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»Wo hast du das da her.?« fragte Kid.

»Untersuche seine Kleider«, rief Labiskwee.

Es waren die ersten Worte, die sie sprach, und ihre Stimme bebte noch vor Zorn.

McCan versuchte Widerstand zu leisten, aber Kid hielt ihn mit harter Hand fest und untersuchte ihn vom Scheitel bis zur Sohle. Er fand auch in der Armhöhle ein Stück Rentierfleisch, das die Körperwärme schon aufgetaut hatte. Ein kurzer Ausruf Labiskwees erregte Kids Aufmerksamkeit. Sie war zu McCans Bündel hingesprungen und öffnete es jetzt. Statt Lebensmittel fand sie nur Moos, Fichtennadeln, Späne. allerlei leichten Abfall, den er statt des Fleisches in das Bündel gepackt hatte, damit es wohl dieselbe Größe, aber nicht dasselbe Gewicht hatte.

Wieder fuhr die Hand Labiskwees an ihre Hüfte, und sie stürzte sich auf den Verbrecher, wurde jedoch von Kids Arm zurückgehalten. Erst da ergab sie sich seinem Willen, während sie noch vor zwecklosem Zorn schluchzte.

»Oh, Geliebter, glaub’ mir, es ist nicht des Proviants wegen«, ächzte sie, »sondern weil es dein Leben gilt. Dieser Köter! Er verzehrt dein Leben, wenn er uns bestiehlt. er frißt dich auf.«

»Wir werden schon weiterleben«, beruhigte Kid sie. »Von jetzt an kann er das Mehl tragen. Das kann er jedenfalls nicht roh essen. und wenn er es doch tun sollte, würde das Selbstmord für ihn bedeuten, denn er fräße dann nicht nur mein Leben, sondern auch deines.« Er drückte sie fester an sich. »Geliebte, Töten ist Männerarbeit. Frauen dürfen es nicht.«

»Würdest du mich denn nicht mehr lieben, wenn ich den räudigen Köter töten würde?« fragte sie überrascht.

»Nicht mehr so wie jetzt«, antwortete Kid verlegen.

Sie seufzte.

»Nun gut«, sagte sie, »dann werde ich es nicht tun.«

Die jungen Männer setzten ihre Verfolgung unbarmherzig fort. Teils durch merkwürdige Zufälle, teils durch Berechnung, welchen Weg die Flüchtlinge einschlagen mußten, gelang es den Verfolgern wirklich, die Fährte zu finden, die das Schneegestöber inzwischen verhüllt hatte, und sie folgten ihr unverdrossen.

Wenn Schneesturm herrschte, machten Kid und Labiskwee die unwahrscheinlichsten Umwege, um sie irrezuleiten - , bogen nach Osten ab, wenn der bessere Weg süd- oder westwärts ging, oder ließen eine niedrige Wasserscheide links liegen, um eine höhere zu erklimmen. Da sie sich nun doch einmal verirrt hatten, spielte ein Umweg keine Rolle mehr. Und doch gelang es ihnen nicht, die Verfolger abzuschütteln. Zuweilen gewannen sie einen Vorsprung von einigen Tagen, aber immer wieder tauchten die jungen Männer auf.

Kid konnte die Tage nicht mehr zählen. Er kannte sich nicht mehr aus mit Tagen und Nächten, mit Stürmen und Lagern. Das Ganze war wie ein ungeheurer, wahnsinniger Fiebertraum von Leiden, Qualen und Anstrengungen, durch die Labiskwee und er sich vorwärtskämpften. während McCan irgendwie und irgendwo hinter ihnen herstolperte. Sie flohen schwarze Canons hinab, deren Wände so schroff waren, daß die Felsen trotz der Kälte schneefrei waren. Sie wateten durch vereiste Täler, wo gefrorene Seen tief unter der Schneekruste lagen, auf der sie wanderten. Hoch über der Baumgrenze lagerten sie ohne Feuer machen zu können, so daß sie das Fleisch nur durch die Wärme ihrer Körper auftauen und genießbar machen konnten. Und doch verlor Labiskwee keinen Augenblick ihre gute Laune - , höchstens, wenn sie McCan sah. Und ihre Liebe zu Kid blieb immer gleich beredt und unstillbar.

Wie eine Tigerin überwachte sie die Verteilung der mageren Rationen, und Kid konnte merken, daß sie seinetwegen McCan um jeden Bissen, den er in den Mund steckte, grollte. Einmal verteilte sie die Rationen. Das erste, was Kid hörte, waren wilde Widersprüche seitens McCans - sie hatte nicht nur ihm, sondern auch sich selbst kleine Rationen gegeben, damit Kid um so mehr erhielt. Von diesem Tage an nahm Kid selbst die Verteilung vor.

Eines Nachts hatte es geschneit, und am nächsten Morgen gerieten sie in eine Lawine, die sie viele hundert Meter weit den Berg hinabschleuderte. Halb erstickt, aber unverletzt tauchten sie wieder auf. nur McCan hatte sein Bündel mit dem gesamten Mehlvorrat verloren. Eine zweite, noch größere Lawine begrub es vollkommen, so daß sie keine Hoffnung mehr hatten, es wieder auszugraben. Aber von diesem Tag an war Labiskwee nicht mehr imstande, McCan anzusehen, obgleich er an dem Unfall völlig unschuldig war, und Kid wußte genau, daß sie einfach nicht den Mut hatte, ihn anzusehen. sie wußte, daß sie ihn sonst töten würde.

Dann kam ein Morgen, an dem es vollkommen windstill und der Himmel klar und blau war. Weiße Sonnenlichter flackerten auf dem weißen Schnee, und der Weg führte einen langen breiten Hang hinauf, der von einer dünnen Eiskruste bedeckt war. Wie müde Gespenster schlichen sie sich durch diese totenstille Welt vorwärts. In der eisigen, unwirklichen Stille regte sich kein Hauch. Weiße Gipfel, die Hunderte von Meilen entfernt hinter dem Grat der Rocky Mountains auftauchten, schienen so nahe, als seien sie nur fünf Meilen von ihnen entfernt.

»Es wird etwas geschehen«, flüsterte Labiskwee. »Kannst du es nicht merken. hier, dort, überall.? Alles ist heute so seltsam.« »Ich empfinde auch einen merkwürdigen Schauer, der nicht von der Kälte herrührt«, antwortete Kid. »Und Hunger ist es auch nicht.«

»Er ist in deinem Herzen. in deinem Gehirn«, bestätigte sie erregt. »So empfinde ich es nämlich auch.«

»Aber es hat eigentlich nichts mit meiner Stimmung zu tun«, erklärte Kid. »Es kommt von außerhalb, merke ich, und durchschauert mich wie Eis. Es sind meine Nerven.«

Eine Viertelstunde mußten sie stehenbleiben, um Atem zu schöpfen.

»Ich kann die fernen Gipfel nicht mehr sehen«, sagte Kid.

»Die Luft wird so dick und schwer«, sagte Labiskwee. »Ich kann kaum atmen.«

»Es sind drei Sonnen da«, murmelte McCan heiser und wankte, obgleich er sich auf seinen Stock stützte. Sie sahen tatsächlich je eine falsche Sonne zu beiden Seiten der richtigen.

»Jetzt sind es fünf«, erklärte Labiskwee. Und noch während sie emporstarrten, bildeten sich neue Sonnen vor ihren Augen, Sonnen, die blaß funkelten.

»Mein Gott!« schrie McCan voller Furcht. »Der Himmel ist voller Sonnen, die man nicht zählen kann.«

Und es war wahr; denn wo sie auch hinsahen, flammten und funkelten neue Sonnen an der Himmelswölbung.

McCan schrie auf vor Überraschung und Schmerz. »Ich bin gestochen worden«, rief er.

Dann kam die Reihe zu schreien an Labiskwee, und Kid fühlte gleichzeitig einen Stoß und einen Stich an seiner Wange, so kalt, daß es wie Säure brannte. Es erinnerte ihn an vergangene Zeiten, wenn er im salzigen Meere schwamm und von Quallen verbrannt wurde. So ähnlich empfand er selbst den Schmerz, daß er ganz mechanisch die Hand hob, um die beißende Substanz, die gar nicht da war, von seiner Wange zu wischen.

Da knallte ein Schuß, seltsam dumpf, wie durch Watte. Am Fuße des Hanges standen die jungen Männer auf ihren Schneeschuhen, und einer nach dem andern feuerten sie ihre Gewehre ab.

»Wir müssen uns verstreuen«, kommandierte Kid, »und dann klettern, so schnell wir können! Wir sind ja gleich auf dem Gipfel. Sie sind eine Viertelmeile unter uns, und das bedeutet einen Vorsprung von etlichen Meilen, wenn wir erst die andere Seite des Hanges hinuntergefahren sind.«

Mit Gesichtern, die von den unsichtbaren Stacheln der Luft gestochen und verbrannt wurden, entfernten sich die drei voneinander und kletterten die Schneefläche hinauf. Der gedämpfte Knall der Stutzen klang wie verzaubert in ihren Ohren.

»Gott sei Dank«, sagte Kid zu Labiskwee, »daß drei von ihnen nur alte Musketen haben und nur der eine einen Winchesterstutzen. Außerdem machen die vielen Sonnen ihnen ein sorgfältiges Zielen unmöglich.«