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»Was mache ich denn jetzt mit dir, Carl-Leopold? Den Ausritt hast du verpasst, und ich muss kurz in die Stadt. Wer auch immer der ungebetene Besucher war, ich kann mich momentan nicht damit beschäftigen, um den müssen wir uns also später kümmern. Denkst du, du kommst alleine klar? Du kennst dich doch hier aus.«

Ich wedele mit dem Schwanz. Klar komme ich klar. Ich brauche doch kein Kindermädchen. Und wenn ich schon keine Kaninchen jagen kann, will ich wenigstens meine Zeit auf dem Schloss genießen. Vielleicht hat Charlotte Lust, etwas zu unternehmen. Gero bückt sich kurz und klopft mir auf den Rücken.

»Braver Hund. Bis später.«

Als Gero weg ist, laufe ich zur anderen Seite des Schlosses. Ich habe Glück: Die Küchentür steht offen, und ich kann sogar Emilias Stimme hören. Schnell hüpfe ich die Stufen zum Eingang hoch, ihrer Stimme und einem sehr verführerischen Geruch folgend.

»Hoppla, Carl-Leopold – was machst du denn hier?« Emilia ist überrascht, mich zu sehen, ihrem Lächeln nach zu urteilen, freut sie sich aber. Ich springe an ihr hoch und mache Männchen. »Ja, bist ein ganz Lieber. Warte mal, ich habe gerade ein leckeres Hühnerfrikassee für den alten Herrn zubereitet. Es ist noch nicht so stark gewürzt, du kannst es gerne mal probieren.«

Sie dreht sich um, nimmt eine Schüssel und schöpft etwas von dem Inhalt des großen Topfes, der auf dem Herd steht, hinein. Es riecht so lecker, dass mir sofort das Wasser in der Schnauze zusammenläuft.

»Hier, guten Appetit! Es müsste kalt genug sein, sonst musst du eben noch ein bisschen warten.«

Vorsichtig nehme ich den ersten Brocken ins Maul – herrlich! Und auch nicht zu heiß. Schnell schlinge ich den Rest hinterher, fahre mir mit der Zunge über die Schnauze und blicke Emilia noch einmal erwartungsvoll an.

»Was denn? Schon fertig? Na gut, einen kleinen Nachschlag bekommst du noch, aber dann ist Schluss. Sonst schimpft der Alte, wenn er das merkt!«

Sie gibt mir noch eine Portion. Ich bin im Hundehimmel, eindeutig! Seltsam, dass Charlotte immer noch so schlank ist. Muss am Trainingsprogramm vom Alten liegen.

»Jetzt fällt es mir auch wieder ein: die Lütte vom Tierarzt verbringt das Wochenende mit den Ponys der jungen Gräfin, richtig? Oh, da war der alte von Eschersbach überhaupt nicht begeistert von. Aber Corinna plant schon so lange einen Ferienhof für Kinder, da ist das doch eine gute Gelegenheit, mal zu üben. Ist schön, dass du mitgekommen bist.« Sie kniet sich neben mich und streichelt mich. Gerne würde ich schnurren. Ob mir Herr Beck irgendwann beibringen kann, wie er das immer hinkriegt?

»Hallo, Carli – oder soll ich Herkules sagen?«

Charlotte ist in die Küche gekommen und setzt sich neben mich.

»Hallo, Charlotte. Gerne Herkules. Ich habe mich schon so daran gewöhnt, dass mir Carl-Leopold mittlerweile selbst komisch vorkommt.«

»Ich höre, du musst dich mit den langweiligen Ponys beschäftigen? Du Armer.«

»Ach, ich freue mich eher, dass ich schon wieder hier bin. Außerdem ist es überhaupt nicht langweilig – im Gegenteiclass="underline" Gestern Nacht sind wir überfallen worden. Von einem Monster! «

Charlotte reißt die Augen auf.

»Von einem Monster?«

»Genau! Es tauchte nachts vor dem Fenster auf und bedrohte die Mädchen. Ich habe es verbellt!«

Das stimmt zwar nicht so ganz, aber es ist auch nicht wirklich gelogen.

»Nein! Das gibt’s doch nicht! Von einem Monster habe ich hier noch nie gehört. Konntest du es stellen?«

Ich schüttle den Kopf.

»Nein, leider nicht. Aber ich habe heute zusammen mit Gero nach ihm gesucht. Und habe dabei eine sensationelle Entdeckung gemacht.«

»Nämlich?«

»Das Monster ist ein Mensch. Ich habe es gerochen.«

»Ach. Und was willst du nun unternehmen?«

»So genau weiß ich das auch nicht. Was würdest du denn tun?«

»Also, ich würde schon versuchen, den Menschen irgendwie zu schnappen. Sonst überfällt der die Mädchen vielleicht ein zweites Mal. Immerhin läuft er ja noch frei herum.«

Wahrscheinlich hat Charlotte Recht. Aber wie könnte man das anstellen? Falls das vermeintliche Gespenst heute Nacht wieder auftaucht, müsste ich schnell nach draußen rennen und es schnappen. Doch wenn die Mädchen wieder schreien und es dann so schnell weg ist wie gestern, kann ich das kaum schaffen. Andererseits kann ich auch nicht von vornherein draußen warten, ob es kommt. Denn dann kann ich nicht drinnen bei Luisa bleiben. Die aber wird heute auf keinen Fall ohne mich schlafen wollen. Und falls es doch kein Mensch, sondern ein Monster ist, muss ich die Mädchen beschützen können. Wie ich es auch drehe und wende: Ich müsste schon an zwei Orten gleichzeitig sein. Und das ist unmöglich. Es sei denn …

»Alles klar, sie schlafen fest. Kannst reinkommen.«

Ich hüpfe aus Luisas Bett und mache den Platz für Charlotte frei, die gerade ins Zimmer geschlichen gekommen ist. Sie springt hoch und kuschelt sich ans Kopfende, genau so, wie ich dort gerade noch gelegen habe. Das war zwar ziemlich warm, hat Luisa aber wirklich beruhigt. Sollte sie nun wach werden, wird sie den Unterschied nicht merken und wieder einschlafen. Charlotte sieht mir ziemlich ähnlich, und im Dunkeln sind wir bestimmt nicht voneinander zu unterscheiden.

»Wie komme ich denn jetzt nach draußen? Die Eingangstür hier ist doch bestimmt verschlossen.«

»Du musst dich durch die Katzenklappe zwängen. Die ist ein bisschen eng, aber das schaffst du. Sie ist direkt neben dem Eingang am Hauptportal. Findest du das?«

»Ja, ich glaube schon.«

Ich flitze los. Im Dunkeln ist es zwar nicht so einfach, sich zurechtzufinden, aber nachdem sich meine Augen daran gewöhnt haben, bin ich schnell am Ziel. Da ist die Klappe: Ich halte die Luft an und ziehe den Bauch ein – uff, vielleicht habe ich wirklich zugenommen – aber dann habe ich mich ins Freie gedrückt. Jetzt noch zweimal um die Ecke – geschafft! Ich stehe unter dem Fenster zum Schlafzimmer.

Eine ganze Weile passiert erst einmaclass="underline" nix. Ich lege mich hin. Eigentlich bin ich unglaublich müde, vielleicht sollte ich ein Nickerchen machen. Wenn das Monster auftaucht, werde ich bestimmt von allein wach. Andererseits: Was, wenn nicht? Dann würde ich den Angriff verpassen, und der ganze tolle Plan mit Charlotte wäre vergebens. Nein, ich bleibe lieber wach. Zumindest versuche ich es.

Kurz bevor mir doch die Augen zufallen, passiert es endlich: Ich höre etwas hinter dem alten Schuppen rumpeln. Irgendjemand hat die Tür geöffnet. Schritte – dann sehe ich zwei Gestalten mit Leiter und Mistgabel auf das Schloss zuhuschen. Und ich habe richtig geschnuppert: Die Umrisse sind eindeutig menschlich, obwohl beide Gestalten weite Umhänge mit Kapuzen tragen. Die Bewegungen kommen mir bekannt vor, als hätte ich sie schon einmal gesehen.

Die beiden nähern sich, ich drücke mich in den Schatten der Hauswand. Jetzt lehnt der eine die Leiter ans Fenster, und mit einem Mal scheint ihm der Mond, gespiegelt durch das Fenster, genau ins Gesicht. Wie gruselig! Es ist der Totenkopf! Ich reiße mich zusammen, um nicht wieder zu kläffen. Für dieses Aussehen muss es eine ganz einfache Erklärung geben, denn Menschen sehen im Normalfall nicht so aus, und dieser Kollege riecht eindeutig wie ein normaler Mensch. Kein Grund zur Panik, Herkules! Aber mulmig ist mir trotzdem.

Totenkopf steigt auf die Leiter, der andere reicht ihm die Mistgabel – und nun beginnt das gleiche Spektakel wie gestern Abend, nur dass ich diesmal auf der anderen Seite des Fensters stehe. Erst kratzt Totenkopf mit der Gabel ein wenig an der Fensterscheibe, dann fängt er an zu heulen. Das ist mein Einsatz! Ich komme aus der Deckung, mache einen Satz auf die beiden Unholde zu und schnappe nach dem Erstbesten, was mir vor den Fang kommt. Offenbar eine menschliche Wade, denn jetzt heult nicht nur der Totenkopf, sondern auch sein Kumpan.