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»Och, bei Marc war sie doch damals alles andere als frostig. «

»Ich weiß. Und ich glaube, das hat sie ihm bis heute nicht verziehen. Dass er sie aufgetaut hat.«

Daniel hebt die Hände. »Also, da halte ich mich raus. Ich bin mit meiner eigenen schwierigen Freundin schon völlig ausgelastet.«

»Echt? So schlimm?«

»Na ja. Einfach ist Aurora nicht.«

Beide lachen.

»Was hältst du denn davon, heute Abend mal mit einer pflegeleichten Frau ein Bierchen trinken zu gehen?«

»Eine Superidee. Bloß – wo soll ich die so schnell kennenlernen? Ich meine, ich muss hier noch arbeiten, und dann …«

»He!« Caro knufft Daniel in die Seite. »Nun mal nicht frech werden! Also, wie schaut es aus?«

»Heute Abend? Gerne. Wo?«

»Ich überlege mir noch was. Jetzt fahr ich erst mal los, zwei Geigen ausliefern, und anschließend nach Hause. Bei dem schönen Wetter hat sich Herkules einen etwas längeren Spaziergang verdient. Ich melde mich dann später bei dir.«

Es ist perfekt! Die Alster glitzert in der Nachmittagssonne, Carolin ist gut gelaunt, und endlich laufe ich mit ihr wieder eine richtig lange Runde. Klar, im Park hinter der Werkstatt geht sie oft mit mir spazieren, aber das ist natürlich nicht das Gleiche. Dort ist alles viel kleiner, und außerdem kenne ich den Park mittlerweile in- und auswendig.

Der Ausflug an die Alster hat allerdings noch einen anderen unschlagbaren Vorteiclass="underline" Wenn es irgendwo die Chance gibt, Cherie zu begegnen, dann hier. Und dann könnte ich gleich mal mit der Zeugenbefragung beginnen. Am besten lotse ich Carolin zur Hundewiese, da könnten wir Glück haben.

Aber sosehr ich an der Leine auch in Richtung Wiese zerre, Carolin will sich erst mal ein Eis holen. Na gut, wenn es denn unbedingt sein muss! Gelangweilt warte ich, dass der Eismann ihr das Hörnchen in die Hand drückt. So, nun aber los! Ich drehe mich um, will losrennen, und stolpere direkt in: Cherie!

»Hallo, Cherie! Das ist ja ein Zufall!«

Cherie legt den Kopf schief und mustert mich. »Findest du? Es ist schönes Wetter, es ist heiß – da ist doch der Weg zur Eisdiele an der Alster naheliegend. Jedenfalls, wenn man hier wohnt und sowieso mit dem Hund rausmuss.«

Hach, messerscharf, der Verstand dieser Frau. Sie ist eben nicht nur schön, sie ist auch noch schlau.

»Okay, du hast Recht. Vermutlich kann man heute noch viele Menschen und Hunde hier treffen, die man kennt. Aber gut, dass ich dich sehe. Ich wollte dich sowieso etwas fragen.«

»Dann schieß los. Die Gelegenheit ist günstig: Unsere beiden Frauchen haben sich gerade verquatscht.«

So ist es: Carolin und Claudia Serwe stehen ganz entspannt mit ihrem Eis in der Hand da und plaudern miteinander. Also, los geht’s mit meiner Zeugenbefragung: »Sag mal, der Typ, der dich umgefahren hat: Ist dir an dem irgendwas aufgefallen?«

Cherie schüttelt den Kopf. »Nein, dafür ging es viel zu schnell.«

Hm, das ist natürlich nicht besonders ergiebig. Aber – nicht so schnell aufgeben, Herkules!

»Denk doch noch mal nach. Vielleicht irgendeine Kleinigkeit? Jedes Detail ist wichtig.«

»Wieso willst du denn das noch wissen? Der Typ ist doch sowieso über alle Berge.«

Ich ignoriere diesen völlig berechtigten Einwand. »Bitte, Cherie, denk nach!«

»Okay. Mal sehen. Also: Er hatte eine große Tasche mit Riemen über seiner Schulter, die Tasche selbst hing hinten auf seinem Rücken. Und ich glaube, die war schwarz.«

»Das ist doch schon mal nicht schlecht.«

»Ich habe auch kurz seine Stimme gehört – er hat Hoppla gerufen, als er mich fast überfahren hat. Die klang jung, ziemlich jung. Ein junger Mann, kein alter.«

»Super, das ist gut!«

»Und dann«, Cherie scheint in ihrem Gedächtnis zu kramen, »dann wehte noch ein Geruch hinter ihm her. Er roch irgendwie … irgendwie nach … Kaugummi oder so was.«

»Kaugummi?«

»Nein! Jetzt hab ich’s: Er roch nach Pfefferminz. Genau. Er roch nach Pfefferminz. Das war’s!«

Fahrradfahrer. Jung. Große Tasche. Pfefferminz. Hier in der Gegend unterwegs. Langsam beginnt es in meinem Kopf zu rattern. Langsam, aber unaufhörlich.

ZWEIUNDZWANZIG

Dieser Schrank muss magische Kräfte besitzen. Denn er hat eindeutig Macht über Menschen. Leider nutzt er diese Macht nicht, um Gutes zu bewirken. Im Gegenteiclass="underline" Schon zum zweiten Mal löst der Kleiderschrank einen handfesten Streit zwischen Carolin und Marc aus. Wie macht er das bloß?

Ich sitze neben dem Türrahmen zum Schlafzimmer und versuche zu verstehen, worum es bei dem Streit geht. Irgendwie um Wäsche. Und wer die wohin gelegt hat, in besagtem Schrank. Es fing erst ganz harmlos an: Carolin wollte sich für ihr Treffen mit Daniel umziehen und hat eine bestimmte Sache nicht gefunden. Und jetzt ist sie richtig sauer auf Marc. Dabei hat der gar nichts gemacht, sondern seine Mutter. Marc wiederum ist nicht sauer, sondern klingt eher verzweifelt.

»Carolin, ich bitte dich – meine Mutter wollte sich doch nur nützlich machen. Ich verstehe nicht, was daran so schlimm ist.«

»Das verstehst du nicht? Ich will nicht, dass deine Mutter in meiner Unterwäsche rumwühlt. So einfach ist das.«

»Sie hat doch nicht darin rumgewühlt. Sie hat lediglich unseren Kleiderschrank etwas umorganisiert.«

Caro schnappt nach Luft, Marc guckt sehr unglücklich – und mir leuchtet der Grund für diesen Streit immer noch nicht ein. Also, außer der Tatsache, dass der Kleiderschrank hier seine unheilvolle Macht entfaltet. Daran muss es liegen. Gut, ich selbst trage weder Unter- noch Oberwäsche, aber ich glaube, würde ich welche tragen, wäre es mir ziemlich egal, ob diese nun links oder rechts im Schrank liegt. Oder nicht? Ich schleiche mich näher an den Schrank heran und schnüffele, ob ich irgendwelche weiteren Indizien für die Bösartigkeit dieses Möbelstücks finde.

»Umorganisiert? Was fällt dieser Frau ein? Dieser Schrank ist meine Intimsphäre. Ich bin eine erwachsene Frau, kein Teenager, dem Mutti die Wäsche machen muss. Und du bist übrigens auch ein erwachsener Mann!«

Der Schrank ist was? Caros Intimsphäre? Was bedeutet das? Ob es auch etwas mit dem Revierverhalten zu tun hat, das Marc bei unserem Einzug in Sachen Kleiderschrank an den Tag gelegt hat? Das würde natürlich erklären, warum Caro nun so genervt reagiert. Mit dem Sortieren der Wäsche hätte Oma Wagner dann quasi ihr Beinchen gehoben. Im Schlafzimmer. So geht’s natürlich nicht. Der Kleiderschrank wäre dann doch nicht magisch, sondern unschuldig. Aber warum versteht Marc das nicht?

»Caro, ich habe eigentlich keine Lust, mich jeden Tag mit dir über meine Mutter zu streiten.«

»Ja, glaubst du etwa, ich?«

»Nein, natürlich nicht. Aber ohne Sprechstundenhilfe kann ich nun mal nicht arbeiten. Frau Warnke ist von einem auf den anderen Tag ausgefallen, und die Lösung mit meiner Mutter war die einfachste.«

»Genau. Für dich. Für mich ist es mittlerweile eine ätzende Situation. Sie mischt sich überall ein, sie kritisiert mich, wo sie nur kann – und nun macht sie auch noch unsere Wäsche. Nee, wirklich, Marc, so habe ich mir das Zusammenleben mit dir nicht vorgestellt. Und wenn du das nicht kapierst, dann tut’s mir leid.«

»Aber, Caro, lass uns doch bitte in Ruhe darüber reden! Ich bin auch nicht glücklich mit der Situation.«

»Nix aber Caro. Ich ziehe mich jetzt um und gehe mit Daniel ein Bier trinken. Du kannst dir gerne allein Gedanken über die Situation machen. Für heute habe ich die Nase voll. Komm, Herkules, du kannst mich begleiten, ich gehe zu Fuß.«