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7. Kapitel

»Du willst also Detektiv spielen!« Tobias grinste. »Und wie willst du das anstellen? Du kannst Pallenberg doch nicht ernsthaft einem Verhör unterziehen wollen.«

»Natürlich nicht«, erwiderte Alexandra. »Er muss ja auch gar nicht der Täter sein! Aber von seiner Person einmal abgesehen, können wir die Leute im Hotel doch befragen. Vielleicht hat jemand etwas Verdächtiges gehört oder gesehen, das uns weiterhelfen kann.«

»Äh … kurze Zwischenfrage«, sagte er ein wenig irritiert. »Hast du gerade bewusst von wir gesprochen? Oder war das nur so dahingesagt?«

Sie sah ihn lange schweigend an. Tatsächlich war das ein Reflex gewesen, denn auch wenn sie sich nicht als Teil eines Zweierteams sah, hatte sie Tobias automatisch in ihr Vorhaben einbezogen. Bestimmt lag es nur daran, dass er der Einzige war, den sie hier kannte. Eine andere vernünftige Erklärung gab es dafür nicht. »Willst du mir etwa weismachen, du kümmerst dich weiter um deine Reisereportage, wenn es hier möglicherweise einen Mord aufzuklären gibt? Oder hältst du meine Überlegungen etwa für völlig abwegig?«

»Deine Theorie ist nicht abwegig«, stellte er klar, »auch wenn ich, wie gesagt, prinzipiell Schwierigkeiten damit habe, mir Pallenberg als Mörder vorzustellen. Aber wenn ich andererseits sehe, wie sich Wilden jedem gegenüber aufgeführt hat, dann möchte ich nicht ausschließen, dass irgendjemand ihn in den Brunnen gestoßen hat. Was ich nur nicht verstehe … Wieso möchtest du jetzt mit mir zusammenarbeiten, Alexandra?«

»Natürlich würde ich mich auch allein auf die Suche nach der Wahrheit begeben. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass du dir eine solche Story entgehen lassen wirst. Eher fängst du ebenfalls an, zu recherchieren und Leute zu befragen. Und wenn du das machst, sind wir beide angeschmiert. Dann werden die Leute dich auf mich und mich auf dich verweisen. Bestenfalls würde jeder von uns verkürzte Antworten bekommen, die ein falsches Bild ergeben. Wir würden beide auf der Stelle treten und den Fall nicht lösen oder uns ständig zusammensetzen und unsere Informationen austauschen müssen.« Sie hob ein wenig frustriert die Schultern. »Da können wir auch gleich zusammen losziehen und gemeinsam die Leute befragen. Auf diese Weise kommen wir am besten voran.«

Er kratzte sich am Kopf. »Ich hätte nicht gedacht, dass dich so was begeistern könnte.«

»So was?«

»Na, in einem möglichen Mordfall zu ermitteln, meine ich.«

»Ach, das.« Sie machte eine abwehrende Handbewegung. »So was hat mich schon immer gereizt.«

Alexandra stand auf. Der Kater gab ein missbilligendes Miauen von sich und setzte sich so abrupt auf, dass Tobias ein wenig erschrocken zurückwich. Doch Kater Brown schien nicht nach ihm schlagen zu wollen, sondern sprang in einem großen Satz von der Bank. Miauend strich er um Alexandras Beine.

»Was hast du denn, mein Süßer? Ich laufe nicht weg.« Sie ging in die Hocke, und Kater Brown rieb nachdrücklich den Kopf an ihrem Knie. »Danke, dass du mir den Toten gezeigt hast. Ich werde versuchen herauszufinden, was dem Mann zugestoßen ist, okay?«

Kater Brown schnurrte, als wollte er sagen: Gute Idee! Dabei drückte er sich weiter an Alexandras Knie.

»Das kannst du doch nicht wirklich glauben!« Tobias lachte leise. »Du meinst im Ernst, Kater Brown hat dir die Leiche zeigen wollen!«

»Ja, davon bin ich überzeugt. Darum ist er die ganze Zeit auf dem Brunnenrand hin und her gelaufen: Damit ich einen Blick in den Schacht werfe. Er hat gewusst, dass da unten was ist. Und er wollte mich darauf aufmerksam machen …« Als Alexandra sah, wie Tobias zweifelnd die Stirn runzelte, fügte sie hinzu: »Okay, vielleicht nicht ausschließlich mich, aber der Kater wollte jemandem seine Entdeckung im Schacht zeigen.«

Tobias wirkte immer noch nicht überzeugt.

»Du kannst darüber denken, wie du willst, doch Kater Brown wird dir vielleicht noch beweisen, dass er einen sechsten Sinn hat.«

Tobias stand ebenfalls auf und sah sich um. »Und womit willst du jetzt anfangen? Wir können Wilden ja nicht einfach so da liegen lassen.«

»Ich schlage vor, wir sehen ihn uns einmal etwas genauer an.« Ohne auf Tobias’ Zustimmung zu warten, ging Alexandra zurück zu der Leiche, kniete sich hin und schlug die Decke zurück. Kater Brown schlenderte an ihr vorbei und setzte sich in gut einem Meter Abstand hin, um aus dieser Entfernung das weitere Geschehen zu beobachten.

»Ich wusste gar nicht, dass du auch immer davon geträumt hast, als Rechtsmedizinerin zu arbeiten«, neckte Tobias sie und hockte sich neben sie, während sie die Kopfhaltung des Toten studierte.

»Komiker«, brummte sie abgelenkt, dann gab sie einen missmutigen Ton von sich.

»Pass auf, gleich schlägt er die Augen auf und macht ›buh‹«, meinte Tobias leise.

Sie versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen, aber wenn sie sich selbst gegenüber ehrlich war, dann lauerte tatsächlich irgendwo in ihrem Kopf diese irrationale Angst.

»Da klebt zu viel getrocknetes Blut an seinem Schädel«, murmelte sie. »Es ist nichts zu erkennen.«

Tobias wurde angesichts des Toten schnell wieder ernst. »Wonach suchst du denn?«

»Nach einem Hinweis darauf, dass ihn jemand niedergeschlagen hat, ehe er in den Brunnen geworfen wurde.«

»Da kannst du lange suchen. Wilden ist eindeutig mit dem Kopf auf dem Grund aufgeschlagen. Das war ja an seiner Lage im Brunnen zu erkennen. Etwas anderes kann man vielleicht mit etwas Glück noch bei der Autopsie feststellen. Aber wie kommst du überhaupt darauf, dass er zuvor niedergeschlagen worden ist?«

»Na, überleg mal! Er muss zumindest ohnmächtig gewesen sein, als der Täter ihn in den Brunnen geworfen hat, sonst hätte er geschrien, und das hätte man hören müssen. Du musst bedenken, wie toten … wie mucksmäuschenstill es hier vergangene Nacht war. Jedes Geräusch wird durch die Dunkelheit getragen, und wenn ich in meinem Bett liege und höre Schritte vom anderen Ende des Korridors, dann hätte ein Aufschrei das ganze Klosterhotel aufwecken müssen.« Sie legte nachdenklich den Kopf schräg. »Vielleicht war Wilden vor dem Aufprall sogar schon tot, immerhin konnte der Täter nicht mit Gewissheit sagen, dass Wilden sich bei dem Sturz in den Schacht das Genick brechen würde. Hätte er ihn überlebt und um Hilfe gerufen, wäre man bald auf ihn aufmerksam geworden. Und nach seiner Rettung hätte er den Täter identifizieren können.«

»Ein Aufprall mit dem Schädel auf dem Brunnenboden ist meiner Ansicht nach nichts, was man überleben kann …«

»Wenn die Person genau mit dem Kopf voran aufschlägt, dann sicher nicht«, pflichtete sie ihm bei. »Sie könnte beim Sturz jedoch in eine Schräglage geraten, wenn sie auf einer Seite von der Innenwand abprallt und sich zu drehen beginnt. Nein, Wilden war bestimmt schon tot. Oder so schwer verletzt, dass er gar keine Chance hatte, aus der Ohnmacht zu erwachen.«

Tobias sah sie nachdenklich an. »Liest du eigentlich viele Krimis? Oder hast du wirklich eine so blühende Fantasie?«

»Das hat mit Fantasie wenig zu tun. Wenn du dir die Fakten ansiehst und dann die Möglichkeiten in Erwägung ziehst, die infrage kommen, dann landest du zwangsläufig bei diesen Überlegungen.« Sie lächelte ihn flüchtig an, dann stutzte sie und sprang auf. »Warte hier, ich bin gleich wieder da.« Alexandra lief auf den Feldweg, überquerte den Parkplatz bis zu ihrem Wagen, holte einen kleinen Beutel aus dem Handschuhfach und eilte zurück zum Brunnen. »Hier, zieh die an!«, forderte sie Tobias auf und hielt ihm ein Paar Latexhandschuhe hin, während sie das andere Paar anzog.