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»Also wirklich, Mutter!« Marc haut mit der flachen Hand auf die Tischplatte. »Was soll denn das? Wenn du jetzt beleidigt bist, weil ich eine neue Sprechstundenhilfe suche, beschwer dich bei mir. Aber hör auf, Carolin so zu behandeln.«

In diesem Moment kommt Luisa ins Esszimmer. »Was ist mit Carolin? Kommt sie heute Abend immer noch nicht?«

»Doch, doch. Mach dir keine Sorgen. Ich rufe sie mal an.« Marc holt das Telefon, das auf der Anrichte liegt, und wählt eine Nummer, horcht kurz, wählt nochmal. »Mist. Festnetz besetzt und Handy ausgeschaltet. Komm, Herkules, du alter Fahnenflüchtling. Wir fahren zu Frauchen.«

Carolin öffnet uns die Tür, sieht mich – und nimmt mich sofort auf den Arm.

»Herkules, mein Schatz! Wo bist du denn gewesen? Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht!«

»Er saß vor etwa einer Stunde auf einmal vor unserer Tür. Übrigens: Hallo, Carolin.« Huch. Marc klingt sehr, sehr streng.

»Entschuldige – hallo erst mal. Aber weißt du, ich bin noch ganz aufgelöst. Ich habe Herkules überall gesucht. Und ich habe auch mit deiner Mutter telefoniert. Sie hat mir nicht gesagt, dass Herkules bei euch ist.«

»Ich weiß. Sie ist etwas indisponiert.«

»Bist du etwa abgehauen, Herkules?«

Ich wedele mit dem Schwanz. Schließlich habe ich kein schlechtes Gewissen. Caro hat sich das selbst zuzuschreiben.

»Du böser, böser Hund! Frauchen hatte solche Angst. Warum machst du denn solche Sachen?«

»Na, wenn du diesen jungen Mann so schlecht behandelt hast wie mich, ist es offen gestanden kein Wunder.«

Carolin zieht die Augenbrauen nach oben, was von meiner Position auf ihrem Arm aus sehr lustig aussieht. »Ich dich schlecht behandelt? Was fällt dir ein? Ich habe eher den Eindruck, dass du mir einiges zu erzählen hast.«

»Richtig, meine Liebe. Zuallererst nämlich eines: Wer fremde Post liest, muss mit dem Inhalt auch selbst fertig werden.«

Carolin schnappt nach Luft. »Bitte? Wie meinst du das denn?«

Marc grinst. »Das Buch und die Widmung. Eindeutig für mich bestimmt.«

»Aber … aber … woher weißt du? Hat Luisa …?«

»Nein. Luisa hat das Gott sei Dank alles gar nicht mitbekommen. Aber mein Kumpel Herkules, der weiß noch, was Eigentum bedeutet. Er kam nämlich nicht allein, sondern hatte das Buch in der Schnauze.«

Carolin starrt mich mit offenem Mund an. »Er hatte … was?!«

»Genau. Er hatte das Buch dabei. Ein Blick auf die Widmung, und ich wusste sofort, was los ist. Das hätte mich allerdings nicht dazu gebracht, hier aufzulaufen. Denn ich bin mir keiner Schuld bewusst. Ja – ich habe mich mit Sabine getroffen. Weil sie mit mir über unseren Streit sprechen wollte, und ich mit der Mutter meiner Tochter nicht in einer Dauerfehde leben will. Sie hat sich entschuldigt für die Tatsache, dass sie mich damals ohne jede Vorwarnung verlassen hat, und hat mich gebeten, die Entschuldigung anzunehmen. Ich habe gesagt, dass ich drüber nachdenke. Nicht mehr und nicht weniger ist passiert.«

Carolin vergräbt ihr Gesicht in meinem Nacken. Das scheint ihr doch einigermaßen unangenehm zu sein. Mit Recht! Dann guckt sie wieder hoch.

»Aber warum hast du mir denn nicht gesagt, dass du dich mit ihr triffst?«

»Ganz einfach: Weil du auf das Thema Sabine schon so gereizt reagiert hast, dass ich einfach keine Lust auf einen weiteren Streit mit dir hatte. Das war wahrscheinlich ein Fehler – aber keine Todsünde. Finde ich jedenfalls.«

Caro setzt mich wieder runter und macht einen Schritt auf Marc zu.

»Es tut mir leid. Das war nicht richtig von mir.«

Marc nickt. »Aber jetzt habe ich auch eine Frage. Wo warst du gestern Nacht? Bei Nina?«

Caro schüttelt den Kopf. Marc atmet tief durch.

»Etwa bei Daniel?«

»Ja. Aber da habe ich gleich mal einen Vorschlag: Ich glaube dir – und du glaubst mir. Es ist nichts passiert, ich brauchte nur ein Bett.«

Marc zögert, dann nickt er. »Okay. Vertrauen gegen Vertrauen.«

Endlich! Das klingt doch schon ganz gut, und ich persönlich finde, das wäre nun eine gute Gelegenheit für die beiden, sich zu küssen. Leider kommt in diesem Moment Nina die Treppe herunter und ruft schon von oben: »Mensch, Caro, wo bleibst du denn? Du wolltest doch jetzt … oh, hallo, Marc. Eigentlich dachte ich, wir steuern hier auf einen Frauenabend zu.«

»Nimm’s mir nicht übel – aber ich würde meine Süße jetzt gerne mitnehmen. Bitte!«

»Marc, du kannst fast so herzerweichend wie Herkules gucken. Na gut. Ich habe zwar schon eine Flasche Rotwein aufgemacht, aber dann muss ich mir wohl Ersatz besorgen.«

»Du könntest dich doch zum Beispiel mit deinem Mitarbeiter treffen«, schlägt Caro kurzerhand vor, »der wohnt ja nicht so weit von hier.« Sie kichert.

»Das ist nicht mehr mein Mitarbeiter. Ich habe ihn rausgeschmissen. «

»Echt? Wie gemein. Ich finde, du solltest da Privates und Berufliches trennen.«

Nina grinst. »Das tue ich auch. Genau deswegen hat Alex heute die Gruppe gewechselt. Ich kann Liebe im Job nämlich nicht gebrauchen. Und er auch nicht. Das lenkt uns zu sehr ab. So, und jetzt werde ich ihm mal schnell Bescheid sagen, dass sich mein Frauenabend erledigt hat. Tschüss, ihr beiden. « Kurz bevor sie wieder nach oben verschwindet, dreht sie sich noch einmal um. »Ach, was wolltest du mir eigentlich so Dringendes erzählen?«

Caro guckt sie mit großen Augen an. »Ich? Nichts. Ich wollte nur ein bisschen klönen.«

Ich liege in meinem Körbchen und bin eigentlich glücklich und zufrieden. Aber nur eigentlich. Denn leider kündet ein dumpfes Grollen von draußen ein heftiges Gewitter an. Auch das noch! Dabei bin ich doch so müde und würde gerne schlafen. Das Donnern wird lauter und kommt immer näher. Ich versuche mich ganz tief in meine Kuscheldecke zu vergraben. Vielleicht ist es dann nicht mehr ganz so laut.

Aber es nutzt nichts: Obwohl die Decke nun schon meine Ohren bedeckt, jagt mir jeder Donnerschlag neue Schauer über den Rücken. Der nächste Blitz erleuchtet die Wohnung fast taghell. Und jetzt kracht es so laut, dass ich das Gefühl habe, das ganz Haus wackelt. Mama! Angst!

Carolin hat es mir zwar streng verboten, aber es führt kein Weg daran vorbei: Ich muss zu ihr ins Bett. Sonst kriege ich heute Nacht kein Auge mehr zu. Ich schleiche Richtung Schlafzimmer und drücke vorsichtig, aber feste mit der Schnauze gegen die Tür. Mit einem leisen Klack öffnet sie sich, und ich husche hinein. Es ist zwar sehr dunkel, aber die Umrisse des Betts kann ich einigermaßen erkennen. Schwupp! Schon habe ich es mir am Fußende bequem gemacht. So ist es eindeutig besser!

Zwei helle Blitze, direkt hintereinander, dann ein fürchterlicher Donnerschlag! Ein ohrenbetäubender Lärm – trotzdem fühle ich mich jetzt sicher. Das Getöse scheint auch Marc und Carolin geweckt zu haben.

»Kannst du auch nicht schlafen?«

»Nee. Bei dem Lärm schwierig.«

»Ich bin froh, wieder hier zu sein. An wen sollte ich mich sonst kuscheln?«

»Hm, das klingt gut. Dann komm mal her, ich beschütze dich.« Es kommt Bewegung unter die Bettdecke, und ich höre, wie die beiden sich küssen. Na endlich! Darauf warte ich doch schon den ganzen Tag.

»Sag mal, bist du noch böse wegen des Buchs?«

»Nein. Schwamm drüber. Bist du noch böse wegen Sabine?«

Caro kichert. »Nein. Vergeben und vergessen. Und ich bin sehr, sehr froh, dass du dir eine neue Hilfe in der Praxis suchst.«

»Ja. Ich auch. Aber weißt du, was mich trotz des ganzen Streits heute sehr glücklich gemacht hat?«

»Nein, keine Ahnung.«

»Dass sich Luisa wirklich gefreut hat, dass du wiedergekommen bist. Sie hat dich ehrlich vermisst. Das finde ich schön. Ich bin nämlich gerne eine Familie mit dir.«