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»Grüß dich, Carolin! Du, ich muss dir unbedingt etwas erzählen.«

Na, endlich rückt sie mit der Sprache raus! Es geht doch bestimmt um Sabine.

»Muss das jetzt sein? Ich habe so viel zu tun und habe schon den ganzen Vormittag in Marcs Praxis verplempert.«

»Echt? Seit wann bist du denn Sprechstundenhilfe?«

»Gar nicht. Aber Frau Warnke, seine Assistentin, ist einfach nicht gekommen, und gleich heute früh gab es einen Notfall. Da brauchte Marc dringend etwas Hilfe.«

»Wie nett von dir. Aber es ist trotzdem wichtig. Magst du nicht kurz hochkommen? Falls du noch nichts gegessen hast, gibt’s bei mir noch Mozzarella mit Tomate. Was meinst du?«

Carolin lächelt.

»Das klingt natürlich gut. Okay, ich komme gleich rauf. Muss nur noch eine Sache zu Ende machen.«

»Diese Sabine war in Marcs Wohnung? Und ich habe nichts davon mitbekommen? Unglaublich.« Herr Beck ist fassungslos. Wir liegen unter dem Esstisch in Ninas Küche, und ich gebe Beck eine kurze Zusammenfassung der letzten 24 Stunden.

»Genau so war es. Und was noch unglaublicher ist: Sie dachte, Nina sei Carolin. Und Nina hat nichts dazu gesagt, sondern sie einfach in dem Glauben gelassen. Heute Morgen ist Sabine nochmal aufgekreuzt und dachte dann, die echte Carolin sei Frau Warnke. Deshalb hat sie Marc geküsst, obwohl Carolin daneben stand.«

Beck schüttelt den Kopf.

»Kleiner, jetzt geht die Phantasie mit dir durch. Das bildest du dir eindeutig ein. Ich müsste doch schon völlig senil sein, wenn ich von dem wilden Durcheinander nichts mitbekommen hätte. Das macht wahrscheinlich deine ganze Aufregung um diese Cherie. Da haben dir die Hormone schon völlig den Kopf vernebelt. Nee, nee, mein Lieber, diese wüste Geschichte kauf ich dir nicht ab.«

Hormone? Was meint Herr Beck denn damit? Ob das so was wie dieser Alkohol ist, den sich die Menschen bei jeder Gelegenheit reinkippen und mit dem sie nicht klar denken können? Aber ich habe nichts dergleichen zu mir genommen, eingebildet habe ich mir das ganze Tohuwabohu mit Sicherheit nicht. Außerdem kann ich ganz entspannt bleiben, denn ich gehe mal davon aus, dass die dringende Geschichte, die Nina gleich loswerden will, im Wesentlichen mit meiner übereinstimmt. Und dann wird Beck ganz schön dumm aus der Wäsche gucken. Was schläft der auch an entscheidender Stelle ein? Selbst schuld! Ich krieche unter dem Tisch hervor. Wenn es gleich losgeht, will ich schließlich alles mitbekommen. Beck hingegen bleibt liegen. Er scheint sich seiner Sache sehr sicher zu sein.

Nina stellt zwei Gläser auf den Tisch und gießt sie voll. Alkohol? Hormone? Egal. Hauptsache, sie fängt endlich mal an zu erzählen.

»Also, du wirst nicht glauben, was gestern passiert ist, als ich bei euch gebabysittet habe.«

»Nun mach’s mal nicht so spannend. Es ist bestimmt nicht so unglaublich wie die Geschichte, die ich dir dann noch erzählen werde.«

»Das werden wir sehen! Ich habe jedenfalls einen ziemlichen Knaller: Sabine Wagner war gestern Abend da!«

»Was?! Die war gestern schon da?«

Nina guckt irritiert.

»Wieso schon da? Wusstest du, dass die in Hamburg ist? Ich dachte, die wohnt in München.«

»Erklär ich dir später. Erzähl erst mal weiter – sie war also gestern Abend da. Und was wollte sie?«

»Mit Marc sprechen. Ehrlich gesagt, dachte sie, ich sei du. Tja, und dann habe ich sie reingelassen und mich mit ihr unterhalten. Wollte mal hören, was sie so zu sagen hat.«

»Du hast WAS?!«

»Ich habe mich mit ihr unterhalten.«

»Und dabei so getan, als seist du ich? Bist du eigentlich völlig verrückt geworden?« Carolin ist aufgesprungen. Herr Beck auch. Na, wer sagt’s denn? Wenn ich in der Lage wäre, hämisch zu grinsen – jetzt würde ich es tun.

»Na ja, sie ist mehr oder weniger gleich zur Sache gekommen, ich konnte sie kaum bremsen und das Missverständnis aufklären.«

»Das glaubst du doch wohl selbst nicht! Du wolltest sie aushorchen!«

»Also bitte, warum sollte ich denn so etwas tun, das ist doch völliger Quatsch.«

»Ich kann dir genau sagen, warum: Weil du Marc nicht ausstehen kannst und du gehofft hast, irgendetwas Negatives über ihn zu erfahren.«

Jetzt springt auch Nina auf.

»Wie kannst du nur so etwas von mir denken?«

»Entschuldige, das liegt doch wohl nahe. Jeder normale Mensch hätte Sabine gleich gesagt, dass sie ein anderes Mal wiederkommen soll. Ich bleibe dabei: Seitdem das mit dir und Marc nicht geklappt hat, ist er für dich ein rotes Tuch. Und wenn Sabine irgendwelche Schauermärchen über ihn erzählt hat, war es dir bestimmt sehr recht. Du warst doch auch von Anfang an dagegen, dass ich mit Marc zusammenziehe. Allein dieser gruselige Beziehungsratgeber, den du mir geschenkt hast – negativer geht’s ja kaum.«

Jetzt sagt Nina gar nichts mehr, sondern setzt sich wieder auf ihren Stuhl. Carolin macht das Gleiche, die beiden Frauen starren sich an. Herr Beck und ich sitzen nebeneinander und warten gespannt, was nun passieren wird. Schließlich räuspert sich Nina.

»Es tut mir leid, Carolin. Du hast wahrscheinlich Recht. Unsinn – du hast Recht! Marc ist wirklich ein rotes Tuch für mich, und die Tatsache, dass ihr ein Paar seid und jetzt sogar zusammenwohnt, ist schwer zu verdauen. Aber du bist meine beste Freundin, und ich bemühe mich wirklich, dir dein Glück zu gönnen. Meist klappt das gut, manchmal leider nicht. Tja, und gestern Abend war wohl so ein Fall von manchmal. Nimmst du eine Entschuldigung an?«

Carolin nickt.

»Ich kann verstehen, dass die Situation für dich nicht einfach ist. Aber ich hoffe trotzdem, dass du und Marc euch zusammenraufen könnt. Ihr seid mir beide wichtig, es wäre schlimm, wenn ihr euch dauerhaft nicht versteht. Also, als Wiedergutmachung wünsche ich mir, dass du es nochmal im Guten mit ihm versuchst.«

Nina hebt die rechte Hand.

»Versprochen! Aber was wolltest du mir denn erzählen?«

»Sabine war heute Vormittag in der Praxis. Sie hat sich sehr abfällig über mich geäußert, hat Marc angegraben und entschwand mit einem Küsschen für ihn, obwohl ich direkt daneben stand. Jetzt erscheint mir ihr Auftritt allerdings in einem anderen Licht. Genau genommen hat sie sich ja eher abfällig über dich geäußert.« Carolin muss grinsen, und nun fängt auch Nina an zu kichern. Gott sei Dank – alles wieder gut zwischen den Damen!

»Sie sagte, ich – also du – sei eine Frau ohne Format.« Beide prusten laut los.

»Hat sie gedacht, du seist die Sprechstundenhilfe?«

»Offensichtlich. So muss es wohl gewesen sein. Der arme Marc.«

»Wieso?«

»Ich habe ihn anschließend ganz schön zusammengefaltet. Weil ich mich natürlich gefragt habe, was in aller Welt er Sabine über mich erzählt hat. Und weil er auch nicht sofort zu meiner Verteidigung geschritten ist. Na ja, er war natürlich von ihrem Auftritt ebenso überrascht wie ich, aber in meiner Wut hat mich das überhaupt nicht interessiert. Vielleicht war ich doch ein bisschen ungerecht zu ihm.«

»Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht.«

Carolin rollt mit den Augen.

»Was soll das denn nun wieder heißen? Du hast doch gerade versprochen, nicht mehr zu sticheln. Und genau genommen geht ein Teil dieses Streits auch auf dein Konto. Wenn du dich nicht als meine Wenigkeit ausgegeben hättest, wäre es zu der Szene heute gar nicht erst gekommen.«

»Ja doch, du hast ja Recht. Allerdings darf ich wohl schon sagen, wenn ich finde, dass der gute Marc sich etwas ungeschickt verhält. Sabine war nämlich deswegen so spontan bei euch, weil sie sich mit Marc gestritten hat und nun in Ruhe mit ihm reden wollte. Und sie haben sich gestritten, weil Marc ihr überhaupt nicht erzählt hat, dass du bei ihm eingezogen bist. Sie hat es erst von Luisa erfahren. Was sie als Mutter natürlich ziemlich genervt hat. Schließlich will man doch wissen, mit wem das eigene Kind zusammenlebt. Das habe selbst ich als bekennende Nicht-Mutter verstanden.«