulle auf den Treppenflur hinaus, und der arme Oskar blieb allein zurück. Das schien er ziemlich langweilig zu finden, denn nach einer Weile stand er auf und ging ebenfalls auf den Flur hinaus, um zu sehen, wo Fille und Rulle geblieben waren. Da kletterte Karlsson geschwind über das Fenstersims und legte Oskars Brieftasche in die Suppenschüssel. Aber Fille und Rulle und Oskar hatten alle Suppe aufgegessen, so daß die Brieftasche nicht naß wurde. Und Oskars Uhr befestigte Karlsson an der Deckenlampe, und hier hing sie und baumelte, und es war das erste, was Oskar und Rulle und Fille sahen, als sie wieder vom Flur hereinkamen. Aber Karlsson sahen sie nicht, denn er war unter das Tischtuch gekrochen, das ganz bis auf die Erde herabhing. Und zu diesem Zeitpunkt saß auch Lillebror unter dem Tisch, denn er wollte da sein, wo Karlsson war, wenn er es auch gräßlich fand.

„Guckt mal, da hängt meine Uhr", sagte Oskar. „Wie in aller Welt ist die da hingekommen?"