»Ach, und Sie meinen, mit Ihrem Konzept ergeht es uns besser?«
»Ja – wenn Sie kooperieren. Ein Luxushotel mit Wellness und allem Drum und Dran ist das, was heutzutage in Scharen Gäste anlockt.«
»Ich will aber kein Luxushotel hier haben«, beharrte der Mönch. »Ich will mein Zuhause behalten und den Menschen vermitteln, was mir und meinen Brüdern wichtig ist.«
»Was Sie wollen und was nicht, Bruder Johannes, interessiert mich nicht.« Wieder lachte Bernd Wilden kalt. »Dieses Kloster gehört Ihnen nicht mehr, sondern der Bank. Ich fahre jetzt zurück nach Kaiserslautern, und morgen früh um acht Uhr unterzeichne ich die Kreditverträge. Mir ist nämlich der Kredit bewilligt worden, mit dem ich das Klosterhotel von Ihrer Bank übernehmen kann. Dort wird man mit dem größten Vergnügen auf mein Angebot eingehen, wie ich erfahren habe, und ist froh, diesen Kasten loszuwerden, bevor die ersten Verluste eingefahren werden.«
»Das können Sie nicht machen! Das dürfen Sie nicht!«, rief Bruder Johannes, und seine Stimme klang mit einem Mal ungewohnt schrill.
»Sie haben die Wahl, was mit Ihnen und Ihren Brüdern passiert«, redete Wilden ungerührt weiter. »Sie können gern bleiben und für mich arbeiten. Schließlich kennen Sie sich hier aus.«
»Für Sie werde ich niemals arbeiten«, sagte der Mönch aufgebracht. »Eher werde ich …«
Es folgte eine kurze Pause, dann erklang wieder Wildens spöttische Stimme: »Eher werden Sie was? Na, Bruder Johannes? … Ja, das dachte ich mir. Große Reden schwingen, aber dann ganz schnell einknicken, wenn’s brenzlig wird.«
»Ich werde das nicht zulassen! Ich lasse nicht zu, dass Sie meinen Traum zerstören!«
»Sie können’s ja mit einer Sitzblockade versuchen, aber das wird mich auch nicht daran hindern, nach Kaiserslautern zu fahren.«
»Nein! Sie werden nirgendwohin fahren!«
»Lassen Sie mich sofort los, Bruder Johannes! Kommen Sie, sehen Sie doch endlich ein, dass Sie mich nicht aufha …«
Ein dumpfes Geräusch – offenbar ein Schlag – unterbrach den Mann mitten im Satz, der stöhnte vor Schmerzen laut auf, aber ein zweiter Schlag brachte ihn endgültig zum Schweigen. Dann waren ein Knirschen und ein leises Ächzen zu hören. Jemand atmete schnaufend, als bewegte er mühsam etwas Schweres von der Stelle. Schritte kamen zurück, und Augenblicke später fiel eine Wagentür zu.
Tobias stoppte die Wiedergabe. »Ab dieser Stelle der Aufnahme ist nur noch das leise Ticken einer Analoguhr zu hören, die in einem Ablagefach von Herrn Wildens Wagen lag. Sein Handy hat noch ungefähr neunzig Minuten lang aufgenommen, dann war der Akku leer, und es hat sich abgeschaltet.«
Im Saal herrschte fassungsloses Schweigen. Alle Blicke waren auf Bruder Johannes gerichtet, der von seinem Platz aufgesprungen war. Sein Gesicht hatte alle Farbe verloren, doch seine Augen brannten wie von einem irren Feuer.
Pallenberg schaute Bruder Johannes an.
Der Mönch straffte die Schultern und reckte den Kopf wie jemand, der davon überzeugt war, richtig gehandelt zu haben. Doch seine Stimme klang ungewohnt brüchig, als er zu sprechen begann. »Was soll ich dazu noch sagen? Sie haben ja alle gehört, was Herr Wilden vorhatte. Er wollte uns alles wegnehmen. Das konnte ich doch nicht zulassen! Nicht nach allem, was wir für den Aufbau des Klosters geleistet haben.« Sein Blick, der von dem Polizeibeamten über Tobias zu Alexandra und wieder zurück zu Pallenberg wanderte, schien um Verständnis zu flehen. »Ich habe nicht aus niederen Motiven gehandelt, sondern bei all dem nur an meine Mitbrüder gedacht.« Sein Tonfall klang nun wieder energischer, selbstbewusster. »Manchmal gibt es eben keine andere Lösung als Gewalt, um ein Unheil abzuwehren … und Herr Wilden war das Fleisch gewordene Unheil, ein wahrer Teufel. Jemand musste diesen Mann doch stoppen, sonst hätte er alles zunichtegemacht, wofür wir so hart gearbeitet haben – und immer noch hart arbeiten. Wir alle hier hätten unser Zuhause, unsere Zuflucht verloren.« Bruder Johannes senkte den Blick und nickte mehrmals, als wollte er sich selbst bestärken. Dann murmelte er: »Der Herr weiß, ich habe das Richtige getan.« Als er die Hände vor der Brust faltete und den Blick zur Zimmerdecke emporhob, verriet nur das Zittern seiner Finger seinen inneren Aufruhr.
Alexandra spürte, wie sich die feinen Härchen auf ihrem Rücken aufstellten, und sie schüttelte ungläubig den Kopf. »Und deshalb musste auch noch Assmann sterben, nicht wahr? Weil er alles über Wildens Vorhaben wusste.«
Bruder Johannes erwachte aus seiner Versunkenheit und sah sie aus funkelnden Augen an. »Herr Assmann war doch noch schlimmer! Er war fest entschlossen, Herrn Wildens Plan trotzdem in die Tat umzusetzen, und weil er vermutete, dass einer von uns etwas mit Wildens Tod zu tun hatte, kündigte er an, uns vor die Tür zu setzen. In ein paar Wochen wären wir alle obdachlos gewesen.«
Pallenberg ergriff wieder das Wort. Sein Gesichtsausdruck verriet nichts als professionelle Sachlichkeit. »Und wie haben Sie die beiden Männer umgebracht, Bruder Johannes? Ich konnte auf der Aufnahme zwei dumpfe Schläge hören.«
»Mit einem Hammer … einem Holzhammer«, verriet Bruder Johannes. »Ich bin Herrn Wilden zum Parkplatz gefolgt … und habe zweimal auf ihn eingeschlagen. Danach habe ich ihn im Schutz der Dunkelheit zum Brunnen geschleift und in den Schacht geworfen. Ich hoffte, man könnte später nicht mehr feststellen, dass ihm vor dem Sturz in die Tiefe der Schädel zertrümmert wurde.«
»Und letzte Nacht haben Sie Kurt Assmann in die Kapelle gelockt, nachdem Sie ihm – wahrscheinlich mit einer SMS – die Übergabe von Wildens Laptop angekündigt hatten«, folgerte Tobias leise. »Ihn haben Sie auch mit dem Hammer niedergestreckt und dann alles so arrangiert, dass es nach einem Unfall aussehen sollte.«
Bruder Johannes zuckte mit den Schultern und drückte wieder den Rücken durch. Er schien tatsächlich davon überzeugt zu sein, das Richtige getan zu haben. »Ich hatte meine Gründe.«
Einen Moment lag ungläubiges Schweigen über dem Saal, dann sagte Polizeiobermeister Pallenberg: »Mich würde noch interessieren, wie Sie sich in beiden Fällen so spät am Abend aus dem Kloster geschlichen haben. Sie mussten doch befürchten, von irgendjemandem gesehen zu werden. Einer Ihrer Mitbrüder oder einer der Gäste hätte im Haus unterwegs sein können. Wenn Sie dabei beobachtet worden wären, wie Sie nachts das Kloster verlassen, wäre der Verdacht doch gleich auf Sie gefallen …«
»Ich werde nichts von dem leugnen, was Sie über mich und meine Motive in Erfahrung gebracht haben«, erklärte der Mönch gelassen. »Aber was Sie noch nicht wissen, werde ich Ihnen auch nicht verraten.«
»Ich glaube, ich kann Ihre Frage beantworten«, sagte Alexandra anstelle des Mönchs und zog die Kellerschlüssel hervor, die Tobias ihr gegeben hatte. »Bruder Johannes, Herr Pallenberg, wenn Sie uns in den Keller begleiten würden? Ach ja, Bruder Siegmund und Bruder Dietmar, es wäre schön, wenn Sie beide auch mitkommen könnten.«
Die Mönche tauschten einen unbehaglichen Blick, standen aber auf und kamen zu ihnen.
Wie auf ein Stichwort sprang Kater Brown von dem Beistelltisch. Für den Moment hatte Alexandra ihm die Leine abgenommen; er trug nur das Geschirr.
Gemurmel im Saal wurde laut, als die kleine Prozession sich in Richtung Kellertür in Bewegung setzte.
Im Kellergeschoss angekommen, eilte Kater Brown mit steil aufgerichtetem Schwanz voraus und setzte sich vor die Tür, die in den angrenzenden Raum führte.
»Ja, ich weiß, mein Kleiner«, sagte Alexandra. »Du willst mir dort schon lange etwas zeigen. Gleich habe ich Zeit für dich. Aber zuerst muss ich noch etwas anderes erledigen.«