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»Das ist Kurt Assmann, der Assistent des Mannes, der am Samstagmorgen im Brunnenschacht vor dem Eingang gefunden wurde«, erklärte der Mönch. Alexandra und Tobias ließen Pallenberg nicht aus den Augen.

Der Polizist umkreiste den Toten einige Male langsam und besah ihn sich von allen Seiten. Dann schaute er sich sorgfältig am Tatort um. Der gesprungenen Steinfliese, der zerbrochenen Skulptur sowie der leeren Halterung an der Empore schenkte er besondere Beachtung. Schließlich stand er nachdenklich da und kratzte sich am Kopf.

Alexandra trat auf ihn zu und sagte leise: »Herr Assmann hat mir gestern Abend nach elf Uhr noch eine SMS geschickt, in der er uns mitteilte, dass jemand ihm Wildens Laptop aushändigen wollte. Offenbar wurde Kurt Assmann von seinem Mörder bewusst hierher gelockt.«

Pallenberg nickte. »Das passt ins Bild. Auf jeden Fall ist er nicht von einer zufällig herabstürzenden Skulptur erschlagen worden. Vieles deutet auf einen gewaltsamen Tod hin, aber Genaueres müssen die Spezialisten feststellen. Geben Sie mir bitte einen Moment Zeit, ich werde noch einmal versuchen, die Kollegen von der Spurensicherung und der Rechtsmedizin zu erreichen, obwohl ich keine große Hoffnung habe.« Er verließ die Kapelle und telefonierte einige Minuten mit seinem Handy. Tobias und Alexandra konnten zwar nicht verstehen, was er sagte, aber sie sahen, dass er verschiedene Nummern wählte und beim Reden aufgeregt gestikulierte.

Schließlich kam er zu ihnen zurück. Sein Gesicht war ernst. »Diese Demo in Trier hat mehr Zulauf erhalten als erwartet. Auch heute sind noch alle Kollegen im Einsatz. Ich bin nach wie vor allein. Vor Montagmorgen kann niemand herkommen, um mich zu unterstützen. Die Spurensicherung ist mit zwei Einbrüchen beschäftigt, und der Gerichtsmediziner, der seinen erkrankten Kollegen vertritt, ist nach Bitburg gerufen worden. Selbst auf der Dienststelle dort ist niemand auf die Schnelle abkömmlich. Es tut mir sehr leid …«

Alexandra schüttelte fassungslos den Kopf. »Das kann doch wohl nicht wahr sein! Am Montagmorgen reisen die Kollegen der beiden Toten ab – und der Mörder höchstwahrscheinlich mit ihnen!«

»Ich weiß. Doch es ändert nichts daran, dass ich allein bin, dass ich keine Ausrüstung habe, um Spuren zu sichern, und dass ich auch kein Rechtsmediziner bin, der dem Toten da ein Geheimnis entlocken kann. Ich werde so viele Fotos machen, wie notwendig sind, und ich werde die Kapelle verschließen, die Tür mit einem polizeilichen Siegel versehen und die Kollegen von der Spurensicherung gleich morgen früh herschicken. Mehr kann ich im Augenblick nicht tun.«

»Eines sollten Sie noch erfahren: Ein Unbekannter hat versucht, den Klosterkater zu vergiften«, sagte Tobias.

»Gestern Abend«, ergänzte Alexandra. »Jemand hat ihm ein starkes Betäubungsmittel verabreichen wollen, das den Kater beinahe umgebracht hätte.«

Pallenberg betrachtete Kater Brown, der auf dem Steinboden saß und sich putzte. »Und Sie denken, dass dieser Vorfall mit den beiden Todesfällen in Verbindung steht?« Als Alexandra die Frage bejahte, erkundigte er sich: »Wissen Sie, welches Gift zur Anwendung kam?«

»Wir können es erfragen. Bestimmt kann die … der Tierarzt, der Kater Brown behandelt hat, uns das sagen.«

»Bitte informieren Sie mich, wenn Sie Genaueres wissen!«

»Wie wir eben herausgefunden haben, ist auch Assmanns Handy verschwunden«, sagte Alexandra und rechnete schon mit einer Standpauke, weil sie den Toten auf eigene Faust untersucht hatten.

Doch Pallenberg runzelte nur die Stirn. »Vielleicht hatte er es ja gar nicht bei sich …«

Alexandra schüttelte aufgeregt den Kopf. »Doch, bestimmt, denken Sie nur an die SMS, die er uns geschickt hatte!«

»Herr Assmann hat mit dem Handy das Kloster verlassen, ich habe es genau gesehen«, mischte sich da Bruder Johannes ein und erzählte dem Polizisten auch noch einmal von seiner letzten Begegnung mit Kurt Assmann am vergangenen späten Abend.

Polizeiobermeister Pallenberg hörte ihm aufmerksam zu, und mit jedem Wort, das er vernahm, wurde seine Miene ernster. Als der Mönch schließlich geendet hatte, nickte er nachdenklich. »Wie gesagt, ich werde nun die Leiche und den Fundort aus allen Perspektiven fotografieren, den Tatort abriegeln und die Tür versiegeln. Die Mitarbeiter der Ermordeten erhalten die klare Anweisung, das Klosterhotel und die Anlagen bis auf Weiteres nicht zu verlassen. Spusi und Rechtsmedizin werden morgen in aller Frühe hier sein. Mehr kann ich im Augenblick wirklich nicht tun.« Damit drehte er sich um und ging zu seinem Mofa hinaus, um die Polizeitasche an sich zu nehmen.

Kater Brown folgte Alexandra nach draußen. Er war sehr zufrieden, dass sie so schnell verstanden hatte, was er ihr hatte mitteilen wollen. Allerdings war da immer noch die eine Sache, die ihr bislang entgangen war, aber darauf würde er sie bestimmt noch hinweisen können. Er musste nur den richtigen Moment abpassen und ihr den Weg zeigen. Mit dieser Hundeleine müsste das eigentlich klappen.

Nachdem sie das Gebäude verlassen hatten, in dem er den toten Mann gewittert hatte, konnte er wieder ein Stück durchs angenehm kühle Gras laufen, das so schön unter seinen Pfoten kitzelte. Ein knallgelber Schmetterling kam auf ihn zugeflattert, und Kater Brown blieb stehen, um ihn genauer zu betrachten. Der Schmetterling flog kreuz und quer über den Rasen und freute sich seines Lebens. Es war schwierig, seine Flugbahn vorauszuberechnen, denn er ließ sich mal hierhin, mal dorthin trudeln.

Dennoch duckte sich Kater Brown und spannte die Muskeln an, während seine Augen jede Bewegung des gelben Falters genau verfolgten. Es dauerte eine Weile, aber dann war der Schmetterling nahe genug, und Kater Brown konzentrierte sich ganz genau auf den einen Punkt, den der Falter gleich erreichen musste. Einen Sekundenbruchteil, bevor dieser Moment gekommen war, sprang er hoch, streckte die Vorderpfoten vor und fuhr die Krallen aus, um den Schmetterling zu erwischen … aber der Falter änderte im allerletzten Augenblick seinen Kurs, und Kater Browns Krallen gingen ins Leere. Verflixt! Schnell warf er einen Blick zu Alexandra hinüber. Wie peinlich! Aber wenn sie über diesen gescheiterten Beutezug amüsiert war, ließ sie sich jedenfalls nichts anmerken.

»Mach dir nichts draus!«, sagte sie nur. »Beim nächsten Mal klappt’s bestimmt.«

Hm, ja. Kater Brown setzte sich hin und gähnte. Das machte er immer, wenn er verlegen war und von einer Niederlage ablenken wollte. Vielleicht sollte er sich auch gleich noch einmal putzen …

Da spürte er auf einmal eine federleichte Berührung hinter dem Ohr und wandte blitzschnell den Kopf. Frechheit! Der gelbe Falter war offenbar zum Gegenangriff übergegangen und wollte ihn attackieren! Na warte! Blitzschnell sprang er hoch und schlug die Vorderpfoten zusammen – nur um ein zweites Mal unverrichteter Dinge wieder auf allen vieren zu landen. Der Schmetterling flatterte fröhlich zu einer der Hortensien hinüber. Doch Kater Brown würdigte ihn keines Blickes mehr, sondern stolzierte beleidigt davon. Er würde dieses freche Ding schon noch bekommen. Es musste ja nicht heute sein …

Alexandra war noch viel zu erschüttert über die Entdeckung von Assmanns Leiche, um über die Kapriolen des Katers lachen zu können. Schweigend ging sie hinter ihm her. Als er den Brunnen ansteuerte, auf dessen Rand Kater Brown offenbar ein Nickerchen machen wollen, schüttelte sie bedauernd den Kopf. »Nein, mein Kleiner, du musst mich schon begleiten. Ich habe vor, gleich einmal in den Keller hinunterzusteigen. Du wolltest mir da unten doch noch etwas zeigen.«

»Wir gehen zusammen da runter«, beharrte Tobias, der ihnen gefolgt war und nun mit ihnen ins Foyer trat. »Oder reichen dir zwei Morde und ein Giftanschlag auf den Kater noch nicht, um einzusehen, dass wir es mit einem skrupellosen Täter zu tun haben? Ich schlage vor, dass wir ab sofort hier nur noch gemeinsam unterwegs sind.«

Alexandra rieb sich die Augen. »Vielleicht hast du recht. Ich möchte jetzt nur nicht paranoid reagieren. Trotz allem bin ich fest entschlossen, mich im Keller umzusehen«, flüsterte sie.