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»Sieht nach einer Katze aus«, meinte Tobias. »Vermutlich ist das Kater Brown.«

»Pater Brown?«, fragte sie. »Wo ist Pater Brown?«

»Nicht Pater, sondern Kater Brown.«

»Wie lange bist du schon hier, dass du alles und jeden kennst?«, wollte Alexandra wissen, da sie der Verdacht beschlich, dass Tobias einen deutlichen Wissensvorsprung vor ihr hatte, was die Verhältnisse im Kloster anging.

»Nicht mal eine Stunde. Von dem Kater weiß ich auch nur, weil einer der anderen Mönche am Empfang nach ihm gefragt hatte, als ich gerade einchecken wollte. Vielleicht ist das auch gar nicht Kater Brown, sondern irgendeine andere Katze.« Tobias zuckte mit den Schultern. »Ich frage mich nur, wie er da reingekommen ist …« Alexandra warf einen Blick in ihr Zimmer, dann nickte sie. »Das Fenster ist zum Lüften geöffnet. Bestimmt ist er auf diesem Weg eingestiegen.«

Plötzlich wurde eine Tür auf der anderen Seite des Flurs aufgerissen.

»Geht das eigentlich auch etwas ruhiger?«, polterte Bernd Wilden, über den Alexandra sich erst vor ein paar Minuten im Foyer so geärgert hatte. »Sie?«, fuhr er sie an, dann wanderte sein Blick weiter zu Tobias. »Und Sie auch schon wieder! Na, dann wundert mich ja gar nichts mehr. Hören Sie, ich habe mich in mein Zimmer zurückgezogen, weil ich in Ruhe telefonieren muss, und ich wäre wirklich sehr dankbar, wenn Sie dafür sorgen könnten, dass meine Gesprächspartner keine Hintergrundgeräusche mitbekommen, die sie glauben lassen, ich würde mich auf einer Dorfkirmes befinden.« Er bedachte sie mit einem weiteren vorwurfsvollen Blick und zog die Tür zu seinem Zimmer wieder hinter sich zu.

»›Sie schon wieder‹?«, fragte Alexandra. »Dann bist du auch schon mit ihm aneinandergeraten?«

»Ja, auf dem Parkplatz. Ich hatte meinen Wagen abgestellt und war ausgestiegen, da kommt er mit seinem Porsche Cayenne auf mich zugerast, springt raus und brüllt mich an, ich solle seinen Platz frei machen.«

»Wilden im Porsche Cayenne? Braucht er nicht eine Leiter, um überhaupt in den Wagen einsteigen zu können?«

»Nicht nur das.« Tobias lachte. »Ich vermute, dass da auch noch eine Spezialfirma ranmusste, um den Sitz so umzubauen, damit er über das Lenkrad schauen kann. Dieser Kerl ist einfach unerträglich.«

»Oh, hast du etwa deinen Meister gefunden?«, erkundigte sie sich amüsiert.

»Ach, Quatsch! Ich habe ihm gesagt, er solle woanders parken, schließlich waren noch genug Plätze frei, aber der Kerl hat sich einfach auf dem Absatz umgedreht und ist weggestiefelt. Seinen Wagen hat er vor meinem stehen lassen. Wenn ich jetzt auf die Schnelle wegmüsste, käme ich nicht aus der Lücke. So was macht mich wirklich sauer.«

»Na, dein Therapeut wird dir schon darüber hinweghelfen.«

Er winkte ab. »Ich brauche keinen Therapeuten, aber der Kerl braucht mal eine Abreibung, damit er endlich merkt, dass er nicht der wichtigste Mensch auf der Erde ist.«

Sie sah zu der Tür, hinter der sich Wildens Zimmer befand. »Was hat er noch mal gesagt? Er ist Geschäftsführer bei einem Wohlfahrtsverband. Ich schätze, in seinem Job verhält er sich den ganzen Tag so. Bestimmt geht er von Büro zu Büro, macht seine Leute zur Schnecke, setzt sich dann an seinen gigantischen Schreibtisch und ist sehr zufrieden mit sich, weil er es mal wieder allen gezeigt hat.«

Tobias grinste. »Ja, und zu Hause wartet seine Frau auf ihn, unter deren Fuchtel er steht und die ihn das ganze Wochenende triezt: ›Bring den Müll raus … Mäh den Rasen … Schneide die Hecke …‹ Am Montagmorgen lässt er seinen Frust dann wieder an dem erstbesten Mitarbeiter aus, der ihm über den Weg läuft.«

Plötzlich miaute der Kater, der auf den Gang gekommen war und erwartungsvoll zu Alexandra aufsah.

»Nein, wir haben dich nicht vergessen«, versicherte sie ihm und ging in die Hocke, um ihn zu kraulen. »Der böse Mann von gegenüber hat uns nur gestört.«

»Ähm … du weißt, dass du ein Tier vor dir hast, aber keinen Dreijährigen, oder?«

Sie schenkte Tobias ein ironisches Lächeln. »Im Augenblick habe ich beides vor mir – hier ein Tier und da einen Dreijährigen.«

4. Kapitel

»Und was mache ich jetzt mit dir?«, fragte Alexandra den Kater, nachdem sich Tobias lachend in sein Zimmer verzogen hatte. Kater Brown hatte sich inzwischen hingelegt und auf den Rücken gedreht, damit Alexandra ihm den Bauch streicheln konnte. Eine Zeit lang tat sie ihm den Gefallen, doch als sie dann die Hand wegziehen wollte, schossen seine Vorderpfoten vor, legten sich sanft um ihr Handgelenk und dirigierten ihre Finger zurück zu seinem Bauch. Dabei schnurrte er genießerisch.

»Okay, aber im Gegensatz zu dir bin ich nicht nur zum Vergnügen hier«, sagte sie, traf jedoch mit ihrer Bemerkung auf taube Ohren. Der Kater räkelte sich auf dem kühlen Steinboden und konnte offenbar einfach nicht genug bekommen. Nach einer Weile setzte er sich auf und begann, sich zu putzen.

»Tja, sieht so aus, als hättest du erst mal genug Streicheleinheiten bekommen«, murmelte sie und richtete sich auf. Sofort sprang der Kater auf und folgte Alexandra in ihr Quartier. Dort machte er es sich auf der Fensterbank gemütlich und beobachtete jede ihrer Bewegungen.

Das Zimmer war wirklich winzig, die Einrichtung spartanisch: ein einfacher Stuhl, ein kleiner Schreibtisch, ein schlichtes Bett, in einer Ecke ein Schrank, in dem man seine nötigsten weltlichen Besitztümer unterbringen konnte. Auf der anderen Seite war eine schmale Kabine abgeteilt worden, die gerade eben Platz für eine Dusche, ein Waschbecken und eine Toilette bot. Das einzige Zugeständnis an die Tatsache, dass es sich bei dieser Kammer heute um ein Hotelzimmer handelte, war das Telefon auf dem Schreibtisch. Einen Fernseher oder einen Radiowecker suchte man vergeblich. An der Decke hing eine nackte Energiesparlampe.

»Eine Gefängniszelle ist vermutlich ähnlich komfortabel eingerichtet«, stellte Alexandra ernüchtert fest. Der kurze Blick in das Zimmer ihres Kollegen hatte sie erkennen lassen, dass es auch nicht besser ausgestattet war, sondern lediglich um gut die Hälfte größer.

Sie packte ihre Tasche aus und verstaute alles im Schrank. Immerhin ließ er sich abschließen, sodass sie dort auch ihren Laptop und andere Wertgegenstände unterbringen konnte, wenn es erforderlich sein sollte.

Kater Brown lag nach wie vor auf der Fensterbank und beobachtete Alexandra aufmerksam.

»Ist das hier sonst dein Zimmer?«, fragte sie. Der Kater sah sie mit großen grünen Augen an, ließ die flaumigen schwarzen Ohren spielen und fuhr sich mit der kleinen rosa Zunge über die Schnauze, als erwartete er von Alexandra irgendein Leckerli.

Plötzlich kam ihr ein beunruhigender Gedanke. Was, wenn dieses Hotel so authentisch ein Klosterleben simulierte, dass es zum Abendessen nur irgendeine wässrige Suppe mit einer kargen Gemüseeinlage gab? Alexandra hatte am Morgen zum letzten Mal etwas gegessen und nach der Irrfahrt durch die Eifel auf ein Mittagessen in einer Gaststätte verzichtet, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren. Die Vorstellung, nichts weiter als eine dünne Suppe zu essen zu bekommen, war äußerst unerfreulich.

Sie sah auf die Armbanduhr. Kurz vor halb drei. Vielleicht sollte sie sich gleich in Richtung Luxemburg auf den Weg machen und nach einem Supermarkt suchen, um sich für den Abend mit ein wenig Verpflegung einzudecken. »Und was fange ich solange mit dir an?«, fragte sie den Kater. »Soll ich dich hier allein lassen, oder kommst du mit nach draußen?« Sie ging zu ihm und warf an ihm vorbei einen Blick aus dem geöffneten Fenster, von dem aus sie freie Sicht auf das weitläufige grüne Tal im Hintergrund hatte, das im Sonnenschein erstrahlte. Gleich vor dem Fenster ging es einige Meter steil in die Tiefe, was Alexandra stutzig machte. Sie wusste zwar, dass Katzen ausgezeichnet springen konnten, aber diese Höhe erschien ihr doch etwas zu erheblich, um von einem Kater in einem einzigen Satz überwunden zu werden.