Выбрать главу

»Da werden wir ja genug zu tun haben«, grinste Kurz. »Aber ich glaube, daß wir selbst doch vorher ein paar Kugeln in den Bauch kriegen werden.«

»Du könntest recht haben. zuerst wollen wir uns also damit beschäftigen«, sagte Kid. »Nur los.«

Im Laufe der nächsten Stunde machten sie die Runde durch sämtliche zwanzig Häuser. Die gesamte Munition, alle Stutzen, Schrotbüchsen und Revolver wurden beschlagnahmt.

»Hört mal, ihr Invaliden«, rief Kurz den Kranken zu, »her mit den Schießprügeln! Wir brauchen sie.«

»Wer sagt denn das?« wurde gleich in der ersten Hütte gefragt.

»Zwei Ärzte aus Dawson«, gab Kurz zur Antwort. »Und was die sagen, wird getan. Nur her damit! Her mit eurer Munition!«

»Was wollt ihr denn damit?«

»Einen kleinen Feldzug gegen Büchsenfleisch unternehmen, das den Canyon heraufmarschiert. Und ich rate euch, gut aufzupassen, denn es steht eine Überschwemmung von Fichtentee bevor. Also los.« Und das war der Anfang des ersten Tages. Mit Hilfe von Überredungskunst und Kommandieren, und hin und wieder auch mit Gewalt, gelang es ihnen, die Männer aus den Betten zu jagen und sie so weit zu bringen, daß sie sich anzogen. Kid suchte sich die leichtesten Fälle für die Beerdigungsschicht heraus. Eine zweite Schicht erhielt den Befehl, Holzscheite herbeizuschaffen, mit denen die Gräber durch den Schnee bis zur gefrorenen Erde gebrannt wurden. Eine dritte Schicht mußte Brennholz schlagen und es unparteiisch in den Hütten verteilen. Wer zu schwach war, um ins Freie zu gehen, mußte die Hütten säubern, Fußböden schrubben und Kleider waschen. Eine besondere Schicht mußte Fichtenzweige in Mengen sammeln; sämtliche Öfen wurden geheizt, damit man genügend Fichtentee zubereiten konnte.

Aber was Kurz und Kid auch taten, die Lage blieb doch äußerst ernst und unbehaglich. Mindestens dreißig schlimme und offenbar unheilbare Kranke mußten sie in den Betten liegen lassen, nachdem sie mit Grauen und Ekel ihren Zustand geprüft hatten. In Laura Sibleys Hütte starb eine der Frauen. Aber strenge Maßnahmen waren ja unter den gegebenen Verhältnissen unvermeidlich.

»Es geht mir gegen den Strich, kranke Leute zu verhauen«, erklärte Kurz und ballte drohend die Fäuste. »Aber ich würde ihnen den Kopf abschlagen, wenn ich sie dadurch heilen könnte. Und was euch Taugenichtsen nottut, sind Dresche! Also los! Heraus aus den Decken und etwas willig, oder ich mache eure schönen Gesichter zu Apfelmus.«

Alle Arbeitsschichten stöhnten, seufzten und schluchzten. Und die Tränen strömten ihnen aus den Augen und gefroren noch während der Arbeit auf den Wangen zu Eiszapfen.

Als die Arbeiter dann gegen Mittag in die Hütten zurückkehrten, fanden sie anständig zubereitetes Essen, das die schwächeren Leute inzwischen unter Kids und Kurz’ Fuchtel und Anleitung gekocht hatten, auf den Tischen vor.

»Und jetzt genug für heute«, sagte Kid gegen drei Uhr nachmittags. »Jetzt ist Schluß! Geht zu Bett! Ihr fühlt euch natürlich sehr schlecht, aber morgen wird es schon besser gehen. Selbstverständlich ist es kein Spaß, wieder gesund zu werden, aber ich werde euch schon zurechtkriegen.«

»Zu spät«, erklärte Wentworth mit einem leisen Lächeln, als er Kids Bemühungen betrachtete. »Sie hätten schon letzten Herbst auf diese Weise anfangen müssen.«

»Kommen Sie mal mit«, antwortete Kid. »Nehmen Sie die beiden Eimer hier. Ihnen fehlt ja nichts.« Dann gingen die drei Männer von Hütte zu Hütte und flößten jedem einen ganzen Liter Fichtentee ein. So ganz leicht ging das freilich nicht.

»Ihr könnt sicher sein, daß wir nicht spaßen«, erklärte Kid dem ersten Widerspenstigen, der in seinem Bett auf dem Rücken liegenblieb und mit zusammengebissenen Zähnen ächzte. »Pack an, Kurz!« Kurz faßte den Patienten an der Nase und gab ihm mit der anderen Hand einen Stoß in das Zwerchfell, daß er den Mund öffnen mußte. »So, und jetzt hinunter damit.«

Und hinunter kam der Fichtentee, wenn der Patient auch die unvermeidlichen prustenden und röchelnden Laute von sich gab.

»Nächstes Mal wird es schon besser gehen«, tröstete Kurz das Opfer, während er den Mann im Nebenbett an der Nase packte.

»Ich für meinen Teil würde ja lieber Rizinus nehmen«, gestand Kurz vertraulich, bevor er die eigene Portion hinunterwürgte. »Lieber Gott!« war alles, was er laut sagen konnte, als er den bitteren Trank eingenommen hatte. »Klein wie ein Mäuschen, aber stark wie ein Elefant. das hat’s in sich.«

»Wir werden diese Fichtenteerunde viermal täglich machen, und jedesmal müssen achtzig Personen betreut werden«, teilte Kid Laura Sibley mit. »Wir haben also keine Zeit, Allotria zu treiben. Wollen Sie den Tee schlucken oder soll ich Sie an der Nase fassen?« Er hob Daumen und Zeigefinger in sehr beredter Weise. »Er ist ja aus Fichtennadeln hergestellt, der Tee, so daß Sie sich keine Gewissensbisse zu machen brauchen.«

»Gewissensbisse!« prustete Kurz. »Bei Gott im Himmel, nein. es ist eine himmlische Medizin.«

Laura Sibley zögerte immer noch. Sie verschluckte jedoch, was sie sagen wollte.

»Na? Wird’s?« fragte Kid barsch.

»Ich werde. werde es ja schon nehmen«, sagte sie zitternd. »Aber machen Sie schnell.«

Als es Abend wurde, krochen Kid und Kurz ins Bett, müder, als sie selbst nach den längsten Schlittenfahrten und Wanderungen je gewesen.

»Es macht mich ganz krank«, gestand Kid. »Es ist furchtbar, wie sie dabei leiden. Aber Bewegung ist wirklich das einzige Mittel, das ich weiß, und wir müssen es natürlich gründlich versuchen. Ich möchte nur, wir hätten einen einzigen Sack Kartoffeln.«

»Sparkins kann nicht mehr Teller abwaschen«, sagte Kurz. »Er hat solche Schmerzen, daß er schwitzt. Ich mußte ihn wieder ins Bett bringen, so hilflos war der arme Kerl.«

»Wenn wir nur rohe Kartoffeln hätten«, spann Kid seinen Gedanken weiter. »Das Entscheidende, das Wesentliche fehlt in dem eingemachten Fraß. Das, was Leben schafft, ist einfach herausgekocht.«

»Und wenn der junge Bengel, der Jones aus der Hütte von Brownlow, nicht abkratzt, ehe es Morgen wird, kannst du mich einen Affen schimpfen.«

»Um Gottes willen, sei doch nicht solch Schwarzseher!« rügte Kid.

»Wir werden ihn wohl begraben dürfen, nicht wahr?« fauchte Kurz entrüstet. »Ich sage dir, dem jungen Burschen geht es verdammt dreckig.«

»Halt’s Maul«, rief Kid.

Nachdem Kurz noch ein paarmal entrüstet gegrunzt hatte, schlief er unter lautem Schnarchen ein.

Am nächsten Morgen zeigte es sich, daß nicht nur Jones tatsächlich im Laufe der Nacht gestorben war, sondern auch einer der Kräftigeren, der in der Brennholzschicht gearbeitet hatte. Er hatte sich aufgehängt. Und jetzt begann eine Reihe von Tagen, die ein wahrer Alpdruck waren. Eine ganze Woche gelang es Kid noch, seine Bestimmungen in bezug auf Fichtentee und Bewegung durchzuführen, obgleich er sich sehr hart machen mußte, um es erzwingen zu können. Er war aber doch genötigt, bald einen, bald mehrere der Kranken von der Arbeit zu befreien. Allmählich sah er ein, daß Bewegung ungefähr das schlimmste Mittel war, das man Skorbutkranken empfehlen konnte. Die Beerdigungsschicht, die täglich kleiner wurde, hatte unaufhörlich Arbeit genug und mußte jetzt immer ein halbes Dutzend Gräber in Bereitschaft halten, die auf ihre Opfer warteten.

»Sie hätten auch keinen schlechteren Platz für das Lager wählen können als diesen«, sagte Kid zu Laura Sibley. »Sehen Sie sich nur um. er liegt tief unten in einer engen Schlucht, die von Osten nach Westen geht. Die Mittagssonne steigt nie über den Rand der Schlucht empor. Es muß ja Monate her sein, daß Sie überhaupt die Sonne gesehen haben.«