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Lillebror mußte lange warten.

„Ich komme so ungefähr um drei Uhr oder um vier oder fünf, aber nicht eine Minute vor sechs", hatte Karlsson gesagt. Lillebror hatte trotzdem nicht so recht verstanden, wann Karlsson zu kommen gedachte, und er hatte ihn noch einmal gefragt.

„Auf alle Fälle nicht später als sieben", hatte Karlsson gesagt. „Aber schwerlich vor acht. Und, paß auf, ungefähr so um neun Uhr ungefähr, da klappt es!"

Lillebror mußte eine ganze Ewigkeit warten, und zuletzt glaubte er fast, Karlsson sei ein Gedanke geworden. Aber da hörte er plötzlich das übliche Brummen, und herein kam Karlsson, munter und vergnügt.

„Oh, und ich habe so gewartet", sagte Lillebror. „Was hattest du gesagt, wann du kommen würdest?"

„Ungefähr", sagte Karlsson. „Ich sagte, ich würde ungefähr kommen, und das habe ich ja auch getan." Er trat an Lillebrors Aquarium heran, steckte das ganze Gesicht ins Wasser und trank in langen Zügen.

„Oh, nimm dich in acht mit meinen Fischen", sagte Lillebror ängstlich.

Er hatte Sorge, daß Karlsson seine kleinen Fische austrinken könnte, die so munter im Aquarium herumschwammen. „Wenn man Fieber hat, dann muß man einen kippen", sagte Karlsson. „Und ob da der eine oder andere kleine Fisch mit durchschlüpft, das stört keinen großen Geist." „Hast du Fieber?" fragte Lillebror.

„Und ob! Fühl mal", sagte Karlsson und legte Lillebrors Hand auf seine Stirn.

Aber Lillebror fand nicht, daß Karlsson sich besonders heiß anfühlte.

„Wieviel Fieber hast du?" fragte er.

„Tja, so etwa dreißig, vierzig Grad", sagte Karlsson. „Mindestens!"

Lillebror hatte kürzlich die Masern gehabt und wußte, was es hieß, Fieber zu haben. Er schüttelte den Kopf.

„Ich glaube nicht, daß du krank bist", sagte er.

„Oh, wie bist du gemein", sagte Karlsson und stampfte mit dem Fuß auf. „Darf ich denn niemals krank sein wie andere Menschen?"

„Möchtest du denn krank sein?" fragte Lillebror verwundert.

„Das möchten doch alle Menschen", sagte Karlsson. „Ich möchte in meinem Bett liegen und viel, viel Fieber haben, und du sollst fragen, wie ich mich fühle, und ich werde sagen, ich sei der Kränkste der Welt, und du sollst fragen, ob ich gern irgendwas haben möchte, und ich werde sagen, ich bin so krank, so krank, so daß ich nicht das geringste haben möchte außer einem Berg Torte und ziemlich viel Kuchen und einer Menge Schokolade und einem ganzen Haufen Bonbons." Karlsson schaute Lillebror erwartungsvoll an, der ganz hilflos dastand und nicht wußte, wo er plötzlich all das herbekommen sollte, was Karlsson haben wollte.

„Ich möchte, daß du wie eine Mutter zu mir bist", fuhr Karlsson fort, „und du sollst sagen, daß ich irgend so'ne gräßliche Medizin einnehmen muß — aber dafür bekäme ich dann auch fünf Öre. Und dann mußt du mir einen warmen Wollschal um den Hals wickeln, aber dann sage ich, der kratzt — wenn ich nicht noch fünf Öre dazukriege." Lillebror wollte gern wie eine Mutter zu Karlsson sein. Und das hieß, daß er seine Sparbüchse ausleeren mußte. Sie stand auf dem Bücherregal, ein schweres, prächtiges rosa Schwein. Lillebror holte ein Messer aus der Küche und machte sich daran, Fünförestücke herauszuholen. Karlsson half ihm mit größtem Eifer und jubelte bei jeder Münze auf, die herauskam. Es rutschten auch eine ganze Menge Zehner und Fünfundzwanziger heraus, aber Karlsson mochte am liebsten die Fünfer, weil sie viel größer waren.

Dann lief Lillebror zum Kaufmann hinunter und kaufte Bonbons und Schokolade für beinahe das ganze Geld. Als er sein Kapital herausholte, dachte er einen Augenblick dar-an, daß er all dies Geld gespart hatte, um sich einen Hund zu kaufen. Er seufzte ein wenig bei diesem Gedanken. Aber ihm war klar, daß derjenige, der wie eine Mutter zu Karlsson sein wollte, es sich nicht leisten konnte, einen Hund zu kaufen. Lillebror ging auf dem Rückweg wie von ungefähr in die Wohnstube hinein — die köstlichen Dinge gut in den Hosentaschen verstaut. Alle saßen sie hier beisammen, Mama und Papa und Birger und Betty, und tranken ihren Kaffee nach dem Essen. Aber heute hatte Lillebror keine Zeit, dabeizusein. Er überlegte flüchtig, ob er sie bitten sollte, mitzukommen und Karlsson guten Tag zu sagen, aber nach kurzem Nachdenken beschloß er, es zu lassen. Sie würden ihn ja doch nur daran hindern, Karlsson zum Dach hinaufzubegleiten. Es war bestimmt das beste, sie begrüßten ihn ein andermal. Lillebror nahm sich ein paar Mandelkekse vom Tablett — denn Karlsson hatte ja gesagt, er wolle auch Kuchen haben —, und dann rannte er in sein eigenes Zimmer zurück. „Wie lange soll man hier sitzen und warten, so krank und elend wie man ist?" sagte Karlsson vorwurfsvoll. „Das Fieber steigt mehrere Grade in der Minute, und jetzt kann man Eier auf mir kochen."

„Ich habe mich beeilt, so sehr ich konnte", sagte Lillebror. „Und ich habe so viel gekauft..."

„Aber du hast doch noch Geld übrig, damit ich fünf Öre kriegen kann, falls der Wollschal kratzt?" fragte Karlsson ängstlich.

Lillebror beruhigte ihn. Ein paar Fünfer hatte er zurückbehalten.

Karlssons Augen funkelten, und er machte einen Satz in die Luft vor Wonne.

„Ach, ich bin der Kränkste der Welt", sagte er. „Wir müssen mich so schnell wie möglich ins Bett bringen." Erst jetzt begann Lillebror, darüber nachzugrübeln, wie er aufs Dach hinaufkommen sollte, da er doch nicht fliegen konnte. „Ruhig, nur ruhig", sagte Karlsson. „Ich nehm' dich auf den Rücken, und heißa hopsa fliegen wir zu mir hinauf! Nur mußt du dich in acht nehmen, daß du die Finger nicht in den Propeller bekommst."

„Glaubst du denn wirklich, daß du mich tragen kannst?" fragte Lillebror.

„Das müssen wir mal sehen", sagte Karlsson. „Es ist ganz interessant zu sehen, ob ich mehr als den halben Weg schaffe, so krank und elend wie ich bin. Aber ich habe immer den Ausweg, daß ich dich rauskippen kann, wenn ich merke, daß es nicht geht."

Lillebror fand diesen Ausweg, auf halbem Wege rausgekippt zu werden, nicht gut, und er machte ein etwas bedenkliches Gesicht.

„Aber es wird schon gut gehen", sagte Karlsson. „Wenn ich bloß keinen Motorschaden kriege."

„Denk bloß, wenn du den kriegst, dann stürzen wir ja ab", sagte Lillebror.

„Klar tun wir das", sagte Karlsson vergnügt. „Aber das stört keinen großen Geist." Und er holte mit dem Arm aus. Lillebror entschloß sich auch, als großer Geist sich nicht dadurch stören zu lassen. Er schrieb einen kleinen Zettel an Mama und Papa und legte ihn auf den Tisch:

ICH BIN OM BEI KALSON AUFM DACH.

Am besten wäre es, er könnte zurück sein, ehe sie den Zettel gelesen hatten. Sollten sie Lillebror aber zufällig vermissen, dann war es notwendig, daß sie erfuhren, wo er steckte. Sonst würde vielleicht ebensolche Aufregung entstehen wie damals, als sie bei der Großmutter waren und Lillebror auf eigene Faust Eisenbahn gefahren war. Mama hatte hinterher geweint und gesagt:

„Aber Lillebror, wenn du durchaus Eisenbahn fahren wolltest, warum hast du es mir dann nicht gesagt?" „Na, weil ich Eisenbahn fahren wollte", sagte Lillebror. Es war jetzt genau so. Er wollte mit Karlsson aufs Dach hinauf, und daher war es am besten, keinen zu fragen. Wenn sie entdeckten, daß er fort war, konnte er sich immer damit verteidigen, daß er jedenfalls diesen Zettel da geschrieben hatte. —

Karlsson war zum Abflug bereit. Er drehte am Knopf, den er auf dem Bauch hatte, und der Motor begann zu brummen. „Spring auf", schrie er, „jetzt geht's los!" Und es ging los. Hinaus aus dem Fenster und hinauf in die Luft. Karlsson machte eine kleine Extrakurve über die nächsten Hausdächer, um zu sehen, ob der Motor auch ordentlich lief. Er brummte gleichmäßig und schön, und Lillebror hatte nicht ein bißchen Angst, sondern fand es bloß vergnüglich.