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Die Wirtin winkte ab. »Ach was, das dauert viel zu lange. Da hilft nur eines: den Krempel aus dem Weg räumen und Kollweck meckern lassen.« Sie sah die beiden Männer an der Theke auffordernd an, und als sie nicht reagierten, sagte sie: »Braucht ihr noch eine ausdrückliche Einladung, oder bewegt ihr jetzt euren Hintern hier raus und helft der jungen Dame?«

»Ist doch nicht mein Problem«, grummelte Karl und linste an Angelika vorbei nach seinem Bierglas, das nach wie vor auf der Spüle stand.

»Je schneller ihr für sie Kollwecks Hindernis aus dem Weg räumt, desto eher bekommt ihr euer Bier zurück.«

Schnaubend erhoben sich die beiden von ihren Hockern und zogen von dannen, jedoch nicht, ohne Alexandra missmutige Blicke zuzuwerfen.

»Na also«, meinte Angelika, »gleich haben Sie freie Fahrt. Sie glauben gar nicht, wozu Karl und Hannes fähig sind, wenn man ihnen droht, ihnen ihr Bier vorzuenthalten.«

»Danke, das war sehr nett von Ihnen«, sagte Alexandra und lachte. Sie verabschiedete sich und verließ das Lokal, um zu ihrem Wagen zu gehen.

Als sie zum zweiten Mal die Abzweigung in Richtung Kloster nahm, stellte sie erleichtert fest, dass Hannes und Karl das Gatter tatsächlich an den Fahrbahnrand geschoben hatten. Ein dritter, etwas älterer Mann stand bei ihnen, fuchtelte aufgebracht mit den Armen und redete lautstark auf sie ein.

Die drei waren so in ihre hitzige Diskussion vertieft, dass sie Alexandra gar nicht bemerkten, die kurz angehalten hatte und ihren Helfern durch das geöffnete Seitenfenster einen Dank zurief. Schmunzelnd gab sie wieder Gas.

2. Kapitel

Alexandra folgte dem Verlauf der asphaltierten Straße, die zwischen Bäumen und Feldern hindurch bergauf führte und immer steiler anstieg. Schließlich schlängelte sie sich in Serpentinen durch einen Wald auf die andere Seite der Anhöhe. Von hier hatte Alexandra einen herrlichen Blick auf das Tal dahinter. Ein schmaler Bach plätscherte zwischen saftig grünen Wiesen dahin, auf denen ein paar Kühe und Pferde zufrieden grasten.

Noch einmal beschrieb die Straße eine Linkskurve, und dann auf einmal erhob sich vor Alexandra das von der Mittagssonne beschienene Kloster. Das Erste, was einem Betrachter auffiel, war die Schlichtheit des Gebäudes, die für ein Kloster selbstverständlich war, nicht jedoch für ein Hotel. Aber es war gerade dieses Dezente, Verhaltene, was Alexandra so beeindruckte.

Das Hauptgebäude bestand aus einem breiten Bauwerk mit weiß gestrichener Front. Ein dunkles Satteldach saß auf dem ersten Stockwerk; auf dem rechten Trakt ragte ein romanischer Glockenturm in die Höhe. Die grünen Läden an den recht kleinen Fenstern waren geöffnet. Rechts des Klosters konnte sie eine ebenso schlichte Kapelle erkennen, die von einem Bauzaun umgeben war.

Was sich hinter dem Hauptgebäude befand, war von Alexandras Position aus nicht auszumachen, aber nach den Fotos zu urteilen, die sie gesehen hatte, gab es dort noch etliche Nebengebäude. Die Straße verlief an dem Bauwerk vorbei ins Tal, doch kurz bevor sie wieder abschüssig wurde, zweigte ein Feldweg in Richtung Kloster ab, der auf einen Platz mit einem kunstvollen alten Brunnen führte. Links davor befand sich ein weitläufiger Parkplatz, der den Eindruck erweckte, als hätte man ihn erst vor Kurzem auf einem Stück Weideland angelegt. Mehrere Autos sowie ein Bus waren dort abgestellt worden, was darauf hindeuten mochte, dass das Hotel gut ausgelastet war. Vielleicht hatte aber auch nur eine Reisegruppe auf dem Weg durch die Eifel hier eine Rast eingelegt, um zu Mittag zu essen.

Alexandra hielt diese Beobachtung mit ihrem Diktiergerät fest, nachdem sie ihren Wagen auf dem Parkplatz abgestellt hatte. Als sie ausstieg, drückte sich der Kies durch die dünnen Sohlen ihrer Schuhe. Sie holte die Reisetasche aus dem Kofferraum und ging den Weg entlang, bis sie den schätzungsweise dreißig Meter entfernten Eingang erreicht hatte. Die Mittagssonne brannte ihr auf den Rücken; die Wärme wurde jedoch durch einen leichten Wind gelindert. Von der Weide auf der anderen Seite der Landstraße klang das Muhen von Kühen herüber. Ein Meisenpärchen flog laut zwitschernd dicht über Alexandras Kopf hinweg.

Die schwere Eingangstür war aus massiver Eiche und musste nach außen aufgezogen werden. Alexandra musste unwillkürlich an einen der Texte im Prospekt denken, mit dem für das Klosterhotel geworben wurde. Erfahren Sie sich selbst und die Kraft, die in Ihnen steckt!, hieß es dort.

Im Foyer fand der schlichte Stil seine Fortsetzung, da es in dem quadratischen Raum lediglich einen Holztresen und eine Sitzgruppe aus Korbmöbeln gab, die nur einer Hand voll Gäste Platz bot. Die Wände schmückten einige Ölbilder mit bekannten Eifeler Motiven. Hinter dem Tresen hingen ein großes Schlüsselbrett und eine Wandtafel mit farbigen Steckkarten, die vermutlich Auskunft über die Belegung der Zimmer gaben. Diese eigentlich vorsintflutlich anmutende Tafel erfüllte jedoch wahrscheinlich ihren Zweck genauso wie ein aufwendiges Computerprogramm.

Alexandra durchquerte das recht kleine Foyer und tippte mit der flachen Hand auf die Glocke, die auf dem langen Tresen stand. Eine Fliege, die offenbar auf der abgewandten Seite auf der Glocke gesessen hatte, flog summend auf und suchte sich irgendwo einen ruhigeren Platz. Gleich darauf wurde eine Tür geöffnet, die in ein Büro hinter dem Empfang führte. Ein hochgewachsener, kräftiger Mann Ende zwanzig mit kurz geschnittenem blondem Haar kam nach vorn. Er trug eine dunkelbraune Mönchskutte, um die Taille lag ein grobes Hanfseil.

»Guten Tag und herzlich willkommen im Klosterhotel ›Zur inneren Einkehr‹! Mein Name ist Bruder Andreas. Was kann ich für Sie tun?« Die Begrüßungsformel kam ihm so leicht über die Lippen, als hätte er sie allein in der letzten Stunde schon zwanzig Mal gesagt.

»Für mich wurde ein Zimmer reserviert. Entweder auf den Namen Alexandra Berger oder auf den der Redaktion, für die ich arbeite: Traveltime. Ich bin hier, um für unser Reisemagazin einen Artikel über Ihr Hotel zu schreiben.«

»Aha.« Bruder Andreas hatte offenbar nur mit halbem Ohr zugehört. »Einen Augenblick, ich muss das erst heraussuchen.« Er blätterte in einem ausladenden querformatigen Buch. »Traveltime? Ist das die Verlagsgruppe DNK?«

»Ja, richtig.«

»Oh, dann haben wir …«, begann er, kam aber nicht weiter, da in diesem Moment eine Tür links neben dem Tresen aufgerissen wurde und ein Mann ins Foyer stürmte, der gut einen halben Kopf kleiner war als Alexandra. Er trug einen leuchtend roten Trainingsanzug, der ihm etwas zu weit war und der den Eindruck erweckte, als hätte er ihn eben erst gekauft und gleich anbehalten. Sein mittelbraunes Haar trug der Mann ordentlich gescheitelt, was ihn etwas jünger erscheinen ließ. Dennoch schätzte Alexandra ihn auf Mitte vierzig.

»Sagen Sie mal, wie lange soll ich denn noch darauf warten, dass der Kurier eintrifft?«, fuhr er Bruder Andreas an und schob sich vor Alexandra.

»Herr Wilden«, erwiderte der Mönch in einem Tonfall, der deutlich machte, dass er sich mit aller Macht beherrschen musste, um ruhig und freundlich zu bleiben. »Ich sagte Ihnen doch bereits, ich rufe Sie an, sobald der Kurier das Päckchen für Sie abgegeben hat.«

»Bislang haben Sie mich aber nicht angerufen!«

»Bislang ist der Kurier auch noch nicht hier gewesen«, gab der jüngere Mann zurück, wobei es ihm nun sichtlich schwerfiel, seine Gereiztheit zu verbergen. Offenbar kennt auch die Geduld eines Mönchs ihre Grenzen, überlegte Alexandra und bemühte sich, ein Schmunzeln zu unterdrücken.

»In welchem Ton reden Sie eigentlich mit mir?« Der Mann namens Wilden erhob die Stimme und schlug mit der flachen Hand auf den Tresen, woraufhin sich Bruder Andreas zu seiner vollen Größe aufrichtete und den Wüterich vor dem Tresen nun um mehr als einen Kopf überragte. »Und überhaupt: Der Kurier ist noch nicht da gewesen! Wollen Sie mich auf den Arm nehmen, oder was?«