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»Beide Herren«, bemerkte ich, um ihn davon in Kenntnis zu setzen, daß ich im Hinblick auf die St. Clairs nicht gänzlich unwissend war, »verbringen einen Großteil ihrer Zeit in London, soweit ich informiert bin.«

»Ja, das ist sehr wohl wahr. In der Tat hat ihre unerwartete Rückkehr aus London letzte Woche die Dienerschaft in ziemliche Aufregung versetzt.«

Aha, dachte ich, hier war etwas, an dem ich ansetzen konnte. Wie ich mich erinnerte, war es eine Maxime von Mr. Holmes, daß jegliche Abweichung von normalen Handlungsmustern - wie im Fall einer unangekündigten Rückkehr, auch wenn sie an sich nicht verdächtig war zumindest eine gründliche Untersuchung verdiente. Ich hielt dies nun für den geeigneten Moment, um eine Art Zeitplan unter Berücksichtigung aller Beteiligten aufzustellen.

»Hogarth«, fragte ich, »dürfte ich Sie vielleicht um ein Blatt Papier und einen Stift bitten?«

»Gewiß, Mrs. Hudson, selbstverständlich«, antwortete er, worauf er sich erhob und zu einem kleinen Tisch hinüberging.

»Danke, Hogarth«, sagte ich, als er mir einen Schreibblock und einen Stift reichte.

Während er seinen Platz neben mir wieder einnahm, schrieb ich die folgende Zeile auf: »Lady St. Clair: starb Samstag nacht.« Während ich dies laut las, bemerkte ich, daß mich der alte Herr mit einer gewissen Beklommenheit beobachtete.

»Ja, Hogarth?« fragte ich, als er mit der Hand nervös an seinem Kragen herumfingerte.

»Ihre. Notizen, Mrs. Hudson«, fragte er mit einem mißtrauischen Blick auf das Blatt Papier, »welchem Zweck dienen sie?«

Es ist wahr, daß ich ihm gegenüber nicht allzu offen gewesen war, und es war nur gerechtfertigt, daß er mein Vorhaben hinterfragen wollte.

»Mrs. Warner und ich«, setzte ich ihn in Kenntnis, »führen unsere eigenen Untersuchungen bezüglich der tragischen Ereignisse dieser letzten Tage durch. Sie, Hogarth, könnten uns beiden sehr hilfreich sein. Selbstverständlich«, fügte ich hinzu, um die Glaubwürdigkeit unserer Absichten zu unterstreichen, »werden alle Hinweise, die wir möglicherweise entdecken, an die Polizei weitergegeben.« Ich hielt den Atem an und wartete auf seine Antwort.

»Ich helfe Ihnen natürlich gern, auf jede mir mögliche Weise. Allein schon aus Respekt vor dem Andenken von Lord und Lady St. Clair«, versicherte er mir.

Ich stieß einen Seufzer der Erleichterung aus.

»Nun dann«, fing ich an, »Sie sagen, der Baronet und der Squire kehrten unerwartet zu dem Gut zurück. Ist das korrekt?«

»Und Lady Margaret ebenfalls.«

Ich fürchte, ich erschien ein wenig verdutzt. »Also waren alle drei nach London gereist?«

»Nein, Madam«, erwiderte der Butler mit einem mitfühlenden Lächeln. »Lassen Sie es mich erklären. Lady Margaret, Sir Charles und der Squire verließen Haddley Montag vor einer Woche. Die beiden Herren fuhren geschäftlich nach London, Lady Margaret nach Devon, um ihre Mutter zu besuchen. Können Sie mir folgen?«

»Ja, ja«, antwortete ich und legte in Anbetracht der sich offenbarenden Fakten den Stift nieder. »Fahren Sie fort.«

»Am vergangenen Freitag morgen, also nicht mehr als fünf Tage nach seiner Abreise und drei Tage früher als erwartet, erfuhr ich überraschenderweise von Cook, daß der Squire zurückgekehrt war und das Frühstück auf sein Zimmer gebracht haben wollte.«

»Dann muß er am Donnerstag abend sehr spät oder am Freitag morgen sehr früh angekommen sein«, sagte ich und klopfte nachdenklich mit dem Stift gegen mein Kinn.

»Es scheint so. Obwohl ihn weder das Personal noch ich gesehen haben. An eben dem Freitag kam dann auch Sir Charles zurück, gerade als ich mich für die Nacht zurückziehen wollte. Ich verlieh meiner Überraschung Ausdruck und informierte ihn, daß sein Bruder ebenfalls unerwartet zurückgekehrt sei.«

»Wie reagierte er darauf?«

»Er schien aufrichtig überrascht zu sein.«

»Und Lady Margaret, wann kam. ?«

»Samstag vormittag. Kurz vor 12 Uhr.«

»Und keiner von ihnen gab Ihnen eine Erklärung für seine plötzliche Rückkehr an den heimischen Herd?«

»Mir? Gott im Himmel, nein, Madam! Ebensowenig stünde es mir an, danach zu fragen.«

»Ich verstehe. Ja, sicher. Und was Colonel Wyndgate betrifft«, fragte ich, während ich mich bemühte, immer kleiner zu schreiben, da der Platz dem Geschriebenen auf dem Papier wich, »er blieb hier, nicht wahr?«

»Der Colonel? Oh, ja. Entfernt sich nie allzuweit von Haddley, unser Colonel.« Dann fügte er nachträglich hinzu: »Muß ein einsames Leben für den alten Soldaten sein.«

»Aber ein angenehmes«, bemerkte ich etwas sarkastisch und schaute mich neidisch in der von Reichtum zeugenden Umgebung um. »Und wann erschien der gute Doktor auf der Bildfläche?« fragte ich und wandte mich damit wieder der im Augenblick wichtigeren Angelegenheit zu.

»Am Samstag abend, kurz nach acht Uhr, wenn ich mich recht erinnere. Es waren entweder der Baronet oder der Squire, die ihn kommen ließen.«

»Warum das?«

»Soweit mir mitgeteilt wurde, hatte sich Lady St. Clair über Schwindelanfälle beklagt. Dr. Morley ließ sie ins Bett bringen. Sir Charles bat ihn, noch ein paar Tage zu bleiben, um sie im Auge zu behalten. Auf mein Wort«, rief er aus, als ich mich wieder meinem Schreibblock zuwandte, »wissen Sie, daß ich noch nie so offen mit jemandem über die Familie gesprochen habe? Jedenfalls, seit Mrs. Hogarth verstorben ist. Sie war nämlich Haushälterin hier auf Haddley.«.

Ich antwortete, daß mir das nicht bekannt gewesen war, und drückte mein Bedauern über ihr Ableben aus.

»Danke, Mrs. Hudson, aber das ist schon lange her. Seine Lordschaft lebte damals noch, so ein feiner alter Herr. Ich erzähle Ihnen auch gern«, fuhr er mit nicht wenig Stolz fort, »daß er es war, der für alle Kosten während der Krankheit von Mrs. Hogarth aufkam - ja, und für die Beerdigung ebenfalls. Und wie oft habe ich nicht Lady St. Clair selbst schweigend am Bett meiner Frau sitzen sehen, um ihr in jenen letzten Tagen Trost zu spenden«, fügte er seufzend hinzu, während er sich an all das erinnerte.

Ich fürchte, ich unterbrach ihn in seiner Träumerei, als ich ihn mit meiner Frage wieder in die Gegenwart zurückholte: »Sie waren in der Nacht, in der Ihre Ladyschaft starb, mit Mrs. Warner in dem Schlafzimmer, nicht wahr, Hogarth?«

»Wie? Oh ja.« Er schwieg einen Moment lang, bevor er leise von sich gab: »Merkwürdig.«

Ich griff das Wort auf. »Merkwürdig? Inwiefern merkwürdig?«

»Das ist schwer zu erklären, Madam. Aber ich spürte, daß etwas nicht stimmte. Aber vielleicht mache ich auch mehr davon, als ich sollte.«

»Nicht unbedingt«, erwiderte ich. »Sie wissen natürlich, daß Mrs. Warner der gleichen Ansicht ist wie Sie.«

Ich beließ es dabei, ohne auf Violets Astralwanderungen einzugehen.

»Oh, ja«, antwortete er, wobei er eine weiß bekleidete Hand vor das Gesicht hielt und versuchte, ein Lächeln zu verbergen. »Sie äußerte, wenn ich mich recht entsinne, recht vernehmbar ihre Ansicht, daß irgendein mysteriöser Eindringling in das Schlafzimmer Ihrer Ladyschaft hineinmarschiert sei und sie umgebracht habe.« In einem etwas ernsthafteren Tonfall sagte er dann: »Aber ich sollte Ihnen sagen, daß Mrs. Warner, vor der ich wohlgemerkt den größten Respekt habe, sich irrt. Es war keine andere Person in dem Zimmer, außer uns beiden und der armen toten Frau selbst.«

»Jemand hätte sich verstecken können. «

»Nein«, behauptete er überzeugt. »Die St. Clairs, Dr. Morley und Colonel Wyndgate betraten das Zimmer fast unmittelbar nach uns. Sonst war niemand zugegen. Es tut mir leid, Mrs. Hudson.«

Selbst seine Aussage, daß er niemanden gesehen hatte, brachte mich keinen Deut von meinem Glauben an Vi ab. Ich bin eine dickköpfige alte Ziege, und ich war nun mehr denn je entschlossen zu beweisen, daß sie recht hatte. Dennoch, ich war verwirrt.

Hogarth bemerkte meine Frustration. »Ach, Madam, dies sind wirklich schreckliche Tage, für alle von uns«, seufzte er und wischte sich mit dem Finger über ein tränendes Auge. »Und nun noch dieses arme Mädchen, welches auf dem Grund und Boden des Gutes ermordet wurde. Ich bin nur dankbar, daß Seine Lordschaft dies nicht mehr erleben muß.«