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»Eigentlich eine sehr gute Idee. Aber heute habe ich leider keine Zeit. Bin schon verabredet.«

»Aha? Habe ich da etwas verpasst?«

»Nein. Ein rein geschäftlicher Termin.«

»Abends?«

»Ja. Ein 24-Stunden-Versuchsaufbau. Ganz neues Studiendesign.«

»Schade. Dann wünsche ich fröhliches Forschen.«

»Danke.«

Nina trinkt ihren Kaffee aus und geht. Dabei gibt sie sich fast mit Daniel die Klinke in die Hand, der in diesem Moment in die Werkstatt kommt.

»Hallo, Nina! Musst du schon los?«

»Ja, leider, die Pflicht ruft.«

»Nina absolviert heute einen vierundzwanzigstündigen Versuch«, erklärt Carolin.

»Echt? Wow. Dann viel Erfolg!«

»Ja, den kann ich brauchen. Tschüss!«

Nina schließt die Tür hinter sich, und Daniel stellt den großen Cellokasten, den er gerade noch in der Hand gehalten hat, im Flur ab.

»Gibt es eigentlich Neuigkeiten von ihrem Nachbarn? Hat sie sich von dem Schock, dass er bei ihr arbeitet, erholt?«

Carolin zuckt mit den Schultern. »Schwer zu sagen. Da lässt sich Nina nicht in die Karten gucken. Ich wollte mich heute Abend mit ihr verabreden, aber leider muss sie arbeiten. Na, ich werde es schon noch herausfinden. Aber mal was ganz anderes: Wie war es denn bei Lemke? Hat ihm die erste Restauration gefallen?«

»Ja, er war begeistert. Ehrlich. Außerdem hatte er noch ein paar wertvolle Anregungen für die Sammlung. Ich bin jetzt noch motivierter als ohnehin schon – es macht Spaß, für jemanden mit so viel Sachverstand zu arbeiten.«

»Finde ich auch. Ich würde übrigens gleich gerne von deinem Sachverstand profitieren. Bei der Geige, die ich momentan bearbeite, bin ich an einer heiklen Stelle angelangt. Kannst du dir das mal anschauen?«

»Klar, mache ich.«

Die beiden verschwinden in Richtung Werkbank, und ich beschließe, mich ein bisschen in meinem Körbchen im Flur auszuruhen. Der Tag war doch sehr anstrengend, und die Taschenentführung hat mich ziemlich mitgenommen. Außerdem muss ich die ganze Zeit darüber nachdenken, wie wir die Tasche nun möglichst schnell zu Claudia Serwe schaffen.

Vielleicht fällt mir im Schlaf etwas dazu ein. Ein kleines Nickerchen käme mir ganz recht. Bevor mir die Augen zufallen, überlege ich noch kurz, ob Ninas 24-Stunden-Experiment etwas mit Alexander Klein zu tun haben könnte. War da nicht auch von 24 Stunden die Rede?

Luisa kommt an der Hand einer jungen Frau, die eine Art Uniform trägt, durch die großen Glasschiebetüren am Flughafen. Sie sieht uns, lässt die Frau los und stürzt auf uns zu.

»Carolin, Herkules! Das ist aber schön, dass ihr mich abholt! «

Sie fällt Caro um den Hals, die drückt das Mädchen herzlich.

»Das mach ich doch gerne. Ich war sogar ganz froh, dass Marc heute eine Fortbildung hat und ich einspringen konnte. Wie war es denn in München?«

»Och, das Fest bei Oma Burgel war ein bisschen langweilig. Das Beste war eigentlich, dass ich deswegen nicht zur Schule musste.«

Die Frau in der Uniform mischt sich ein. »Sind Sie Frau Neumann?«

»Ja, genau. Ich hole Luisa ab.«

»Können Sie sich ausweisen?«

»Sicher.« Carolin hält der Dame ein Kärtchen unter die Nase.

»Alles klar. Dann noch einen schönen Abend!«

»Danke.«

Gemeinsam laufen wir zum Ausgang.

»Na, Luisa, haben die sich denn gut um dich gekümmert an Bord?«, will Carolin wissen.

»Klar. Und einige von denen kennen mich ja. Mama ist doch auch Stewardess. Also bin ich fast Profi.«

Carolin lacht. »Dann ist ja gut. Gib mir doch deinen Koffer. Was hast du denn da alles drin? Der ist ja viel schwerer als auf dem Hinweg.«

»Oma hat mir noch ein paar Sachen gekauft. Und Mama hat mir auch noch etwas für Papa mitgegeben.«

»Aha. Was denn?«

»Ein Buch. Sie sagt, da hat sie sich neulich mit Papa drüber unterhalten, als sie ihn in Hamburg besucht hat.«

»Sie hat ihn in Hamburg besucht? Wann war denn das?«

Caros Stimme bekommt auf einmal einen ganz seltsamen Unterton, der mir überhaupt nicht gefällt. Aber Luisa bemerkt ihn nicht und plappert munter weiter. »Weiß nicht genau. Neulich irgendwann. Sie waren zusammen essen, weißt du, in dem Café, in das du auch immer so gerne gehst. Da hast du mir mal ein Eis gekauft.«

»Im Violetta?« Carolin klingt tonlos.

»Genau.«

Auf der Fahrt nach Hause sagt Carolin fast gar nichts mehr. Dafür unterhält sich Luisa mit mir, krault mich hinter den Ohren und wird nicht müde, mir zu versichern, wie toll der Tussi-Club ist und wie froh sie ist, wieder in Hamburg zu sein.

Carolin trägt Luisas Koffer nach oben und legt ihn auf ihr Bett. Sie setzt sich neben Luisa auf den Fußboden und guckt das Kind nachdenklich an.

»Luisa, darf ich das Buch für Papa mal sehen?«

»Logo.« Sie öffnet ihren Bärchenkoffer, kramt darin herum und gibt Caro schließlich ein Buch. Die nimmt es, guckt auf den Titel und schlägt die erste Seite auf. Neben den ganz geraden, dunklen Buchstaben hat offenbar jemand etwas in das Buch gemalt oder geschrieben – das ist für mich schwer zu unterscheiden.

»Sag mal, Luisa, Papa müsste in einer halben Stunde wieder da sein. Ich muss noch etwas in der Werkstatt erledigen. Meinst du, du kannst so lange allein bleiben?«

Luisa nickt.

»Klar, kein Problem.«

Caro steht vom Boden auf. »Komm, Herkules. Lass uns nochmal los.«

Ich habe auf einmal ein ganz, ganz ungutes Gefühl. Fast ein bisschen so wie an dem Tag, als mich der alte von Eschersbach in einen Karton setzte und ins Tierheim fuhr.

VIERUNDZWANZIG

Kein Zweifeclass="underline" Daniel ist mehr als überrascht, uns hier zu sehen. Er öffnet die Tür zu seinem Hotelapartment, und seine Lippen formen ein lautloses Oh.

»Darf ich reinkommen?« Carolin hat schon im Auto geweint, und man hört es ihr deutlich an. Daniel macht die Tür weit auf und legt seine Hand auf Caros Schulter.

»Um Gottes willen, was ist denn los?«

»Hier, lies selbst!«

Sie drückt ihm das Buch in die Hand. Er studiert den Titel und liest laut vor. »Die zweite Chance. Ehekrisen überwinden, zueinanderfinden. Aha. Muss mir das irgendetwas sagen?«

Er schlägt das Buch auf und liest weiter. »Lieber Marc! Hast du darüber nachgedacht? Wie hast du dich entschieden? Ruf mich an. In Liebe, Sabine.«

Er räuspert sich.

»Okay. Nicht ganz unverfänglich. Aber vielleicht schon älteren Datums? Bevor du ihn kanntest?«

Caro schüttelt den Kopf und geht an Daniel vorbei in das kleine Wohnzimmer hinter dem Flur.

»Darf ich mich setzen?«

»Klar, entschuldige. Setz dich. Ich hatte irgendwie nicht mit Besuch gerechnet, aber du bist mir immer willkommen.«

»Danke.«

»Willst du etwas trinken?«

»Wenn du etwas mit Alkohol hast, gerne.«

O je. Alkohol. Mit Alkohol und Liebeskummer habe ich bei Carolin schon mal ganz schlechte Erfahrungen gemacht. Als wir damals endlich Thomas losgeworden waren, hat sie davon so viel getrunken, dass sie im Krankenhaus gelandet ist. Ich hoffe also, dass Daniel ihr jetzt nur einen Tee anbieten kann.

»Tja, mal sehen, was die Minibar hergibt.«

Er geht zu einem Schrank und öffnet ihn. Die Flaschen, die zum Vorschein kommen, sind zwar ziemlich klein, sehen ansonsten aber genauso aus wie die, in denen die Menschen für gewöhnlich Alkohol aufbewahren. Mist. Na, immerhin passt nicht so viel davon in eine Miniflasche.