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Kids Lage war sehr schwierig geworden, seit er sich immer am Feuer Snass’ aufhalten mußte. Er sah Labiskwee jetzt öfter als je. Eben weil ihre Liebe so süß und keusch war, brachte ihr Freimut ihn in unbeschreiblich heikle Situationen. All ihre Blicke waren Blicke der Liebe; sooft sie ihn ansah, war es wie eine Liebkosung. Immer wieder entschloß er sich, ihr von Joy Gastell zu erzählen, und immer wieder mußte er feststellen, daß er ein moralischer Feigling war. Das Furchtbarste dabei war, daß Labiskwee so unendlich bezaubernd war. Es war eine Freude, sie anzusehen. Obgleich seine Selbstachtung sich krümmte, sobald er mit ihr zusammen war, freute er sich doch über jede Minute, die er mit ihr verbrachte. Zum erstenmal in seinem Leben lernte er eine Frau richtig kennen, und so klar und hell war Labiskwees Seele, so rührend und verführerisch in ihrer Unschuld und Unwissenheit, daß er in ihr wie in einem Buch lesen konnte. Die ganze Güte des Weibes, die seit uralten Zeiten in der Seele der Frau lebt, war auch in ihr unberührt geblieben von der Kenntnis der Anforderungen der Konvention und von dem Betrug der Notwehr, die so oft die Frauen zivilisierter Völker verdirbt und entartet. In seinem Gedächtnis ging er wieder den Gedanken Schopenhauers nach und erkannte hinter allen Sophismen, daß dieser schwermütige Philosoph sich in allen Punkten irrte. Die Frau kennenzulernen, wie er Labiskwee kennenlernte, war gleichbedeutend mit der Erkenntnis, daß alle Weiberfeinde nur kranke Menschen waren.

Labiskwee war einfach wundervoll, und doch brannte neben ihrem Gesicht, das er täglich in der Wirklichkeit sah, das traumhafte Bild Joy Gastells. Joy konnte sich beherrschen, sie konnte ihre Gefühle zurückhalten, sie besaß alle Hemmungen, die unsere Zivilisation von Frauen verlangt. Und doch war seine Phantasie und die lebendige Kraft der Frau, die neben ihm saß, so seltsam, daß Joy Gastell ihm von derselben Güte wie Labiskwee erschien. Die eine erhöhte nur den Wert der andern, und der Wert aller Frauen der Welt stieg in den Augen Kids durch alles, was er in der wunderbaren Seele Labiskwees abends am Feuer Snass’ im Schneelande las.

Und Kid lernte auch vieles über sich selbst. Er gedachte aller Erlebnisse, die er mit Joy Gastell gehabt hatte, und erkannte, daß er sie liebte. Und dennoch war er von Labiskwee entzückt. Und war dies Entzücken denn etwas anderes als Liebe? Er konnte seinen Zustand mit keinem geringeren Wort bezeichnen. Es war Liebe! Es mußte Liebe sein! Und er wurde bis in die Wurzel seines Wesens erschüttert, als er diesen polygamen Zug bei sich feststellte. In den Ateliers von San Franzisko hatte er öfters behaupten hören, daß ein Mann zwei Frauen gleichzeitig lieben könnte. Damals hatte er es nicht für möglich gehalten. und wie hätte er es auch glauben sollen, solange er selbst keine Erfahrung auf diesem Gebiet gemacht hatte? Jetzt lag die Sache natürlich ganz anders. Er wußte jetzt, daß er tatsächlich zwei Frauen gleichzeitig liebte, ehrlich und aufrichtig liebte. Und wenn er auch vielleicht meistens überzeugt war, daß seine Liebe zu Joy Gastell die tiefere war, gab es doch auch sehr viele Stunden, in denen er mit derselben unerschütterlichen Sicherheit wußte, daß seine Liebe zu Labiskwee doch noch größer war.

»Es muß sehr viele Frauen in der Welt geben«, sagte sie eines Tages in ihrer naiven Art. »Und Frauen haben die Männer gern. Viele Frauen müssen auch Sie geliebt haben. Erzählen Sie mir doch bitte von ihnen.«

Er gab keine Antwort.

»Erzählen Sie mir doch«, bat sie eindringlich. »Ist es denn nicht so?«

»Ich bin nie verheiratet gewesen«, sagte er mit einem Versuch, die Frage zu umgehen.

»Und sonst haben Sie nie geliebt? Gibt es keine andere Isolde in eurer Welt hinter unsern Bergen?«

In diesem Augenblick erkannte Kid mit Bitterkeit, daß er ein Feigling war. Denn er log. Er tat es widerstrebend, aber er tat es. Er schüttelte den Kopf und lächelte dabei langsam und nachsichtig. Und es war mehr Liebe in seinen Augen, als er selbst ahnte, auch in dem Augenblick, als er bemerkte, wie eine unbeschreibliche Freude das Gesicht Labiskwees verklärte. Er versuchte, sich vor sich selbst zu entschuldigen. Er wußte aber selbst sehr gut, daß seine Gründe überaus spitzfindig waren. Anderseits war er doch nicht Spartaner genug, um ihr kindlich-frauliches Herz tödlich verwunden zu können.

Auch Snass tat das Seinige, um das Problem noch verwickelter zu machen.

»Kein Mann sieht seine Tochter gern verheiratet«, sagte er zu Kid. »Am allerwenigsten, wenn er ein wenig Phantasie besitzt. Es tut weh. selbst der Gedanke daran tut einem einfach weh! Und doch gehört es ja zur Ordnung der Natur. Und auch Margaret muß einmal heiraten. - Ich bin ein harter und grausamer Mann, das weiß ich«, erklärte er weiter. »Aber Gesetz ist Gesetz, und ich bin gerecht. Ja. für dieses Volk bin ich sogar das Gesetz und die Gerechtigkeit selbst.«

Kid erfuhr nie, wohin er eigentlich mit seinen Worten zielte, denn sie wurden von einem lauten Schimpfen unterbrochen, das durch das silberne Lachen Labiskwees abgelöst wurde. Ein schmerzlicher Zug ging über Snass’ Gesicht.

»Ich werde es ertragen müssen«, murmelte er grimmig. »Margaret muß heiraten. und es ist mein Glück. und auch das Ihre, daß Sie bei uns sind.«

Dann kam Labiskwee aus dem Zelt und setzte sich mit einem Wolfsjungen in den Armen ans Feuer. Wie von einem Magnet angezogen, starrten ihre Augen den Mann an, den sie liebte. Und ihre blauen Augen leuchteten von dieser Liebe, die keine Unnatur sie zu verbergen gelehrt hatte.

»Hören Sie, was ich Ihnen sage«, predigte McCan. »Der Frühling ist gekommen, und es beginnt schon zu tauen. Auf dem Schnee wird sich bald eine harte Kruste bilden. Jetzt würde die richtige Zeit zum Wandern sein, wären nicht die Frühlingsstürme im Gebirge. ich kenne sie. Ich würde mit einem schwächeren Mann als Sie eine solche Wanderung nicht unternehmen.«

»Aber Sie können ja selbst nicht laufen«, wiedersprach Kid. »Sie können überhaupt nie mit einem Schritt halten. Ihr Rückgrat ist schlapp wie gekochtes Mark. Wenn ich gehen will, gehe ich allein. Aber die Welt verdorrt allmählich, und es ist sehr wohl möglich, daß ich nie von hier wegkommen werde. Rentierfleisch schmeckt sehr gut. und bald kommt der Sommer und mit ihm der Lachs.«

Snass sagte: »Ihr Freund ist tot. Aber meine Jäger haben ihn nicht getötet. sie fanden seinen Leichnam steifgefroren in den ersten Frühlingsstürmen im Gebirge. Keiner kann von hier entkommen. Wann werden wir die Hochzeit feiern?«

Und Labiskwee sagte: »Ich beobachte dich. Es regt sich Sehnsucht in deinen Augen, in deinem Gesicht. Oh, ich kenne jede Bewegung, jeden Ausdruck deines Gesichtes. Du hast eine kleine Narbe am Hals, gerade unter dem rechten Ohr. Wenn du glücklich bist, ziehen sich deine Mundwinkel nach oben, wenn du an etwas Trauriges denkst, nach unten. Wenn du lächelst, hast du drei oder vier Runzeln in deinen Augenwinkeln. Wenn du aber lachst, sind es sechs! Zuweilen habe ich sogar sieben gezählt. Aber jetzt kann ich sie nicht mehr zählen! Ich habe nie Bücher lesen gelernt. Ich weiß nicht, wie man liest. Aber Vierauge hat mich vieles gelehrt. Ich kann sehr gut Grammatik, die hat er mich gelehrt. Und in seinen Augen lernte ich die Sehnsucht nach der Welt lesen. Ihn hungerte sehr oft nach der Welt! Und doch ist das Fleisch hier gut, und es gab Fisch in Hülle und Fülle, und Beeren und Wurzeln und oft genug Mehl, das wir für die Felle bekommen, die die Leute am Porcupine und am Luskwa für uns verkaufen. aber ihn hungerte nach der Welt selbst und nach ihrem Leben. Ist denn die Welt so wunderbar, daß auch du dich nach ihr sehnst? Vierauge besaß nichts. Aber du. du hast ja mich.«