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»Bist du schon einmal geritten?« Lena, die anscheinend die Anführerin des Tussi-Clubs ist, hat bereits Reithose und Reitstiefel an und steht vor Luisa, die sich noch umziehen muss.

»Ja. Bei meiner Mama in München gab es einen Reitstall, der hatte ganz tolle Pferde. Ich hatte sogar ein Pflegepony, das ich jeden Tag reiten durfte. Es hieß Sally.«

Lena zieht eine Augenbraue hoch. Nach allem, was ich über menschliche Mimik weiß, nicht unbedingt ein Ausdruck von Freundschaft und Wertschätzung.

»So. Sally. Dann bin ich mal gespannt, wie gut du reiten kannst. Ich reite schon seit drei Jahren. Und Carla, Emmi und Greta schon fast genauso lange. Deswegen konnte ich dich natürlich auch nicht zu meinem Pony-Geburtstag einladen. Ich wusste ja nicht, dass du reiten kannst.«

Hättest sie ja fragen können, du kleine Wichtigtuerin. Ob sich Luisa freut, wenn ich Lena mal ein bisschen zwicke? Vielleicht in den Po? Dann kann sie nämlich garantiert nicht mehr reiten. Wie gerne würde ich genau das jetzt tun. Aber ein Blick auf Luisa hält mich davon ab. Denn sie sieht nicht so aus, als sei sie sauer auf Lena. Eher so, als wolle sie ihr irgendwie gefallen. Traurig, aber wahr: Die Hierarchie in diesem Mädchenrudel scheint klar zu sein, und wenn Luisa da mitmachen will, muss sie erst einmal kleine Brötchen backen.

»Seid ihr fertig umgezogen und startklar für eure erste Reitstunde?« Corinna kommt herein, auch sie hat schon Reitsachen an und riecht nach Pferd. Puh, wenn Luisa nun wirklich zur Vollblutreiterin wird, muss sich meine Nase wohl auf einiges einstellen. Andererseits – wäre ich zum Jagdhund ausgebildet worden, dann würde ich bei diesem Geruch bestimmt an eine Fuchsjagd denken und in wilde Begeisterung ausbrechen.

Kurz darauf finde ich mich im Pferdestall wieder, wo die Mädchen ihre Ponys putzen und satteln. Als Welpe war ich hier nie, also ist es auch für mich ganz interessant. Luisa hat ein kleines weißes Pony von Corinna bekommen, es heißt Lucky, und soweit ich das beurteilen kann, sieht es sehr sanftmütig aus.

»Hey, Kollege«, versuche ich, Lucky in ein Gespräch zu verwickeln, »ich hoffe, du passt gut auf Luisa auf. Sie ist wirklich ein sehr nettes Mädchen.«

Aber Lucky starrt mich bloß mit seinen großen Ponyaugen an und kaut weiter auf dem Heuhalm, der noch aus seinem Maul hängt. Na gut, dann eben kein Smalltalk. Wie meine Schwester schon so treffend anmerkte: Für die Jagd sind Pferde toll, ansonsten langweilig.

»Mal kurz herhören!« Corinna von Eschersbach steht in der Stallgasse und klatscht in die Hände. »Ich möchte euch zwei Jungs vorstellen, die euch in den nächsten beiden Tagen ein bisschen helfen werden. Das hier sind Lasse und Max.«

Neben ihr tauchen zwei Jungs auf, die etwas größer als Luisa und ihre Freundinnen sind. Der eine ist kräftig, hat ganz helle Haare und lauter Punkte auf der Nase, der andere hat dunkle Locken und ist sehr dünn. Beide grinsen zu den Mädchen herüber, die wiederum die Jungs neugierig über die Rücken der Ponys mustern.

»Lasse und Max kennen den Stall und die Pferde ganz genau und sind selbst tolle Reiter«, fährt Corinna fort, »also, wann immer ihr eine Frage zu den Ponys habt oder einen Tipp braucht, seid ihr bei den beiden bestens aufgehoben.«

Lasse kommt einen Schritt nach vorne. »Ja, Mädels, wir helfen euch gerne. Sagt einfach Bescheid.«

»Ich wüsste nicht, was ich von euch über Pferde lernen könnte«, kommt es in diesem Moment in einem sehr hochnäsigen Ton aus der Box, in dem ein etwas größeres schwarzes Pony steht. Lena, natürlich! »Ich reite schon seit drei Jahren, mein Papa sagt, dass ich eine exzellente Reiterin bin. Vor den Sommerferien gab es in meinem Reitstall ein Turnier, und in meiner Altersgruppe habe selbstverständlich ich gewonnen.«

Lasse und seinem Kumpel bleibt der Mund offen stehen, und auch Corinna von Eschersbach guckt sehr erstaunt. Lena ist das egal, unbeeindruckt erzählt sie weiter von ihren Erfolgen in der Welt der Pferde und Ponys.

»Das Adventsreiten habe ich übrigens auch gewonnen, und demnächst bekomme ich sowieso ein eigenes Pony, damit ich regelmäßig auf Turnieren reiten kann. Also, vielleicht fragt ihr eher mich, wenn ihr etwas wissen wollt.«

Max flüstert Lasse etwas ins Ohr, was wie blöde Pute klingt, und ich muss ihm Recht geben. Aber so ist es vielleicht immer mit Rudelführern – Hauptsache, eine große Klappe und gleich mal klarmachen, wer Chef ist. Sollte ich mir da etwas abgucken? Andererseits – welches Rudel könnte ich führen? Dass sich Marc und Caro demnächst von mir, dem kleinen Dackelmix, erzählen lassen, wo die Reise hingeht, ist doch mehr als unwahrscheinlich. Ich kann also ruhig ein netter Kerl bleiben.

Nach Reitstunde und Abendessen verziehen sich die fünf Mädchen auf ihr Zimmer. Corinna hat erlaubt, dass ich auch dort schlafen darf, also klebe ich förmlich an Luisa. Schließlich hat sie gesagt, dass ich sie mutiger mache – und Mut kann sie meiner Meinung nach in dieser Gruppe wirklich gut gebrauchen. Schon wieder führt Lena das große Wort, die anderen lauschen andächtig, hin und wieder gibt ein Mädchen ein Stichwort, auf das Lena dann eine neue Geschichte erzählen kann. Nur Luisa bleibt die ganze Zeit über stumm, und ich kann mir kaum vorstellen, dass es für sie tatsächlich schön ist, das Wochenende mit dem Tussi-Club zu verbringen.

Als es draußen schon fast dunkel ist, kommt Corinna noch einmal ins Zimmer. »Es ist jetzt kurz nach neun, und morgen wartet wieder ein aufregender Tag auf euch. Ich habe mir heute genau angesehen, wie ihr reitet, und muss sagen, ihr macht eure Sache alle sehr gut. Wenn das Wetter also morgen so gut ist wie heute, will ich mit euch ausreiten. Deswegen macht bitte gleich das Licht aus und schlaft. Gute Nacht!«

»Gute Nacht!«, schallt es im Chor zurück, dann macht Luisa die große Deckenlampe aus, so dass es mit einem Mal ziemlich schummrig im Zimmer wird. Luisa legt sich in ihr Bett, ich hüpfe hinterher und lege mich wieder ans Fußende. Herrlich – von mir aus bräuchte ich zu Hause gar kein Körbchen, sondern würde dauerhaft ins Kinderzimmer ziehen.

Luisa schläft ziemlich schnell ein, die anderen Mädchen flüstern noch ein bisschen miteinander, dann wird es auch bei ihnen still. Ich denke noch einen Moment über den Nachmittag im Stall nach. Ob Luisa mich irgendwann mal auf eine Fuchsjagd mitnehmen könnte? Ausritt klingt doch schon mal vielversprechend, also ein bisschen wie Jagd ohne Jagd. Da möchte ich auf alle Fälle mitkommen. Vielleicht freunde ich mich dann auch noch mit dem Kollegen Lucky an. Mit dem Gedanken an wundervolle Gespräche zwischen Hund und Pferd schlafe ich ein.

Ein knirschendes Geräusch weckt mich wieder. Schlaftrunken rappele ich mich hoch und versuche zu orten, aus welcher Ecke des Zimmers das Knirschen kommen könnte. Das ist in einem dunklen, unbekannten Raum gar nicht so einfach, aber schließlich bin ich mir sicher: Das Geräusch kommt von der Seite, an der die Fenster sind. Es wird lauter, jetzt ist es ein richtiges Hämmern, gefolgt von einem Heulen. Greta wird wach und setzt sich in ihrem Bett auf, dann auch Lena und Luisa.

»Was ist das?«, flüstert Greta in die Dunkelheit.

»Weiß nicht«, flüstert Luisa zurück.

»Ich glaube, es kommt vom Fenster«, stellt Lena fest. »Greta, geh doch mal gucken.«

»Nee, ich trau mich nicht. Das klingt so gruselig!«

In diesem Moment wird das Heulen lauter, und dann taucht hinter der Fensterscheibe etwas auf, was auch einen tapferen Dackel wie mich verschreckt: ein Totenkopf! Genauer gesagt, ein Totenkopf mit einer dunklen Kapuze um den Schädel und einer riesigen, dreizackigen Gabel in der Hand. Der Totenkopf heult jetzt ganz laut, zudem schlägt er die Gabel gegen das Fenster. Von dem Lärm sind nun auch die anderen Mädchen wach geworden und sitzen verängstigt in ihren Betten.