Er zog sie an sich. Seine Hand glitt über ihre samtene Haut, von den Brüsten zum Bauch, zu den Lenden. Sie öffnete die Beine, und er streichelte mit den Fingern ihr Geschlecht, das so haarlos war wie das eines Kindes, und plötzlich schrak er zurück vor dieser Fremdartigkeit, die er spürte, und er fühlte sich entmannt durch sie, obwohl sie ihn vorher nie gestört hatte. So glatt, so entsetzlich glatt. Er schaute hinunter auf ihre Kahlheit. Sie war unbehaart wie ein Kind, wie… wie eine Androide. Wieder sah er die Bottiche. Er sah feuchte, scharlachrote Alphas, deren Gesichter leer und blöde waren. Er sagte sich grimmig, daß es keine Sünde sei, eine Androide zu lieben. Er begann, sie zu liebkosen; sie reagierte, wie eine Frau reagieren würde, mit Wollust, mit kurzen, keuchenden Atemstößen, mit einem Druck ihrer Hüften gegen seine Hand. Er küßte ihre Brüste und preßte sie an sich. Da schien das flammende Bild seines Vaters wie eine Feuersäule vor ihm zu schweben. Alter Teufel, alter Zauberer! Wie genial, ein solches Produkt zu entwerfen! Ein Produkt! Perfekt! Es geht. Es spricht. Es verführt. Es stöhnt vor Leidenschaft. Es schwillt an in seinem Geschlecht, dieses Produkt! Und was bin ich? Auch ein Produkt? Ein Gemisch von Chemikalien, fabriziert nach dem gleichen Plan – mutatis mutandis, natürlich. Adenin. Guanin. Cytosin. Urazil. Geboren in einer Retorte, gewachsen in einem Mutterleib – wo ist da der Unterschied? Wir sind ein Fleisch. Wir sind verschiedene Rassen, doch wir sind ein Fleisch.
Sein Begehren nach ihr übermannte ihn wieder, Ihn schwindelte. Er schob sich keuchend auf sie, drang tief in sie ein. Ihre Fersen hämmerten wild auf seine Waden. Das Tal ihres Geschlechts zuckte, schloß sich dem Rhythmus seiner Bewegungen an. Stöhnend und zuletzt schreiend, erstürmten sie den Gipfel ihrer gemeinsamen Lust.
Als es vorüber war, als sie sich beide fallen ließen, sagte sie: »Das war abscheulich von mir.«
»Was war abscheulich?«
»Die Szene, die ich dir gemacht habe. Als ich versuchte, dir zu sagen, was meiner Meinung nach in dir vorging.«
»Vergiß es, Lilith.«
»Du hast recht gehabt. Ich nehme an, ich habe meine eigenen Zweifel in dich projiziert. Vielleicht fühle ich mich schuldig, weil ich die Mätresse eines Menschen bin. Vielleicht will ich mich für etwas halten, das aus Gummi gemacht ist. So fühle ich mich wahrscheinlich irgendwo tief in mir.«
»Nein. Nein.«
»Wir können uns nicht dagegen wehren. Wir atmen es immerzu ein. Wir werden tausendmal am Tag daran erinnert, daß wir nicht wirklich sind.«
»Du bist so wirklich wie jede, die ich zuvor gekannt habe. Wirklicher als die meisten von ihnen.« Er fügte nicht hinzu, ›wirklicher als Clarissa‹. »Du warst noch nie so leidenschaftlich wie heute, Lilith. Was ist los mit dir?«
»Es ist dein Besuch in der Fabrik«, antwortete sie. »Bis heute war ich immer sicher, daß du anders bist. Daß du dir nie eine Sekunde lang Gedanken darüber gemacht hast, wie oder wo ich geboren wurde, oder ob etwas Unrechtes daran ist, was wir beide tun. Aber ich hatte Angst, daß du dich ändern würdest, wenn du einmal die Fabrik gesehen, den ganzen Prozeß in seinen klinischen Details verfolgt hast… und dann, als du heute abend hereinkamst, war etwas Fremdes an dir, etwas Frostiges, das ich zuvor nie an dir beobachtet hatte…« Sie zuckte die Achseln. »Vielleicht habe ich es mir eingebildet. Ja, ich habe es mir eingebildet. Du bist nicht wie die anderen, Manuel. Du bist ein Krug. Du bist wie ein König. Du brauchst deinen Status nicht zu erhöhen, indem du andere Menschen erniedrigst. Du teilst die Welt nicht ein in Menschen und Androiden. Du hast es nie getan. Und ein einziger Blick in die Brutbottiche konnte das nicht ändern.«
»Natürlich nicht«, sagte er mit ernster Stimme, und seine Lüge ging ihm überraschend leicht über die Lippen. »Androiden sind Menschen, und Menschen sind Menschen, und ich habe nie anders gedacht und werde nie anders denken. Und du bist schön, und ich liebe dich leidenschaftlich. Und jeder, der glaubt, Androiden seien von minderer Rasse, ist ein arroganter Idiot.«
»Du unterstützt also die volle bürgerliche Gleichheit für Androiden?«
»Selbstverständlich.«
»Du meinst natürlich Alpha-Androiden?« sagte sie schelmisch.
»Ich… nun…«
»Alle Androiden sollen den Menschen gleich sein. Doch Alphas sollen gleicher sein als die anderen.«
»Du Hexe. Spielst du wieder dein Spielchen?«
»Ich trete ein für die Vorrechte der Alphas. Kann eine unterdrückte ethnische Gruppe nicht ihre eigene interne Klassenunterscheidung etablieren? Oh, ich liebe dich, Manuel. Nimm mich nicht immer ernst.«
»Ich kann nicht anders. Ich bin nicht sehr klug, und ich weiß nicht, wann du scherzt.« Er küßte ihre Brustwarzen. »Ich muß jetzt gehen.«
»Du bist ja erst gekommen!«
»Es tut mir leid, ich muß wirklich.«
»Du bist spät gekommen, wir haben die Hälfte unserer Zeit mit dummem Streit vergeudet. Bleib noch eine Stunde, Manuel!«
»Ich habe eine Frau, die in Kalifornien auf mich wartet«, sagte er. »Die wirkliche Welt erhebt ihre Ansprüche von Zeit zu Zeit.«
»Wann werde ich dich wiedersehen?«
»Bald. Bald. Bald.«
»Übermorgen?«
»Ich glaube nicht. Aber bald. Ich werde vorher anrufen.« Er zog sich an. Ihre Worte knisterten In seinem Geist. Du bist nicht wie die anderen, Manuel. Du teilst die Welt nicht ein in Menschen und Androiden. War es so? Konnte es so sein? Er hatte sie angelogen; er war voller Vorurteile, und sein Besuch in Duluth hatte eine Giftschleuse in ihm geöffnet. Aber vielleicht konnte er solche Gedanken durch einen Willensakt überwinden. Was würde man sagen, wenn der Sohn von Simeon Krug sich für die explosive Sache der Androidengleichheit einsetzen würde? Manuel, der Tunichtgut, der Müßiggänger, der Playboy, verwandelt in Manuel, den Kreuzfahrer? Er spielte mit dem Gedanken. Vielleicht. Vielleicht. Er bot eine angenehme Möglichkeit, das Stigma der Oberflächlichkeit abzuschütteln. Eine Sache, für die man eintreten konnte! Eine Sache, die vielleicht Erfüllung brachte. Lilith folgte ihm zur Tür, und sie küßten sich wieder. Seine Hände berührten noch einmal ihren Körper, und er schloß die Augen. Zu seiner Bestürzung erglühte die Halle der Zuchtbottiche hinter seinen Lidern, und Nolan Bompensiero erklärte mit leiser Stimme, wie frisch geborene Androiden in der Kunst der Kontrolle ihrer Schließmuskeln unterwiesen wurden. In quälendem Widerstreit machte er sich von Lilith frei. »Auf bald. Ich werde anrufen«, sagte er und ging.
16.44 Uhr, Kalifornien. Er trat aus der Transmatkabine in das mit Schiefer gepflasterte Atrium seines Hauses. Die Nachmittagssonne stand schon tief über dem Pazifik. Drei seiner Androiden traten zu ihm mit Kleidern zum Wechseln, einem Tablett mit Erfrischungsgetränken und einer Zeitung. »Wo ist Mrs. Krug?« fragte er. »Schläft sie noch?«
»Sie ist am Strand«, erklärte ihm ein Beta-Hausdiener.
Manuel zog sich rasch um, nahm ein Erfrischungsgetränk zu sich und ging hinaus zum Strand. Clarissa watete etwa einhundert Meter entfernt in der Brandung; drei langbeinige Strandvögel rannten in wilden Kreisen um sie herum, und sie rief ihnen zu, lachte, klatschte in die Hände. Er war fast bei ihr, bevor sie ihn bemerkte. Nach Liliths wollüstiger Üppigkeit wirkte sie mit ihrem kindlichen Körper noch unreifer als sonst: schmale Hüften, flacher Knabenhintern, die Brüste einer Zwölfjährigen. Das dunkle haarige Dreieck zwischen ihren Leisten paßte nicht dazu. Wie zum Hohn, dachte er kopfschüttelnd. Ich mache Kinder zu meinen Frauen, und Plastikweiber zu meinen Mätressen. »Clarissa?« rief er.