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„Magst du mich, Betty?" fragte Bettys Peter sehr schüchtern.

Er bekam keine Antwort mehr. Denn in diesem Augenblick durchschnitt der Strahl einer Taschenlampe die grauen

Schatten im Zimmer und fiel ihm voll ins Gesicht. Peter fuhr hoch, Betty schrie auf, und ein Kichern und Getrampel von Füßen war zu vernehmen, die hastig auf die Halle zu rannten.

Man kann nichts sehen, wenn man gerade von einer Taschenlampe geblendet worden ist. Aber hören kann man.

Und Betty und ihr Peter hörten das Gelächter, ein wildes, entzücktes Gelächter, das jenseits des Vorhangs sprudelte.

„Das ist mein abscheulicher kleiner Bruder", sagte Betty.

„Aber der kriegt jetzt was ..."

Lillebror kicherte und kicherte immerzu.

„Klar mag sie dich", schrie er. „Warum sollte sie dich nicht mögen? Betty mag alle Jungens, daß du's weißt!"

Dann war nur noch ein Poltern zu hören und noch ein bißchen Gekicher.

„Ruhig, nur ruhig", flüsterte Karlsson, als das Zelt bei ihrer wilden Flucht zur Tür abrutschte.

Lillebror war so ruhig, wie er konnte, obwohl das Lachen noch immer in ihm sprudelte und obwohl Karlsson über ihn gepurzelt war und er nicht mehr wußte, welche Beine seine eigenen und welche Karlssons waren, und obwohl er begriff, daß Betty sie jeden Augenblick eingeholt haben konnte. Sie rafften sich auf, so schnell es nur ging, und stürzten aufgeregt auf Lillebrors Zimmer zu, denn Betty war dicht hinter ihnen.

„Ruhig, nur ruhig", flüsterte Karlsson, und seine kurzen dicken Beine gingen unter der Decke wie Trommelstöcke. „Der beste Schnelläufer der Welt, das ist Karlsson vom Dach!" flüsterte er, aber er schien ziemlich außer Atem zu sein. Lillebror rannte auch ganz schön. Und es war eilig! In der allerletzten Sekunde retteten sie sich durch die Tür in Lille-brors Zimmer hinein. Karlsson drehte ganz schnell den Schlüssel um und stand da und kicherte leise und befriedigt, als Betty an die Tür klopfte.

„Warte du nur, Lillebror, bis ich dich zu fassen kriege!" schrie sie wütend.

„Aber ich hab' mich nicht gezeigt!" schrie Lillebror zurück. Und dann wurde hinter der Tür von neuem gekichert. Es waren zwei, die kicherten — das hätte Betty wohl hören können, wenn sie nicht so wütend gewesen wäre.

4. Karlsson wettet

Lillebror kam eines Tages von der Schule nach Hause. Er sah grimmig aus und hatte eine große Beule auf der Stirn. Mama war in der Küche, und sie war so entsetzt über die Beule, wie Lillebror es sich gewünscht hatte.

„Liebster Lillebror, was war denn los?" sagte sie und nahm ihn in die Arme.

„Krister hat mich mit Steinen geschmissen", sagte Lillebror böse.

„Nein, nun hört doch aber alles auf, sagte Mama, „so ein Lümmel! Warum kommst du denn nicht rauf und sagst es mir?"

Lillebror zuckte die Achseln.

„Wozu denn? Du kannst doch nicht mit Steinen schmeißen. Du würdest nicht mal eine Scheunenwand richtig treffen." „Ach, du kleines Dummerchen", sagte Mama. „Du denkst doch nicht etwa, daß ich Krister mit Steinen schmeißen will?" „Womit willst du denn aber sonst schmeißen?" fragte Lillebror erstaunt. „Was anderes gibt es nicht, wenigstens nichts, was ebenso gut geht."

Mama seufzte. Es war kein Zweifel, daß nicht nur Krister zuschlug, wenn es nötig war. Ihr eigener Liebling war nicht eine Spur besser. Wie war es aber möglich, daß ein kleiner Bengel, der so liebe blaue Augen hatte, ein solcher Haudegen war?

„Wie schön wäre es, wenn ihr es euch abgewöhnen könntet, euch zu hauen", sagte Mama. „Man kann doch statt dessen über die Dinge sprechen! Weißt du, Lillebror, es gibt tatsächlich nichts, was man nicht ins Reine bringen kann, wenn man die Dinge ordentlich durchspricht." „Das gibt es aber doch", sagte Lillebror. „Zum Beispiel gestern. Da habe ich mich auch mit Krister gehauen ..." „Völlig unnötig", sagte Mama. „Ihr hättet ebensogut durch ein vernünftiges Gespräch klären können, wer recht hatte." Lillebror setzte sich an den Küchentisch und stützte seinen verletzten Kopf in die Hände.

„Denkst du, ja", sagte er und sah seine Mama finster an. „Krister hat nämlich zu mir gesagt: ,Ich kann dir eins reinhauen', und da hab' ich drauf gesagt: ,Das kannst du ja mal versuchen'. Wie können wir so was wohl durch ein vernünftiges Gespräch klären? Kannst du mir das mal sagen?" Das konnte Mama nicht, und sie beendete unverzüglich ihre Friedenspredigt. Ihr Haudegen von einem Sohn sah ziemlich finster aus, und sie stellte ihm eiligst heiße Schokolade und frische Wecken hin. Das war etwas für Lillebror. Er hatte den lieblichen Duft von frischgebackenem Weißbrot schon im Treppenhaus gerochen, und Mamas herrliche Zimtwecken machten ihm das Leben wenigstens ein bißchen leichter. Lillebror biß nachdenklich in einen Wecken, und während er aß, legte Mama ihm ein Pflaster auf die Beule an der Stirn. Dann küßte sie ihn leicht auf das Pflaster und fragte: „Worüber habt ihr euch denn heute gezankt, Krister und du?" „Krister und Gunilla sagen, daß Karlsson vom Dach eine Einbildung ist. Sie haben gesagt, er wäre nur ein Gedanke", sagte Lillebror.

„Ist er denn das nicht?" fragte Mama ein wenig tastend. Lillebror starrte sie über die Schokoladentasse hinweg verdrießlich an.

„Kannst du denn nicht wenigstens glauben, was ich sage?"

meinte er. „Ich habe Karlsson gefragt, ob er ein Gedanke ist. ..."

„Und was hat Karlsson gesagt?" fragte Mama. „Er sagte, wenn er ein Gedanke wäre, dann wäre er der beste Gedanke der Welt. Aber nun ist er zufällig keiner", sagte Lillebror und nahm sich einen neuen Wecken.

„Karlsson meint, Krister und Gunilla sind Gedanken. Außerordentlich dumme Gedanken, sagt er, und das finde ich auch."

Mama antwortete nicht. Sie sah ein, daß es müßig war, mit Lillebrors Phantasien zu Rande kommen zu wollen, und darum sagte sie nur:

„Ich finde, du solltest ein bißchen mehr mit Gunilla und Krister spielen und nicht so viel an Karlsson denken." „Karlsson schmeißt mich wenigstens nicht mit Steinen", sagte Lillebror und befühlte die Beule auf der Stirn. Dann kam ihm ein Gedanke, und er lächelte Mama mit sonniger Miene an. „Heute darf ich übrigens sehen, wo Karlsson wohnt", sagte er, „das hätte ich ja beinahe vergessen."

Er bereute es, kaum daß er es gesagt hatte. Wie konnte er so dumm sein und es Mama gegenüber erwähnen?

Aber in Mamas Ohren klang es nicht gefährlicher und beunruhigender als irgend etwas anderes, was er über Karlsson erzählte, und sie sagte, ohne nachzudenken:

„So so, das ist aber nett für dich."

Ganz so ruhig wäre sie wohl kaum gewesen, wenn ihr richtig aufgegangen wäre, was Lillebror sagte. Und wenn sie darüber nachgedacht hätte, wo dieser Karlsson wohnte. Lillebror stand vom Tisch auf, satt und zufrieden und plötzlich sehr einverstanden mit seiner Welt. Die Beule an der Stirn tat nicht mehr weh, er schmeckte noch immer die herrlichen Zimtwecken im Munde, die Sonne schien durch das Küchenfenster, und Mama sah so lieb aus mit ihren runden Armen und ihrer karierten Schürze. Er drückte sie ganz kurz und fest und sagte:

„Ich mag dich gern, Mama."

„Wie bin ich froh darüber", sagte Mama.

„Ich hab — ich hab dich gern, weil du rundherum so lieb bist."

Dann ging er in sein Zimmer und setzte sich hin, um auf Karlsson zu warten. Er durfte ihn aufs Dach hinauf begleiten — was machte es dann aus, wenn Krister sagte, Karlsson sei nur ein Gedanke!