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Sie nahmen im Sonnenschein auf einer alten Holzbank Platz, die einen neuen Anstrich dringend nötig hatte. Kaum hatte Alexandra darauf Platz genommen, sprang Kater Brown auch schon auf ihren Schoß, um mit den Vorderpfoten ihre Oberschenkel durchzukneten.

»Hey, was gibt denn das?«, protestierte sie verdutzt. »Ich bin doch kein Kissen, das man durchwalkt, bevor man es sich gemütlich macht!«

Kater Brown miaute zweimal energisch. In Alexandras Ohren klang das wie ein Widerwort, doch dann rollte er sich auf ihrem Schoß zusammen und schloss die Augen. Als er Alexandras streichelnde Hände auf seinem Rücken spürte, fing er sogleich zu schnurren an.

»Also, was möchten Sie von mir wissen, Frau Berger?«, erkundigte sich Bruder Johannes.

Sie fasste kurz zusammen, was sie bereits von Bruder Dietmar erfahren hatte, und Bruder Johannes betonte, dass es ihr freistehe, diese Informationen in ihrem Artikel zu verwenden.

Natürlich, so räumte er ein, wäre es ihm lieber, wenn man die unrühmliche Vergangenheit nun endlich auf sich beruhen lassen könnte. Immerhin war dieses Kapitel jetzt abgeschlossen, sie hatten einen Neuanfang gewagt.

»Eine Sache kann ich in meinem Artikel ganz bestimmt nicht unerwähnt lassen«, fuhr Alexandra fort und machte sich Notizen. »Eine Übernachtung im Klosterhotel kostet ungefähr so viel wie die in einem luxuriösen Hotel einer Großstadt, und doch bieten Ihre Zimmer hier keinerlei Luxus. Die Einrichtung ist spartanisch. Wie können Sie genauso teuer sein wie ein Hotel in Toplage, obwohl alle sonst üblichen Annehmlichkeiten fehlen? Ich meine, wir befinden uns hier in der tiefsten Eifel. Außer Wanderwegen gibt es nicht viel Bemerkenswertes.« Sie hatte die Frage absichtlich etwas überspitzt formuliert, weil sie hören wollte, wie leidenschaftlich Bruder Johannes für sein Projekt eintrat, wenn es mehr oder weniger unverhohlen unter Beschuss genommen wurde.

Er nickte verstehend. »Sehen Sie, das ist Teil der Philosophie, die mit dem Namen des Hotels verbunden ist, ›Zur inneren Einkehr‹. Wir haben unser Konzept zuvor genau durchdacht. Bestimmt hätten wir einen Investor finden können, der die Klosteranlage in ein Luxushotel mit allem Drum und Dran verwandelt, doch so etwas bekommt der Gast überall. Wir wollten einen ganz anderen Weg gehen – zugegebenermaßen auch, weil wir die Möglichkeit haben wollten, das frühere Klosterleben eingeschränkt weiterzuführen. Davon abgesehen möchten wir unseren Gästen die Chance geben, wirklich zu sich selbst zu finden, und das kann man nur, wenn man nicht von dem Luxus umgeben ist, über den man jeden Tag verfügt. Wir haben ein Motto entwickelt, das unsere Geschäftsphilosophie auf den Punkt bringt: ›Verzicht – der neue Luxus.‹«

»Das klingt gut, ich glaube, das würde ich gern als Überschrift verwenden.«

»Das würde mich sogar freuen. Indem wir Verzicht üben, begreifen wir erst, wie viel wir eigentlich besitzen. Wir haben zum Beispiel auf keinem Zimmer einen Fernseher, weil wir gar nicht erst die Möglichkeit dieser Art von Zerstreuung anbieten wollen. Unsere Gäste sollen wieder sich und ihre wahren Bedürfnisse wahrnehmen – und so seelisch gesunden. Und natürlich verlangen wir dafür einen angemessenen Preis.«

Alexandra nickte nachdenklich.

»Um erfolgreich zu sein, müssen wir uns von anderen Hotels und Schönheitsfarmen unterscheiden. Davon sind wir überzeugt. Sie haben es ja angesprochen: Wir liegen in einer Region, die touristisch nicht sehr attraktiv ist, es sei denn, man möchte wandern oder die Natur erleben. Doch genau das kommt unserem Ansatz doch zugute. Hier können wir den Blick des Menschen auf sich selbst und auf Gottes Schöpfung, die ihn umgibt, schärfen. Die erste Resonanz zeigt, dass wir mit diesem Ansatz auf dem richtigen Weg sind.«

»Sie sind augenblicklich ausgebucht, nicht wahr?«

»Wir haben noch gar nicht richtig für uns werben können. Trotzdem hat sich das Besondere unseres Klosterhotels schon herumgesprochen.« Er nickte zufrieden. »Mit einer solchen Reaktion hatte ich nicht gerechnet, wenn ich ehrlich sein soll. Natürlich habe ich gebetet, dass wir keinen Schiffbruch erleiden, aber zum Glück war ich auch nicht der Einzige, der an den Erfolg geglaubt hat. Wenn die Bank mein Konzept für ein Luftschloss gehalten hätte, wäre uns nicht ein Cent an Krediten gewährt worden. Bruder Dietmar hat Ihnen ja bereits davon erzählt.«

»Ja, und er hat Sie und Ihre Leistung ganz besonders hervorgehoben. Er sagte, ohne Sie wäre das Projekt niemals Wirklichkeit geworden.«

Bruder Johannes schüttelte den Kopf. »Kein Projekt ist jemals das Werk eines Einzelnen. Die Idee mag von einer Einzelperson stammen, aber dann müssen alle an einem Strang ziehen, um sie zu verwirklichen. Meine Brüder haben so wie ich all unsere Kraft in dieses Klosterhotel gesteckt, und der erste Erfolg scheint uns recht zu geben.«

Es war eindeutig, dass Bruder Johannes die entscheidende Rolle, die er bei der Umgestaltung des Klosters gespielt hatte, aus Bescheidenheit herunterspielte, aber Alexandra würde das respektieren. Wenn er nicht im Rampenlicht stehen wollte, gab es für sie keinen Grund, ihn in den Mittelpunkt zu rücken.

Ein sonderbares Geräusch ließ sie aufhorchen, und als Alexandra erkannte, wer es verursachte, brach sie in fröhliches Gelächter aus. »Lieber Himmel, ich wusste nicht, dass Katzen schnarchen können«, murmelte sie verblüfft. »Und erst recht nicht so laut.«

Bruder Johannes stimmte in ihr Lachen ein. »Offensichtlich kann Kater Brown Sie besonders gut leiden. Bei keinem von uns würde er sich auf den Schoß legen.«

Alexandra kraulte den Kater unter dem Kinn, und das Schnarchen brach ab. Dafür schmatzte Kater Brown zufrieden. »Woher hat er eigentlich den Namen?«

»Den habe ich ihm gegeben«, sagte Bruder Johannes. »Er saß eines Tages im Refektorium auf dem Platz, der früher der Stammplatz von Bruder Gerald war. Möge Gott seiner Seele gnädig sein! Ich weiß nicht, ob Sie es schon gesehen haben, aber am Halsansatz hat der Kater einen kleinen weißen Fleck, und wenn er sich kerzengerade hinsetzt und den Hals streckt, dann erinnert das an den weißen Kragen eines Geistlichen. Na ja, kurz und gut: Der Kater saß auf Bruder Geralds Platz, dieser Mitbruder erinnerte mich in seiner Art stets an Heinz Rühmann, und von da war der Weg nicht mehr weit zu Pater Brown und dann zu Kater Brown.«

Alexandra lächelte. »Ich glaube, ich sollte den Kater in meinem Artikel erwähnen. Ist doch eigentlich kurios, dass in einem ehemaligen Kloster ausgerechnet eine schwarze Katze die gute Seele ist. So viele Menschen glauben immer noch, schwarze Katzen bringen Unglück, und Ihr Hotel boomt trotzdem.«

Den Abend verbrachte Alexandra vor ihrem Laptop, um ihre ersten Eindrücke vom Klosterhotel festzuhalten. Dabei arbeitete sie die Checkliste ab, die sie schon vor einer Weile erstellt hatte, um während einer Reise nichts Wichtiges zu vergessen. Kater Brown war seit dem Nachmittag nicht mehr von ihrer Seite gewichen. Jetzt lag er zusammengerollt vor dem geschlossenen Fenster auf der Fensterbank und schlief fest, nachdem er zuvor noch etwas von den Katzenleckerli erbettelt hatte, die Alexandra aus dem Supermarkt mitgebracht hatte.

Das Gespräch mit Bruder Johannes war recht informativ gewesen, und seine Einstellung, mit der er auf den Ruin des Klosters reagiert hatte, würde den Aufhänger für ihren Artikel liefern. Um möglichen späteren Beschwerdebriefen ihrer Leser vorzubeugen, würde sie darin auch vor dem Fehlen jeglicher Luxusausstattung »warnen«. Alexandra machte sich Notizen, was der Fotograf, der höchstwahrscheinlich Mitte der kommenden Woche das Klosterhotel besuchen würde, alles ablichten sollte. Sie wollte vor allem eine Aufnahme haben, die das Kloster im ersten Licht des neuen Tages zeigte.

Nachdem sie die Datei gesichert hatte, beschloss sie, nach ihren Mails zu sehen. Alexandra öffnete gerade die erste, als auf einmal das Licht im Zimmer ausging. Sie stutzte, stand auf und tappte zur Tür, betätigte ein paarmal den Schalter, aber nichts geschah. Hm, sie würde sich wohl ins Foyer begeben und einen der Mönche nach einer neuen Glühbirne fragen müssen. Hoffentlich war der Empfangstresen noch besetzt!