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„Warte hier einen Augenblick", sagte Lillebror. „Ich gehe in die Küche und hole welche." Karlsson nickte zufrieden.

„Gut", sagte er, „gut! Aber beeil dich! Man wird nicht satt davon, nur Bilder anzuschauen!"

Lillebror rannte geschwind in die Küche hinaus. Da stand Mama am Herd mit einer karierten Schürze und in dem allerherrlichsten Bratdunst. Sie schüttelte die große Bratpfanne über der Gasflamme, und in der Pfanne hüpften eine Unmenge feiner brauner Fleischklöße herum.

„Hallo, Lillebror", sagte Mama. „Jetzt essen wir bald."

„Liebe Mama, kann ich nicht ein paar Fleischklöße bekommen und zu mir mit reinnehmen?" fragte Lillebror mit seiner einschmeichelndsten Stimme.

„Liebling, wir essen doch in wenigen Minuten."

„Ja, aber trotzdem", sagte Lillebror. „Nach dem Essen erkläre ich dir, wieso."

„Ja, ja", sagte Mama. „Dann sollst du ein paar haben!" Sie legte sechs Fleischklöße auf einen kleinen Teller. Oh, sie dufteten so herrlich, und sie waren klein und braun, genau wie sie sein sollten. Lillebror trug den Teller behutsam mit beiden Händen vor sich her und machte, daß er in sein Zimmer zurückkam.

„Hier, Karlsson", rief er, als er die Tür öffnete.

Aber Karlsson war verschwunden. Da stand Lillebror mit den Fleischklößen, aber kein Karlsson war da.

Lillebror war furchtbar enttäuscht. Auf einmal war alles so öde.

„Er ist weggegangen", sagte er laut vor sich hin. Aber da ... „Piep", hörte er plötzlich jemand sagen. „Piep!" Lillebror sah sich um. Ganz unten am Fußende seines Bettes — unter der Decke — sah er einen dicken kleinen Klumpen, der sich bewegte. Von dort kam das Piep. Und gleich darauf kamKarlssons rotes Gesicht unter dem Laken hervor. „Hihi", sagte Karlsson. „,Er ist weggegangen', hast du gesagt. ,Er ist weggegangen' — das bin ich ja gar nicht. Ich hab' ja man bloß so getan."

Da fiel sein Blick auf die Fleischklöße. Wips, drehte er an dem Knopf, den er auf dem Bauch hatte. Der Motor fing an zu brummen, und Karlsson kam im Gleitflug vom Bett her und schnurstracks auf den Teller zu. Im Vorbeifliegen schnappte er sich einen Fleischkloß, stieg schleunigst zur Decke empor und kreiste um die Deckenlampe, befriedigt an dem Fleischkloß kauend.

„Delikat", sagte er. „Wunderbarer Fleischkloß! Man sollte fast meinen, der beste Fleischklößemacher der Welt hätte ihn gemacht, aber das hat er ja nachweisbar nicht getan", sagte Karlsson.

Und dann schoß er im Sturzflug auf den Teller nieder und schnappte sich einen neuen.

Da rief Mama aus der Küche: „Lillebror, wir wollen essen, wasch dir schnell die Hände und komm!" „Ich muß wieder einen Augenblick weggehen", sagte Lillebror und stellte den Teller aus der Hand. „Aber ich komme bald zurück. Versprich mir, daß du auf mich wartest." „Ja, aber was soll ich denn unterdes machen?" sagte Karlsson und landete mit einem kleinen vorwurfsvollen Bums neben Lillebror. „Ich muß inzwischen irgend was zum Zeitvertreib haben. Hast du wirklich keine Dampfmaschinen mehr?" „Nein", sagte Lillebror, „aber du kannst meinen Baukasten haben."

„Man zu", sagte Karlsson.

Lillebror holte seinen Baukasten aus dem Schrank, in dem er seine Spielsachen hatte. Es war wirklich ein schöner Baukasten mit vielen verschiedenen Teilen. Die konnte man zusammenschrauben und vielerlei daraus bauen. „Hier hast du ihn", sagte er. „Man kann Autos bauen und Hebekräne und alles mögliche ..."

„Meinst du nicht, daß der beste Baumeister der Welt weiß, was man bauen und was man nicht bauen kann?" fragte Karlsson.

Alsdann stopfte er sich rasch noch einen Fleischkloß in den Mund und machte sich über den Baukasten her. „Jetzt wollen wir mal sehen, jetzt wollen wir mal sehen", sagte er und kippte den ganzen Inhalt des Kastens auf dem Fußboden aus.

Lillebror mußte leider gehen, obwohl er viel lieber dageblieben wäre und zugesehen hätte, wenn der beste Baumeister der Welt ernstlich an die Arbeit ging. Das letzte, was er sah, als er sich in der Tür umwandte, war Karlsson, der auf der Erde saß und vergnügt vor sich hin sang: „Hurra, wie kann ich gut — hurra, wie bin ich klug — und grade, grade dick genug!"

Das letzte sang er, nachdem er den vierten Fleischkloß verschlungen hatte.

Mama und Papa und Birger und Betty saßen schon um den Tisch. Lillebror kletterte auf seinen Stuhl und band sich die Serviette um.

„Eins mußt du mir versprechen, Mama, und du auch Papa", sagte er.

„Was sollen wir dir denn versprechen?" fragte Mama.

„Erst versprechen", sagte Lillebror.

Papa wollte nicht so ohne weiteres etwas versprechen.

„Wer weiß, du möchtest vielleicht wieder, daß ich dir einen Hund verspreche", sagte er.

„Nein, keinen Hund", sagte Lillebror, „obwohl du das auch gern versprechen kannst, wenn du willst. Nein, es ist was anderes, und es ist überhaupt nichts Gefährliches. Versprecht mir, daß ihr versprecht!"

„Nun gut, wir versprechen also", sagte Mama.

„Jaa, jetzt habt ihr versprochen, daß ihr Karlsson vom Dach nichts wegen der Dampfmaschine sagt", meinte Lillebror befriedigt.

„Pah", sagte Betty, „wie sollen sie denn etwas zu Karlsson sagen, wenn sie ihn nie treffen?"

„Sie werden ihn aber treffen", sagte Lillebror triumphierend. „Nach dem Essen. Er ist jetzt drüben in meinem Zimmer." „Nein, jetzt glaub' ich fast, ich hab' einen Kloß in den falschen Hals bekommen", sagte Birger. „Karlsson ist in deinem Zimmer?"

„Ja, denk mal an, das ist er!"

Dies war wirklich ein Augenblick des Triumphes für Lillebror. Ach, wenn sie sich bloß mit dem Essen beeilen wollten, dann würden sie ja sehen ...

Mama lächelte. „Es wird uns ein Vergnügen sein, Karlsson kennenzulernen", sagte sie.

„Ja, das sagte Karlsson auch", versicherte Lillebror.

Endlich waren sie mit der Obstsuppe fertig. Endlich stand Mama vom Tisch auf. Jetzt war der große Augenblick da. „Kommt alle mit", sagte Lillebror.

„Dazu brauchst du uns nicht aufzufordern", sagte Betty. „Ich kann es kaum aushalten, bis ich diesen Karlsson gesehen habe."

Lillebror ging voraus.

„Vergeßt nicht, was ihr versprochen habt", sagte er, ehe er die Tür zu seinem Zimmer öffnete. „Nicht ein Wort wegen der Dampfmaschine!"

Dann drückte er die Türklinke herunter und öffnete. Karlsson war weg. Er war weg. Es lag kein kleiner dicker Klumpen unter der Decke in Lillebrors Bett. Aber mitten im Zimmer erhob sich aus dem Durcheinander der Bausteine ein Turm. Ein sehr hoher und sehr schmaler Turm. Wenn Karlsson auch natürlich Hebekräne und anderes bauen konnte, so hatte er sich diesmal damit begnügt, Bausteine übereinander zu stapeln, so daß dieser sehr hohe und sehr schmale Turm daraus entstanden war. An der Spitze war der Turm mit etwas geschmückt, das offensichtlich eine Kuppel vorstellen sollte. Es war ein kleiner runder Fleischkloß.

3. Karlsson spielt Zelt

 Für Lillebror kamen ein paar schwierige Minuten. Mama war es nicht recht, daß man ihre Fleischklöße als Schmuck verwandte, und sie glaubte unter allen Umständen, daß es Lillebror war, der den Turm so hübsch verziert hatte. „Karlsson vom Dach ..." begann Lillebror, aber da sagte Papa streng:

„Jetzt ist aber Schluß mit den Karlsson-Phantasien, Lillebror!« Birger und Betty lachten nur

„So ein Karlsson", sagte Birger, „ob er es gerade mal nötig hatte, rauszugehen, als wir ihn begrüßen wollten?" Lillebror aß traurig den Kloß auf und packte seine Bausteine zusammen. Es hatte keinen Sinn, jetzt noch mehr von Karlsson zu reden.