„Es ist nicht sicher", sagte er, „aber vielleicht bleibe ich da, wenn die da mich streichelt und ,guter Karlsson' sagt", meinte er und zeigte mit seinem kurzen dicken Zeigefinger auf Gunilla.
Und Gunilla streichelte ihn schleunigst.
„Guter Karlsson, bleib hier, damit wir uns irgendeinen Schabernack ausdenken können", sagte sie. „Na meinetwegen, dann tu' ich es", sagte Karlsson, und die Kinder seufzten erleichtert auf. Aber es war etwas verfrüht. Lillebrors Eltern machten hin und wieder einmal einen Abendspaziergang. Und gerade jetzt rief Mama von der Diele her:
„Auf Wiedersehen bis nachher! Krister und Gunilla dürfen bis acht bleiben. Dann gehst du aber flink ins Bett, Lillebror. Ich komme noch und sage dir gute Nacht."
Sie hörten die Wohnungstür zuklappen.
„Sie hat nicht gesagt, wie lange ich bleiben darf", sagte Karlsson und schob die Unterlippe vor. „Ich spiel' nicht mit, wenn es so ungerecht zugeht."
„Du kannst bleiben, solange du willst", sagte Lillebror.
Karlsson ließ die Unterlippe noch mehr hängen. „Warum kann ich denn nicht auch um acht an die Luft gesetzt werden wie alle anderen Menschen?" sagte Karlsson. „Ich spiel' nicht mit ..."
„Ich werde Mama bitten, daß sie dich um acht an die Luft setzt", sagte Lillebror schnell. „Was für einen Streich wollen wir uns denn ausdenken?"
Plötzlich war Karlssons schlechte Stimmung wie weggeblasen. „Wir können Gespenst spielen und die Leute zu Tode erschrecken", sagte er. „Ihr ahnt nicht, was ich allein mit einem kleinen Laken aufstellen kann. Wenn ich für jeden einzigen, den ich zu Tode erschreckt habe, nur fünf Öre hätte, dann könnte ich mir viele Bonbons kaufen. Ich bin das beste Gespenst der Welt", sagte Karlsson, und seine Augen funkelten lustig.
Lillebror und Krister und Gunilla wollten gern Gespenst spielen, aber Lillebror sagte:
„Wir brauchen ja vielleicht niemand einen so schrecklichen Schrecken einzujagen!"
„Ruhig, nur ruhig", sagte Karlsson. „Du brauchst dem besten Gespenst der Welt nichts über Gespensterei beizubringen. Ich werde sie nur ein ganz klein bißchen zu Tode erschrecken. Die merken es kaum."
Karlsson trat an Lillebrors Bett und zerrte das Überlaken heraus.
„Das kann ein hübsches kleines Gespensterkostüm werden", sagte er.
In Lillebrors Schreibtischschublade fand er ein Stück Zeichenkohle, und mit dieser malte er ein gruseliges Gespenstergesicht auf das Laken. Alsdann nahm er Lillebrors Schere und schnitt zwei Löcher für die Augen hinein, bevor Lillebror ihn noch daran hindern konnte.
„Das Laken — ach, das stört große Geister nicht", sagte Karlsson. „Und ein Gespenst muß sehen können, sonst kann es auf- und davonflattern und in Hinterindien oder sonstwo landen."
Dann warf er sich das Laken über den Kopf wie einen Umhang. Nur seine kurzen dicken Hände staken an den Seiten heraus. Obwohl die Kinder wußten, daß es nur Karlsson war, der unter dem Laken steckte, bekamen sie dennoch ein wenig Furcht, und Joffa fing an, ganz wild zu bellen. Es wurde auch nicht etwa besser, als das Gespenst seinen Motor anließ und um die Deckenlampe herumzufliegen begann, wobei das Laken durch die Geschwindigkeit bald hierhin, bald dorthin flatterte. Es sah ganz unheimlich aus. „Ich bin ein kleines motorisiertes Gespenst, wild, aber schön", sagte Karlsson.
Die Kinder standen still und starrten ihn scheu an, Joffa bellte. „Eigentlich mag ich es gern, daß es um mich herum knattert, wenn ich komme", sagte Karlsson. „Aber, wenn ich gespenstern will, dann ist es vielleicht besser, den Schalldämpfer aufzusetzen. Paßt auf, so!"
Und dann schwebte er fast geräuschlos heran und wirkte noch gespenstischer als vorher.
Nun galt es nur, jemand ausfindig zu machen, dem man etwas vorgespenstern konnte.
„Ich kann ja mal anfangen, im Treppenflur zu gespenstern, da kommt ja immer mal einer vorbei, und der kriegt den Schock seines Lebens", sagte Karlsson.
Da klingelte das Telefon, aber Lillebror hatte keine Lust, hinzugehen und sich zu melden. Er ließ es klingeln. Karlsson begann, einige gute Seufzer und Ächzer zu üben. Ein Gespenst, das nicht ächzen und seufzen konnte, war wertlos, behauptete Karlsson. Das sei das erste, was ein kleines Gespenst in der Gespensterschule lernen mußte. All dies nahm Zeit. Als sie endlich im Korridor standen, bereit, sich ins Treppenhaus hinauszubegeben und mit dem Gespenstern anzufangen, hörten sie ein eigentümliches Kratzen an der Wohnungstür. Erst glaubte Lillebror, es seien die Eltern, die schon nach Hause kamen. Aber da erblickte er einen langen Draht, der durch den Briefschlitz gesteckt wurde. Und da erinnerte sich Lillebror an etwas, was sein Papa der Mama ganz kürzlich aus der Zeitung vorgelesen hatte. In der Zeitung hatte gestanden, daß augenblicklich viele Wohnungsdiebe hier in der Stadt am Werke waren. Die Diebe waren schlau: Erst läuteten sie die Telefonnummer an und hörten, ob jemand daheim war. Bekamen sie keine Antwort, so eilten sie auf dem schnellsten Wege zu der Wohnung, in der sie angeläutet hatten, und dann galt es nur, den Kniff zu finden, um das Türschloß aufzukriegen, hineinzugehen und alles zu stehlen, was an Werten zu finden war.
Lillebror bekam fürchterliche Angst, als ihm klar wurde, daß es Diebe waren, die sich Einlaß verschaffen wollten, und Krister und Gunilla erging es nicht anders. Krister hatte Joffa in Lillebrors Zimmer eingesperrt, damit er während des Gespensterns nicht bellen sollte, und das bereute er jetzt. Einen aber gab es, der hatte keine Angst, und das war Karlsson.
„Ruhig, nur ruhig", flüsterte er. „Bei solchen Gelegenheiten ist ein Gespenst das beste, was man haben kann. Komm, wir schleichen jetzt ins Wohnzimmer, denn dort hat dein Vater sicher seine Goldbarren und Diamanten aufbewahrt", sagte er zu Lillebror.
Karlsson und Lillebror und Gunilla und Krister schlichen ins Wohnzimmer hinüber, so leise und behutsam und schnell, wie sie konnten. Sie krochen hinter die Möbel und versteckten sich. Karlsson stieg in den schönen alten Schrank, den Mama als Leinenschrank benutzte, und zog die Tür hinter sich zu, so gut es ging. Er hatte es kaum getan, als die Diebe auch schon angeschlichen kamen. Lillebror, der hinter dem Sofa neben dem offenen Kamin lag, lugte vorsichtig um die Ecke. Mitten im Zimmer standen zwei Diebe und sahen greulich aus. Und — hat man so was schon erlebt? — es war niemand anders als Fille und Rulle.
„Tja, nun ist die Frage, wo die ihre Kronjuwelen haben", sagte Fille mit leiser, heiserer Stimme.
„Da drin natürlich", sagte Rulle und zeigte auf den antiken Sekretär, der so viele kleine Schubfächer hatte. Lillebror wußte, daß Mama das Wirtschaftsgeld in einem der Schubfächer aufbewahrte, und in einem anderen hatte sie den schönen, kostbaren Ring und die Brosche, die sie von Großmama geschenkt bekommen hatte. Und Papas goldene Medaille, die er beim Preisschießen gewonnen hatte, lag auch hier.
Es wäre aber auch ganz schrecklich, wenn die Diebe das alles mitnähmen, dachte Lillebror, und er konnte seine Tränen fast nicht zurückhalten, während er da hinter dem Sofa lag. „Nimm du dir dies Ding da vor", sagte Fille. „Ich gehe unterdes in die Küche und sehe nach, ob sie silberne Löffel haben."
Fille verschwand, und Rulle begann, die Schubfächer herauszuziehen. Er pfiff leise vor sich hin vor Zufriedenheit. Jetzt hat er bestimmt das Wirtschaftsgeld gefunden, dachte Lillebror, und er wurde immer niedergeschlagener. Rulle zog die nächste Schublade heraus und pfiff abermals. Denn jetzt hatte er sicher den Ring und die Brosche gefunden. Aber dann pfiff Rulle nicht mehr. Denn aus dem Schrank kam ein Gespenst geflogen und ließ ein Stöhnen hören. Und als Rulle sich umwandte und das Gespenst erblickte, stieß er einen röchelnden Ton aus, und er ließ das Wirtschaftsgeld und den Ring und die Brosche und alles miteinander fallen. Das Gespenst flatterte um ihn herum und ächzte und seufzte, und plötzlich sauste es in die Küche hinaus. Und eine Sekunde nur, und Fille kam angerannt, schneeweiß im Gesicht, und schrie: „Spulle, ein Gerenst!"