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»Ach, lassen Sie nur, Bruder Andreas! Ich kann Alexandra auch ihr Zimmer zeigen. Da müssen wir Bruder Jakob nicht aus seinem wohlverdienten Schlaf reißen.«

»Bruder Jakob aus dem Schlaf reißen?«, wiederholten der Mönch und Alexandra gleichzeitig.

»Na, kommt schon, Leute«, sagte Tobias und grinste breit. »Ihr kennt doch dieses Kinderlied … ›Bru-der Ja-kob, Bru-der Ja-kob, schläfst du noch?‹«

Alexandra richtete gequält den Blick zur Zimmerdecke. »Du bist dir auch für keinen Kalauer zu schade, wie?«

Tobias nahm diese Frage mit einem gelassenen Schulterzucken hin. »Solange meine Trefferquote insgesamt stimmt, kann ich damit leben, dass der eine oder andere Gag ins Leere läuft.«

»Und wo liegt deine Quote? Bei fünf Prozent? Oder eher darunter?«, konterte sie und hörte, wie der Mönch am Empfang zu kichern begann. Dann riss er sich wieder zusammen und hielt Alexandra den Schlüssel hin, an dem ein klobiger Plastikklotz hing, auf dem die Zimmernummer vermerkt war. Sie stutzte angesichts der eigenartigen Design-Mixtur. Nach dem Tablet-Computer hätte sie eigentlich mit einer Codekarte gerechnet, aber offenbar war die Klostertechnik doch noch nicht ganz in der Gegenwart angekommen. Andererseits hatte dieser Schlüssel etwas Urtümliches und seltsam Skurriles an sich, das in Alexandra nostalgische Erinnerungen an ihre Urlaube mit den Eltern weckte.

»Danke«, sagte sie und bückte sich, um nach ihrer Reisetasche zu greifen. Tobias kam ihr jedoch zuvor und nahm die Tasche an sich.

»Komm, lass mich dir helfen!«, meinte er, und Alexandra schluckte den Widerspruch, der ihr auf der Zunge lag, hinunter.

Sie verließen das Foyer durch die Tür, durch die Tobias eben eingetreten war, und gelangten in einen recht schmalen, schnurgeraden Gang. Die Wände waren weiß gestrichen. Schmucklose Wandlampen sorgten für die nötige Helligkeit. Auf der linken Seite fanden sich mehrere geschlossene Türen, die keine Nummer aufwiesen. Wahrscheinlich handelte es sich bei diesen Räumen also nicht um Gästezimmer.

»Hier lang«, sagte Tobias und bog mit ihr nach rechts in einen noch längeren Gang ein, der quer durch das Kloster zu verlaufen schien.

Im Inneren des alten Gemäuers war es angenehm kühl. Zwei Mönche kamen ihnen entgegen, die ihnen freundlich zunickten und sich an die rechte Wand drückten, um sie passieren zu lassen.

»Und jetzt nach links«, ließ Tobias verlauten, als sie am Ende dieses Gangs angelangt waren.

Alexandra fiel mit einem Mal etwas ein. »Du, ich habe eben deinen Wagen gar nicht gesehen. Oder gibt es hier noch einen zweiten Parkplatz?«

»Nein, nein.« Er winkte ab. »Ich habe auf dem Rückweg von Portugal einen kleinen Abstecher hierher gemacht. Ich bin über Frankfurt nach Luxemburg geflogen und von da mit einem Mietwagen weitergefahren, so einem winzigen Fraueneinkaufsauto …«

»Fraueneinkaufsauto?«, wiederholte Alexandra und kniff gereizt die Augen zusammen. »Warum hast du denn den Wagen überhaupt genommen, wenn er dir nicht gut genug ist? Oder wollte man dir nichts mit mehr PS anvertrauen?«

»Es gab nichts anderes mehr«, stellte er klar. »Außerdem geht es mir nicht um die PS, von denen dieser Polo im Übrigen genug hat. Ich habe nur lieber etwas mehr Platz im Wagen.«

»Ja, klar.« Sie grinste breit. »Du musst ja bequem deine Einkäufe aus dem Baumarkt und ein paar Kästen Bier verstauen können.«

»Sagt die Frau, die selbst einen protzigen Audi fährt!«

»Ein Audi, der fast dreißig Jahre auf dem Buckel hat, ist kein protziger Audi, sondern ein Klassiker.«

»Voilà, da sind wir. Letztes Zimmer auf der rechten Seite.« Er deutete auf die Tür am Ende des Gangs, in den durch ein schmales, hohes Fenster Sonnenlicht fiel.

Alexandra schloss auf und nahm Tobias die Tasche ab. »Also dann … Wir sehen uns später, ich möchte mich erst mal mit meiner Umgebung vertraut machen.«

»Lass dir ruhig Zeit«, gab er feixend zurück und sah zu, wie sie die Tür hinter sich schloss. Dann zählte er leise die Sekunden, bis Alexandra die Tür wieder öffnete und nach draußen auf den Gang kam.

»Das ist mein Zimmer?«, fragte sie ungläubig. »Dieser Mönch hat mir nicht zufällig den Schlüssel für die Abstellkammer gegeben, oder?« Sie drehte sich nach links und betrachtete die Abstände zwischen den Türen auf derselben Gangseite. »Schließ mal bitte dein Zimmer auf!«, forderte sie Tobias auf.

Mit einem Schulterzucken kam er ihrer Bitte nach und trat dann einen Schritt zur Seite, damit Alexandra in den Raum sehen konnte.

»Ich fasse es nicht!« Ihre Augen blitzten ärgerlich, als sie sich wieder zu Tobias umwandte. »Du hast dir einfach das größere Zimmer unter den Nagel gerissen! Das ist eine Frechheit!«

»Ich war halt vor dir hier«, hielt er gelassen dagegen. »Außerdem sind die beiden Zimmer auf den Verlag reserviert worden, aber nicht auf einen bestimmten Namen.«

Jetzt reichte es Alexandra wirklich! »Du warst vor mir hier? Was ist denn das für ein Argument? Wenn es danach geht, habe ich Anspruch auf das größere Zimmer. Schließlich war ich ursprünglich die Einzige, die herkommen sollte. Du hast dich bloß an mich drangehängt, um mir ein paar Tage rund um die Uhr auf die Nerven gehen zu können.« Kaum hatte sie zu Ende gesprochen, wünschte sie, sie hätte kein Wort gesagt. Es war Tobias wieder mal gelungen, sie so weit aus der Reserve zu locken, dass sie unsachlich wurde. Das war ihr schon ein paarmal im Verlag passiert, wenn es zu Überschneidungen bei den Themen ihrer Magazine gekommen war. Obwohl es eindeutig gewesen war, dass Tobias sich bei ihren Ideen bedient hatte, um mit eigenen Artikeln zu glänzen, war er immer so geschickt vorgegangen, dass er keine Spuren hinterlassen hatte.

»Bruder Andreas hat mich gefragt, welches Zimmer ich haben wollte, das große oder das kleinere, und da habe ich mich für das große entschieden, weil ich schon in diesem Zwergenauto unterwegs sein muss«, erklärte er mit Unschuldsmiene. »Ich wusste nicht, wie groß der Unterschied zwischen beiden Zimmern sein würde.«

Sie brummte etwas Unverständliches.

»Wir können ja …«, begann Tobias nachdenklich.

Wollte er ihr tatsächlich vorschlagen, dass sie die Zimmer tauschten? Sollte sie auf ein solches Angebot eingehen? Oder würde sie sich nur selbst damit schaden, weil sie ihm damit die Gelegenheit gab, sie später als Diva hinzustellen, die sich nicht mit einem kleinen Zimmer begnügen konnte?

»… dein Bett in mein Zimmer schieben, dann haben wir gleich viel Platz«, beendete er seinen Satz und zwinkerte ihr zu.

Alexandra verdrehte die Augen und schnaubte frustriert. »Tobias, kannst du eigentlich ein einziges Mal auf deine anzüglichen Bemerkungen verzichten? Wird dir das nicht irgendwann mal langweilig? Oder wenigstens peinlich?«

Während er breit grinsend dastand, wandte sie sich ab und ging zurück in ihr Zimmer … als ihr plötzlich etwas Schwarzes entgegengeschossen kam und sie vor Schreck einen Schrei ausstieß.

3. Kapitel

»Was ist denn das?«, rief Alexandra erschrocken und machte einen Satz nach hinten, bis sie sah, dass es sich bei dem schwarzen Etwas, das nun in der offen stehenden Tür zu ihrem Zimmer saß, um eine Katze handelte. Offenbar hatte ihr Aufschrei das Tier so irritiert, dass es sich nicht weiter von der Stelle rührte, sondern den Kopf leicht schräg legte und Alexandra aus grünen Augen aufmerksam betrachtete.