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»Ich bin gerannt. Hab’ eine Abkürzung genommen. Der Squire hat gesagt, Sie wollten mich sehen, und zwar sofort. Und hier bin ich.«

»Ich verstehe. Das ist sehr löblich von dir«, antwortete der Inspektor, während er den jungen Mann von oben bis unten taxierte. »Ich hoffe nur, daß du bei deinen Antworten ebenso schnell und entgegenkommend bist.«

»Was wollen Sie damit sagen? Antworten worauf?«:

Thackeray ignorierte den Jungen kurzfristig und wandte seine Aufmerksamkeit mir zu. »Mrs. Hudson, dies ist Constable McHeath, und der Junge hier ist Will Tadlock, der Stallbursche.«

Ich nickte dem Officer zu und sah den Jungen an. »Tadlock? Du bist der Junge, der die Leiche heute morgen gefunden hat, nicht wahr?«

Der Inspektor, nicht der Junge, antwortete schnell. »Oh, ich glaube, er hat mehr getan als sie nur gefunden, Mrs. Hudson. Es scheint, als sei unser Will nicht so ganz bei der Wahrheit geblieben, als er heute morgen befragt wurde.«

»Hab’ Ihnen alles gesagt, was ich weiß!« lautete die wütende und verwirrte Antwort des jungen Will.

»Hast du das? Hast du das wirklich?« fuhr Thackeray ihn an. Dann wandte er sich mir zu. »Vielleicht wären Sie nun so nett, Mrs. Hudson, mir mitzuteilen, worin Ihr Interesse an all dem besteht.«

Mir war bewußt, wie wichtig es war, daß meine Antwort Hand und Fuß hatte. Er hatte mir nicht so ohne weiteres gestattet, den Leichnam zu sehen. Ich entschied, daß es - sofern ich sein Vertrauen gewinnen wollte - am besten sei, zunächst den Namen jenes großartigen Mannes ins Spiel zu bringen.

»Sie haben schon einmal von Sherlock Holmes gehört, nehme ich an, Inspektor?«

Die Frage überraschte ihn etwas.

»Holmes? Sherlock Holmes? Ja, sicher habe ich von ihm gehört. Welcher Diener des Gesetzes hat das nicht? Obwohl ich nicht behaupten kann, daß ich seine Methoden billige.«

Diesmal war ich an der Reihe, überrascht zu sein.

»Warum nicht?«

»Ich halte nichts von Leuten, die außerhalb des Gesetzes arbeiten, wie ehrenhaft ihre Absichten auch sein mögen. Dafür haben wir, Madam, die Polizei. Wenn jeder durch die Straßen von London rennen würde, oder meinetwegen durch das ganze Land, und versuchen würde, auf eigene Faust Verbrechen aufzuklären, säßen wir ganz schön in der Patsche, oder? Nein«, fuhr er fort, »es ist besser, wir überlassen solche Dinge denen, die innerhalb des Systems ausgebildet wurden.«

Dies war kaum die Antwort, die ich mir gewünscht hatte, aber ich blieb beharrlich. »Aber«, entgegnete ich, »Sie wollen sicher nicht die Anzahl der Fälle leugnen, für deren Aufklärung er verantwortlich war?«

»Meine Güte, Madam! Was hat denn Sherlock Holmes eigentlich mit Ihnen zu tun? Meine Frage an Sie. «

»Ich arbeite mit Mr. Holmes zusammen«, unterbrach ich ihn ruhig. Mein Geständnis, welches nicht ganz zutreffend war, könnte man am besten als biegsame Wahrheit bezeichnen - leicht zu meinen Gunsten zurechtgebogen.

»Sie. und Sherlock Holmes!« rief der Constable aus, wobei er die Frage offen ließ, ob seine Reaktion auf meine Offenbarung von Bewunderung oder Unglauben zeugte.

Sein Vorgesetzter betrachtete mich eher mißtrauisch, wie ich bemerken konnte. »Sie arbeiten zusammen? Tatsächlich?« fragte er. »Und worin besteht Mr. Holmes’ und Ihr Interesse in bezug auf Haddley? Sicherlich nicht in dem Ableben von Lady St. Clair, es gab bei ihrem Tod keinen Verdacht auf Gewalteinwirkung. Dr. Morley selbst sagte dahingehend aus, daß Ihre Ladyschaft im Schlaf an einem Herzversagen gestorben ist. Und«, fuhr er mit einem Blick auf den vor ihm liegenden zugedeckten Leichnam fort, »diese Verstorbene wurde erst vor einigen wenigen Stunden gefunden. Schickt der große Sherlock Holmes seine Mitarbeiter inzwischen schon rechtzeitig vor einem Mord?«

Er schüttelte mitleidig den Kopf angesichts des armen - seiner Meinung nach offensichtlich irregeleiteten - Wesens, das vor ihm stand.

»Inspektor Thackeray«, verkündete ich, während ich versuchte, Haltung zu bewahren, »ich habe Grund zu der Annahme, daß der Tod Ihrer Ladyschaft nicht auf einem Herzversagen beruhte. Ich habe Grund zu der Annahme, daß sie ermordet wurde.«

»Aha, und warum nehmen Sie das an, Mrs. Hudson?«

Die Frage wurde mit einem Augenzwinkern und einem Kopfnicken in Richtung des Constables gestellt, den dieser Schlagabtausch ebenso zu amüsieren schien wie den Inspektor. Der junge Tadlock sagte während des Wortwechsels überhaupt nichts, sondern stand einfach da und versuchte die Bedeutung dessen, was er hörte, zu verstehen.

»Der Grund für meine Annahme«, antwortete ich entrüstet und mit einer Stimme, die angesichts der mir entgegengebrachten Arroganz lauter wurde, »ist. «

Ich hielt inne.

Ich mußte diesen beiden jetzt nur noch von Violets außerkörperlicher Erfahrung erzählen, und sie würden mich vollends für verrückt erklären.

»Mrs. Warner«, gab ich bekannt, »hat mich mit sehr klaren Worten darüber informiert, daß sie bei Betreten des Schlafgemaches einige Minuten nach, sagen wir mal, dem Ableben Ihrer Ladyschaft einen Geruch von Chloroform im Zimmer wahrgenommen hat.«

»Ich verstehe. Chloroform, sagen Sie. Nun, wir werden uns der Sache sicherlich annehmen, da machen Sie sich mal keine Sorgen«, antwortete Thackeray gönnerhaft. »Übrigens, Mrs. Hudson«, fügte er hinzu, »die anderen Anwesenden im Zimmer, die haben dieses. dieses Chloroform auch gerochen, oder?«

»Äh, nein«, stotterte ich. »Zumindest behaupteten sie, daß.«

»Ich verstehe«, unterbrach er mich herablassend, »und Ihre Mrs. Warner, das ist dieselbe Dame, die auch irgendeinen Fremden dabei beobachtete, wie er Ihre Ladyschaft umbrachte, während sie draußen vor der Tür stand. Ist das richtig?«

Ich konnte nichts tun oder sagen und stand einfach nur mit finsterem Blick da.

»Sie sehen, Mrs. Hudson«, fuhr er auf ebendieselbe herablassende Art fort, »ich habe meine Hausaufgaben bezüglich Mrs. Warners Sicht der fraglichen Samstagnacht gemacht.«

Wie selbstgefällig sowohl er als auch der Constable waren! Und wie gerne hätte ich mich umgedreht und die beiden stehengelassen. Aber ich spielte ein Männerspiel und war entschlossen, im Rennen zu bleiben.

»Was hat der junge Tadlock mit Ihren Ermittlungen zu tun, Inspektor? Oder handelt es sich dabei um vertrauliche Informationen?«

»Vertrauliche Informationen? Ganz und gar nicht, Madam. Zumindest nicht für jemanden, der das Glück hat, ein Kollege des berühmten Sherlock Holmes in Sachen Verbrechensaufklärung zu sein. Ist es nicht so, McHeath?«

»Oh, ja, in der Tat, Sir«, antwortete der Untergebene, wobei er versuchte, mit einer Hand das Grinsen zu verbergen, welches mit der Antwort einherging.

In Ordnung, meine Herren, halten Sie mich ruhig zum Narren, es dient meinem Zweck, nicht ihrem.

»Was Tadlock betrifft«, der Inspektor holte Pfeife und Tabaksbeutel aus seiner Tasche hervor und fuhr dann fort, »so haben Sie vielleicht von dem Gespräch Notiz genommen, welches ich unter vier Augen mit dem Squire führte, bevor ich mich von jenem Herrn verabschiedete, um Sie hierher zu begleiten.«

Ich nickte bejahend.

»Der Kern des Gespräches war der«, informierte er mich, »daß der Squire letzte Nacht sein Bett verließ, da er nicht schlafen konnte, und dann den Jungen beobachtet hat, wie er in Begleitung einer Frau durch die Gartenanlagen ging.«

Er stopfte seine Pfeife und zündete sie an, bevor er mit seiner Erzählung fortfuhr.

»Sie standen genau unter dem Fenster des Herrn und schienen, ihren Gesten nach zu urteilen, in eine Art Streit verwickelt zu sein.«

»Warum hat der Squire dies nicht früher erwähnt?«

»Eine Frage, die ich ebenfalls stellte, Madam. Seine Antwort darauf lautete, daß er es einfach vergessen hatte, als er das erste Mal befragt wurde. Es war ein Vorfall, der nur einen kurzen Moment in Anspruch nahm, und das spät in der Nacht. Das ist verständlich. Ich bat anschließend darum, daß er den Jungen hierher schicken möge.«