»Ich fürchte, ich kann dir momentan nicht ganz folgen.«
»Macht nichts, ich erkläre es dir. Wir waren doch letztes Jahr einmal zusammen mit Herkules bei seinem Züchter – diesem etwas kauzigen Grafen, oder Herzog, oder was auch immer der ist, auf diesem riesigen Landgut.«
Herkules? Züchter? Landgut? Mit einem Mal bin ich wie elektrisiert. Carolin muss einfach von Schloss Eschersbach reden. Tatsächlich war ich einmal mit Carolin und Marc dort zu Besuch. Es war das erste und letzte Mal, dass ich meine Familie wieder zu Gesicht bekommen habe, nachdem mich der alte von Eschersbach ins Tierheim abgeschoben hatte. Es war ein traumhafter Tag. Alle haben sich gefreut, mich wiederzusehen: meine Schwester Charlotte und Mama, Emilia, die Köchin, und natürlich Opili. Es schien mir, dass selbst von Eschersbach ein bisschen gerührt war. Wahrscheinlich hatte er es schon bitter bereut, mich so schlecht behandelt zu haben. Aber das Tollste von allem war fast, als Hund des Tierarztes auf dem Schloss aufzutauchen. Ich habe regelrecht gerochen, wie viel Respekt die anderen auf einmal vor mir hatten. Leider haben wir diesen Ausflug nie wiederholt, ich hätte riesige Lust dazu gehabt.
»Äh, du meinst den alten von Eschersbach?«
»Genau. Du betreust doch seine Dackelzucht, oder?«
»Ja, das hat schon mein Vater gemacht, und ich habe das übernommen. Aber was hat das mit dem Tussi-Club zu tun?«
»Wenn ich mich recht erinnere, gibt es auf dem Gut auch Pferde.«
»Richtig. Deswegen war von Eschersbach auch schwer begeistert, als ich Vaters Praxis übernommen habe. Schließlich war ich in München lange Assistent in der Pferdeklinik der Uni.«
»Ja, du bist ein ganz Toller. Aber darauf wollte ich gar nicht hinaus.«
Marc grinst, schnappt plötzlich nach Carolin und kippt sie in die Waagerechte. »So, wolltest du nicht? Na warte, bevor ich nicht einen Kuss bekomme, lasse ich dich nicht wieder los.«
Hey, Leute, nicht flirten, weitererzählen! Ich will jetzt unbedingt wissen, was Carolins Plan mit Schloss Eschersbach zu tun hat. Ob nun Marc auch ein klasse Pferdedoc ist oder nicht, tut doch hier gar nichts zur Sache!
Carolin windet sich lachend aus Marcs Griff. »Nee, nee, mein Lieber, erpressen ist nicht! Hör mir lieber weiter zu.«
Marc seufzt und nickt. »Hat von Eschersbach auch Ponys?«
»Ja, hat er. Beziehungsweise seine Schwiegertochter hat welche. Er war erst überhaupt nicht begeistert davon, aber mittlerweile stehen dort meines Wissens auch noch drei oder vier Isländer. Viel habe ich mit den Pferden aber nicht zu tun, die sind Gott sei Dank ziemlich gesund.«
»Meinst du, Luisa könnte mal mit ein paar Mädchen zum Reiten vorbeikommen?«
Eine echte Knaller-Idee! Und ich komme gleich mit! Großartig, Carolin! Du bist wirklich zu gebrauchen. Marc allerdings scheint mir nicht ganz so euphorisch. Er zuckt bloß mit den Schultern.
»Weiß nicht. Von Eschersbach ist da immer sehr eigen. Allerdings mag er mich wohl recht gerne. Ich kann ihn mal fragen. Aber was spricht eigentlich gegen einen normalen Reitstall?«
»Echt, Marc – du verstehst auch gar nichts von jungen Damen. Schon gar nicht von Tussis. Schloss Eschersbach ist doch eine sehr exklusive Location. Da werden die Mädchen schon aus purer Neugier nicht Nein sagen. Ich will nicht, dass Luisa noch einmal so eine Schlappe wie mit der Pyjama-Party erlebt.«
»Nein, das will ich auch nicht«, erwidert Marc sehr knapp. Carolin schaut ihn erstaunt an.
»Sag mal, was ist eigentlich mit dir los? Nervt es dich, wenn ich solche Vorschläge mache? Findest du, dass mich das nichts angeht? Oder ist es was anderes?«
»Überhaupt nicht. Im Gegenteil, ich freue mich, dass du dir Gedanken um Luisa machst.«
»Aber was ist es dann? Stress mit Sabine?«
Sabine? Da klingelt doch etwas bei mir. Ich muss sofort an Marcs Telefongespräch im Park denken.
»Quatsch, wie kommst du denn darauf? Es ist alles in bester Ordnung.«
In bester Ordnung? Wenn das mal stimmt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Marc mit der Sabine, die Luisas Mutter ist, telefoniert hat und dass sich die beiden gestritten haben. Also, entweder ich habe das im Park völlig falsch verstanden – oder es handelt sich hierbei um eine faustdicke Lüge. Ich tippe auf Letzteres, denn auf einmal beginnt Marc, nach Stress zu riechen. Und ein kleines bisschen nach Angst. Auch Carolin scheint das zu bemerken, obwohl sie wie alle Menschen ziemlich taub auf der Nase sein dürfte. Sie zieht die Augenbrauen nach oben und mustert Marc eindringlich. Er weicht ihrem Blick aus.
»Also, wie dem auch sei – vielleicht ist deine Idee wirklich gut. Ich werde morgen bei von Eschersbach anrufen und einen Termin machen. Muss sowieso mal wieder nach den Dackeln gucken.«
Ohne weiter nachzudenken, fange ich an zu bellen. Marc und Carolin schauen sich überrascht an – und lachen gleichzeitig los. Dann bückt sich Carolin und streichelt mir über den Kopf.
»Hast du uns etwa verstanden?«
»Ich glaube schon. Keine Sorge, Herkules. Wenn es so weit ist, nehme ich dich mit. Und jetzt habe ich auch einen Wunsch.«
Ach ja? Carolin und ich schauen Marc interessiert an.
»Ich möchte gerne mit meiner Liebsten ein romantisches Abendessen verbringen. Meinst du, Nina könnte spontan babysitten?«
Carolin nickt. »Klar, ich rufe sie gleich mal an. Auf ein Dinner zu zweit hätte ich auch Lust. Schade, dass Herkules uns im Zweifel nicht anrufen kann. Sonst wäre er bestimmt der perfekte Babysitter für Luisa.«
Marc guckt mich an und grinst. »Tja, Herkules ist schon ziemlich gut – aber er ist kein Superdackel.«
Bitte? Bodenlose Frechheit.
Als Nina zwei Stunden später tatsächlich im Hause Wagner-Neumann aufkreuzt, bringt sie Herrn Beck mit. Luisa ist begeistert, Herr Beck wahrscheinlich weniger.
»Oh, wie süß! Eine Katze!«
»Genau genommen ein Kater«, erklärt ihr Nina und gibt ihr Herrn Beck auf den Arm. Hoffentlich kriegt unser Kinderfreund da nicht gleich einen Herzinfarkt! Aber zu meiner großen Überraschung lässt sich Beck offenbar ganz entspannt von Luisa kraulen und fängt sogar an zu schnurren. Ganz neue Töne – aber ich freue mich natürlich, dass die beiden sich offenbar auf Anhieb verstehen.
»Wie heißt er denn?«, will Luisa wissen.
»Herr Beck. Er ist schon ein etwas älterer Herr, ich habe ihn gewissermaßen geerbt.«
Luisa lächelt und wiegt ihn hin und her, Beck schnurrt noch lauter.
»Heuchler!«, zische ich ihm zu, aber er ignoriert mich. Stattdessen schmiegt er sich sogar noch ein bisschen näher an Luisa.
»Ich glaube, er mag Kinder.«
»Bestimmt!«
Gut, dass ich nicht sprechen kann.
»Dein Vater hat gesagt, dass du noch eine halbe Stunde aufbleiben darfst. Soll ich dir etwas vorlesen?«
Luisa schüttelt den Kopf.
»Nein danke, lesen kann ich ja schon selbst, das mache ich nachher im Bett. Lieber spiele ich noch etwas mit Herkules und Herrn Beck. Oder vertragen sich die beiden nicht? Ich meine, so von wegen Hund und Katze?«
»Im Gegenteil, die beiden sind Kumpels. Sozusagen beste Freunde«, beruhigt sie Nina. Luisa seufzt, setzt Herrn Beck neben mich auf den Boden und sich selbst gleich dazu.