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»Was war das, deiner Ansicht nach, für ein Geruch?« fragte ich, obwohl ich zu dem Zeitpunkt schon meine eigene Vermutung hatte. Aber falls Vi sie in irgendeiner Hinsicht bestätigen konnte, um so besser.

»Erst am nächsten Morgen fiel mir plötzlich ein, wo ich das schon mal gerochen hatte. Das war zu der Zeit, als Bert im Krankenhaus war. Chloroform war’s. Nun, also, ich wußte ja nicht, was ich tun sollte. Dann dachte ich an dich und an Mr. Holmes. Da beschloß ich dann, das Telegramm zu senden.«

»Chloroform - das habe ich mir doch gedacht!« Ich gebe zu, ich rieb mir vor Freude die Hände. Ein in Chloroform getränktes und auf das Gesicht der alten Dame gepreßtes Tuch genügte, um die Tat zu vollbringen. Ich fing an zu verstehen, warum sowohl Mr. Holmes als auch Dr. Watson die Aufklärung von Kriminalverbrechen für ein solch faszinierendes Abenteuer hielten.

Violet hatte mir genügend Anlaß zum Grübeln gegeben. Ich hielt es für das beste, alle Informationen noch einmal zu durchdenken, bevor ich mich dem nötigen Schlaf hingab. Es konnte kein Zweifel bestehen, daß tatsächlich jemand Lady St. Clairs Schlafzimmer betreten und dem Leben der alten Dame ein Ende bereitet hatte. Aber warum hatte keiner der Anwesenden - außer Vi - zugegeben, den Geruch einer verdampfenden Chemikalie im Zimmer wahrnehmen zu können? Und wenn Violet es riechen konnte, dann mußte der Geruch tatsächlich sehr streng gewesen sein. Vertrackt. Äußerst vertrackt. Und was den Ort des Verbrechens angeht, so wäre es dem Mörder nicht möglich gewesen, eine gelungene Flucht vorzunehmen, ohne von Vi oder Ho-garth im Flur gesehen zu werden, insbesondere wenn man berücksichtigt, wie wenig Zeit vergangen war. Diesem Gedankengang folgend, ergab sich, daß der Mörder noch im Zimmer gewesen sein muß, als Violet und der Butler hereinkamen. Und dann.? Eine Geheimtür?

Vielleicht. Fragen auf Fragen. Von denen keine, so sagte ich mir, noch in dieser Nacht beantwortet werden konnte.

Ich war nun an einem Punkt angelangt, an dem ich den Schlaf wie einen alten Freund willkommen hieß. Ich schaute zu Vi hinüber und war nicht überrascht, daß sie schon in tiefen Schlummer verfallen war: mit offenem Mund und - obwohl sie es nie zugegeben hätte - in unregelmäßigen Abständen leicht schnarchend. Ich blies die Kerze aus, rutschte unter die Decke und schlief sofort ein.

Da die Uhr auf dem Kaminsims in dem dunklen Zimmer für mich nicht sichtbar war, hatte ich keine Ahnung, wie lange ich schon geschlafen hatte, als ich von dem Geräusch wütender, aber gedämpfter Stimmen geweckt wurde. Vi schlief noch, wie mir ihr Schnarchen verriet, und ich hatte nicht die Absicht, sie zu wecken.

Ich stützte mich auf den Ellbogen. Da war’s wieder! Nur daß jetzt jemand schrie. Eine junge Frau oder ein Junge vielleicht. Woher kam das? Die qualvollen Schreie waren zu leise, als daß ich hätte beurteilen können, aus welchem Teil des Hauses sie kamen. Das Zimmer über uns? Vielleicht.

Ich erinnere mich, daß ich vollkommen erschöpft war. Das letzte Geräusch, das ich noch wahrnahm, bevor ich erneut dem Schlaf nachgab, war ein dumpfer Schlag, so als fiele ein Körper zu Boden.

7. Das geheimnisvolle Mädchen

Als Vi und ich am folgenden Morgen die Treppe hinuntergingen, wurden wir von Hogarth empfangen, der uns mühsam entgegenkam.

»Mrs. Warner, Mrs. Hudson«, keuchte er und hielt sich am Geländer fest, um wieder zu Atem zu kommen. »Ich war gerade auf dem Weg zu Ihnen, um Sie davon in Kenntnis zu setzen, daß sich das Frühstück verzögern wird, bis. «

»Was?« unterbrach ihn Vi. »Ist mit Cook irgend etwas nicht in Ordnung? Und ich hab’ mich so auf Heringe und Würstchen gefreut. Nun, da siehst du’s mal wieder«, sagte sie mit einem Seufzer, »nicht einmal in einem solch vornehmen Haus kann man sicher sein, wann es das nächste Mal etwas zu essen gibt.«

»Mit Cook ist alles in Ordnung, Mrs. Warner«, erwiderte Hogarth. »Ich fürchte, es handelt sich um etwas Ernsteres als das. Die Polizei ist hier.«

»Die Polizei!« riefen wir einstimmig aus.

»Ein Inspektor und ein Constable aus Twillings, Mrs. Hudson.«

Ich erinnerte mich an Twillings als den Namen des Dorfes, in dem ich den Bauern getroffen hatte, der mich zum Gut mitgenommen hatte.

»Worum geht es denn, Hogarth?« fragte ich.

Obwohl er sichtlich mitgenommen war, ermöglichten es dem alten Herrn die langen Jahre der Dienerschaft, ein jeder Situation angemessenes Gefühl für Etikette zu bewahren.

»Sir Charles«, erklärte er mit einem nur kleinen Zittern in der Stimme, »hat sich dem Wunsch des Inspektors gefügt, daß sich die Familie, ebenso wie andere auf dem Gut logierende Personen, außer den Bediensteten, so bald wie möglich im Musikzimmer einfinden möge, Madam.« »Die Bediensteten nicht?«

»Alle anderen wurden, ebenso wie ich, schon befragt, Mrs. Hudson.«

»Zumindest wird endlich etwas unternommen!« rief Violet aus. Dann fügte sie mit einem mißtrauischen Blick in Richtung Hogarth hinzu: »Ah, es geht doch um Ihre Ladyschaft, oder?«

»Ich fürchte, Mrs. Warner«, lautete die zurückhaltende Antwort des alten Herrn, »es wäre unklug meinerseits, wenn ich noch mehr Informationen preisgäbe, als ich es schon getan habe.«

»Aber, Hogarth.« Ich hielt inne, als er seinen Blick von mir abwendete und sich vor aufgestautem Kummer auf die Lippe biß.

Ich hatte das Gefühl, daß er uns eine Menge erzählen könnte, aber er blieb der ewig perfekte Butler. Ich drängte ihn nicht weiter und fragte mich, ob sich tatsächlich jemand zum Ableben der verstorbenen Lady St. Clair geäußert hatte. Und falls ja - wer? Violet, so nahm ich an, gingen ähnliche Gedanken durch den Kopf, denn wir tauschten verwirrte Blicke aus, während wir die Treppe hinuntergingen und uns ins Musikzimmer begaben.

»Hallo, kommen Sie herein, meine Damen«, sagte Sir Charles, als wir

- kurzfristig zögernd - in der offenen Tür standen. »Das macht die Gesellschaft wohl komplett«, fügte er hinzu und wandte sich dabei an einen kleineren Mann mit einem buschigen Schnauzer, der genau links von uns stand und sowohl einen Mantel als auch eine fest auf dem Kopf sitzende Melone trug. Merkwürdig, dachte ich, waren sie durch die Gegenwart des Herren so eingeschüchtert, daß sie auf die Bitte verzichteten, er möge den Hut abnehmen?

Ich schaute mich im Zimmer um und sah Lady Margaret, die feierlich in schwarzen Brokat gekleidet links vom Piano bei ihrem Mann stand.

Guter Gott, dachte ich, wann muß diese Frau wohl morgens aufstehen, um jetzt schon eine so präsentable Figur abzugeben?

Außer den St. Clairs und dem Mann, der offensichtlich der Inspektor war, von dem Hogarth gesprochen hatte, waren noch drei weitere Herren anwesend. Zwei standen zusammen und unterhielten sich leise, während sich der dritte am Fenster plaziert hatte. Jegliche Taxierung, die ich von den dreien hätte vornehmen können, wurde abrupt von einer fragenden Stimme unterbrochen: »Und Sie sind.?«

»Mrs. Hudson«, stellte ich mich selbst vor. »Und dies ist Mrs. Warner, eine alte Freundin und die ehemalige Gesellschafterin der verstorbenen Lady St. Clair, Inspektor.?«

»Thackeray, Madam. Inspektor Jonas Thackeray von der Polizeistation Twillings. Nun gut, meine Damen«, sagte er mit monotoner Stimme, »wie ich den Anwesenden schon mitteilte.«

Er wurde mitten im Satz von Vi unterbrochen, die eine Entschuldigung für unsere Verspätung vorbringen wollte. »Entschuldigen Sie, Inspektor, wir wär’n ja früher unten gewesen, aber Em, ich mein’ Mrs. Hudson, und ich, wir waren die halbe Nacht wach. Haben geredet bis in die Puppen. Normalerweise bin ich früher. «

Ihr wurde von Augenbrauen Einhalt geboten, die sich langsam aufwärts zum Rand der Melone bewegten, während die kleinen runden Augen unterhalb der Hutkrempe sie wütend anstarrten.