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»Aber wie konnte ich das wissen?«

Er zuckte die Achseln. »Ich weiß eigentlich nicht, warum Sie es nicht hätten wissen sollen, wenn Sie imstande waren, hundert Verrückte nach einer Goldmine zu führen.«

Sie warf ihm einen bösen Blick zu und humpelte weiter. Als er einige Minuten später von einem Spaziergang nach der Stelle zurückkehrte, wo eine Schicht ächzender Patienten Fichtenzweige sammelte, sah er die Seherin in die Hütte Arnos Wentworth’ treten und folgte ihr. Noch vor der Tür hörte er ihre Stimme wimmern und betteln.

»Nur für mich«, bat sie, als Kid eintrat. »Ich werde es keiner Seele verraten.«

Beide starrten den Ankömmling eigentümlich schuldbewußt an, und Kid hatte den Eindruck, daß er dicht vor einer Entdeckung stand, wenn er auch nicht wußte, um was es ging, und er verfluchte sich, daß er nicht an der Tür gehorcht hatte.

»Heraus damit!« befahl er barsch. »Was ist los?«

»Was soll los sein?« fragte Arnos Wentworth mürrisch.

Kid konnte aus guten Gründen keine nähere Erklärung geben, was los sein sollte.

Die Lage wurde immer unheimlicher. In der Tiefe der dunklen Schlucht, wo nie die Sonne hereinschien, stieg die Sterbeliste von Tag zu Tag. Und täglich untersuchten Kid und Kurz gegenseitig ihren Mund, aus Furcht, daß der Gaumen und die Schleimhäute anfangen sollten, weiß zu werden. das erste sichere Zeichen, daß sie von der Krankheit befallen wären.

»Jetzt hab’ ich genug«, erklärte Kurz eines Abends. »Ich hab’ mir die Sache genau überlegt. Ich hab’ genug davon. Ich mache gern mit, wenn es gilt, Sklaven an die Arbeit zu treiben, aber Krüppel anzutreiben, ist mehr, als mein Magen verträgt. Es wird immer schlimmer mit ihnen! Es sind im ganzen kaum noch zwanzig Mann, die ich an die Arbeit treiben kann. Ich sagte heute abend zu Jackson, daß er ruhig wieder ins Bett kriechen sollte. Er stand am Rande des Selbstmords. Ich konnte es ihm direkt ansehen. Bewegung tut nicht gut.«

»Das hab’ ich auch eingesehen«, antwortete Kid.

»Wir werden sie alle von der Arbeit befreien mit Ausnahme von einem Dutzend, die uns helfen müssen. Sie können sich ja ablösen. Und dann wollen wir mit dem Fichtentee aufhören. Der hilft auch nichts.«

»Ich bin fast derselben Ansicht«, seufzte Kid. »Aber er schadet ihnen jedenfalls nicht.«

»Wieder ein Selbstmord«, berichtete Kurz am nächsten Morgen. »Philipps hat Schluß gemacht. Ich hab’ es schon seit Tagen kommen sehen.«

»Ja, wir haben das Schicksal jetzt gegen uns«, klagte Kid. »Was würdest du vorschlagen, Kurz?«

»Wer? Ich? Ich gebe mich nicht mit Vorschlägen ab. Die Sache muß eben ihren schiefen Gang weitergehen.«

»Aber das würde bedeuten, daß alle sterben«, protestierte Kid.

»Mit Ausnahme von Wentworth«, knurrte Kurz ärgerlich, denn er teilte schon längst den Unwillen seines Partners gegen diesen Menschen.

Kid war ganz verblüfft über den immer noch guten Zustand Wentworth’, der unter den gegebenen Verhältnissen das reine Wunder schien. Warum in aller Welt war er der einzige, der keinen Skorbut bekam? Und warum haßte Laura Sibley ihn. während sie doch gleichzeitig winselte und bettelte und ihn anflehte, um irgend etwas Geheimnisvolles von ihm zu bekommen? Was war dieses Geheimnisvolle, das sie von ihm erhalten und das er ihr nicht geben wollte?

Kid hatte sich daran gewöhnt, hin und wieder einen Besuch in der Hütte Wentworth’ abzustatten, wenn der seine Mahlzeiten einnahm. Aber das einzig Verdächtige, das er feststellen konnte, war lediglich Wentworth’ Mißtrauen gegen ihn. Bei der nächsten Gelegenheit versuchte er, Laura Sibley auszufragen.

»Rohe Kartoffeln würden ja die ganze Gesellschaft kurieren«, bemerkte er zu der Seherin. »Das weiß ich. Ich habe schon früher gesehen, wie gut sie tun.«

In ihren Augen blitzte Zustimmung auf, wurde aber sofort von Haß und Bitterkeit verdrängt. Er merkte, daß er auf die richtige Spur gekommen war.

»Warum haben Sie keine rohen Kartoffeln auf dem Dampfer mitgebracht?«

»Das taten wir ja auch. Als wir aber den Fluß heraufkamen, verkauften wir sie in Bausch und Bogen in Fort Yukon. Wir hatten ja reichlich Eingemachtes und wußten, daß es sich besser hielt.«

Kid stöhnte. »Und Sie haben wirklich alle verkauft?« fragte er.

»Ja. Wie konnten wir denn wissen.«

»Nein. aber blieben nicht vielleicht ein paar Säcke übrig?. So ganz zufällig, wissen Sie. irgendwo auf dem Dampfer versteckt?«

Es kam ihm vor, als zögerte sie ein bißchen, ehe sie den Kopf schüttelte.

»Aber wäre das nicht doch möglich?« beharrte er.

»Wie soll ich das wissen?« fauchte sie wütend. »Ich hatte nicht das Amt eines Proviantverwalters.«

»Das hatte wohl Arnos Wentworth.« Plötzlich fiel ihm die Möglichkeit ein. ». Gut, sehr gut. aber was meinen Sie denn rein persönlich über diese Sache? Ganz unter uns. Glauben Sie, daß Wentworth irgendwo rohe Kartoffeln versteckt hält?«

»Nein. sicher nicht. warum sollte er?«

»Warum sollte er nicht?«

Aber sie zuckte nur die Achseln.

»Wentworth ist ein Sauvieh«, gab Kurz seine Meinung von der Sache kund, als Kid ihm seinen Verdacht mitgeteilt hatte.

»Und das ist Laura Sibley auch«, fügte Kid hinzu. »Sie glaubt, daß er Kartoffeln hat, hält es aber geheim, weil sie hofft, daß er mit ihr teilen werde.«

»Und er will nicht?« Kurz fluchte der Schwäche des menschlichen Charakters mit ausgesuchten Verwünschungen, bis er kaum noch japsen konnte.

Als es Nacht geworden war und das ganze Lager schnarchte und ächzte oder stöhnte, ohne schlafen zu können, suchte Kid die bereits dunkle Hütte Wentworth’ auf.

»Hören Sie mal, Wentworth«, sagte er. »Ich habe in diesem Beutel genau tausend Dollar in Goldstaub. Ich gelte als reicher Mann hier im Lande und kann es mir leisten. Ich fürchte, daß ich auch angesteckt worden bin. Geben Sie mir eine rohe Kartoffel, und der Staub gehört Ihnen. Hier. nehmen Sie.«

Es schauderte Kid, als Arnos Wentworth wirklich die Hand ausstreckte und das Gold nahm. Kid hörte ihn in seinem Bett herumwühlen und dann merkte er, wie ihm. nicht das Gold, sondern eine richtige Kartoffel in die Hand gedrückt wurde.

Kid wartete den nächsten Morgen nicht ab. Er und Kurz fürchteten, daß die zwei am meisten angegriffenen ihrer Patienten jeden Augenblick sterben würden, und sie suchten deshalb deren Hütten auf. Sie zerrieben die Kartoffel im Werte von tausend Dollar mit der Schale und dem Schmutz, der daran klebte, in einer Tasse und träufelten von dieser breiigen Masse jede Stunde ein wenig in die furchtbaren Löcher, die einst Münder gewesen waren. Die ganze Nacht hindurch lösten sie einander ab, so daß sie den Patienten in regelmäßigen Zwischenräumen den Kartoffelsaft einflößen konnten.

Als der nächste Tag zu Ende ging, schien ihnen die Besserung im Zustand der Patienten fast wunderbar. Sie waren schon nicht mehr die Kränksten. Und als die Kartoffel nach achtundvierzig Stunden verbraucht war, waren die beiden Patienten außer Gefahr, wenn auch noch längst nicht geheilt.

»Ich will Ihnen sagen, was ich jetzt tun möchte«, sagte Kid zu Wentworth. »Ich besitze viele Grundstücke hier im Lande, und mein Kredit ist so gut wie nur einer. Ich gebe Ihnen fünfhundert Dollar für jede Kartoffel bis zum Gesamtbetrag von fünfzigtausend Dollar. Also für insgesamt hundert Kartoffeln.«

»War das aller Staub, den Sie hatten?« fragte Wentworth.

»Kurz und ich haben alles zusammengescharrt, was wir bei uns hatten. Aber, offen gesagt, er und ich sind zusammen mehrere Millionen schwer.«

»Ich habe keine Kartoffeln mehr«, sagte Wentworth schließlich. »Es ist wirklich schade. Die Kartoffel, die ich Ihnen gab, war die einzige. Ich habe sie den ganzen Winter über aufbewahrt, aus Angst, daß ich Skorbut kriegen würde. Ich habe sie nur abgegeben, um mir eine Fahrkarte kaufen und das Land verlassen zu können.«