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»Was glauben Sie, was hier drinnen ist? Ein Androidenbordell? Das Hauptquartier von Verschwörern? Ein Versteck für Psychobomben?«

Spaulding sagte zornig: »Ich bin mehr interessiert an den Ursachen der Versuche, die man macht, mich aus dem Gebäude herauszuhalten, als daran, was tatsächlich in ihm ist. Als Privatsekretär von Simeon Krug…«

Die beiden Betas machten automatisch das Zeichen des Lob-sei-Krug. Watchman sah sie scharf an, und sie senkten schnell die Hände.

»… habe ich gewiß das Privileg, alles zu inspizieren«, fuhr Spaulding fort, offensichtlich hatte er nichts bemerkt. »Und daher…«

Watchman sah ihm forschend in die Augen, versuchte festzustellen, wieviel er wissen mochte. Machte Spaulding nur Schwierigkeiten, um Schwierigkeiten zu machen? Regte er sich nur so auf, weil seine Neugierde gereizt worden war und er sich in seiner Autorität angegriffen fühlte, weil er dieses unbedeutend erscheinende Gebäude nicht betreten durfte? Oder wußte er bereits von der Existenz der Kapelle und spielte Theater, um Watchman zu demütigen?

Es war nie leicht, Spauldings Motive zu ergründen. Die Hauptursache seiner Feindseligkeit gegenüber Androiden war hinreichend klar: Sie lag in seiner eigenen Abstammung. Sein Vater hatte, als er noch jung war, gefürchtet, ein Unfall könne ihn dahinraffen, bevor er das Zertifikat zur Tauglichkeit für die Elternschaft erhalten hatte; seine Mutter hatte die Vorstellung, ein Kind auszutragen, abscheulich gefunden. Beide hatten daher die geschlechtlichen Fortpflanzungszellen in einer Gefrierbank deponiert. Kurz darauf waren sie in einer Lawine auf Ganymed umgekommen. Ihre Familien waren vermögend und besaßen politischen Einfluß, aber dennoch bedurfte es eines fast fünfzehn Jahre dauernden Rechtsstreits, bis ein Dekret genetischer Wünschbarkeit erlassen wurde, das die rückwirkende Ausstellung der Elternschaftszertifikate an das gefrorene Ei und den gefrorenen Samen des toten Paares erlaubte.

Leon Spaulding wurde dann empfangen in einer Retorte und ausgetragen in einer Stahlplacenta, von der er nach den üblichen 266 Tagen ausgestoßen wurde. Vom Augenblick seiner Geburt an besaß er die vollen Rechte eines Menschen, einschließlich des Anspruchs auf das Vermögen seiner Eltern. Doch wie die meisten Ektogenen empfand er Unbehagen über die schattenhafte Grenzlinie, die den aus der Flasche Geborenen von dem aus der Retorte Geborenen trennte, und steigerte sein eigenes Existenzgefühl, indem er Verachtung gegenüber jenen zeigte, die vollkommen synthetischer Abstammung waren und nicht die künstlich empfangene Frucht natürlicher Fortpflanzungszellen. Androiden machten sich keine Illusionen, Eltern gehabt zu haben; Ektogene argwöhnten oft, daß sie keine hatten. In gewissem Sinne bemitleidete Watchman Spaulding, der auf einem dornigen Ast inmitten zwischen der Welt des vollkommen Natürlichen und der Welt des vollkommen Künstlichen saß. Doch er konnte kein Bedauern aufbringen für die Fehleinschätzung des Ektogenen.

Auf jeden Fall wäre es eine Katastrophe, wenn Spaulding in die Kapelle eindringen würde. Um Zeit zu gewinnen, sagte Watchman: »Wir können das leicht in Ordnung bringen. Warten Sie hier, ich gehe hinein, um zu sehen, was drinnen vor sich geht.«

»Ich werde Sie begleiten«, sagte Spaulding.

»Diese Betas sagen, es wäre gefährlich.«

»Gefährlicher für mich als für Sie? Wir gehen beide hinein, Watchman.«

Der Androide runzelte die Stirn. Was ihren Status in der Organisation betraf, waren er und Spaulding gleichgestellt; keiner von beiden konnte den anderen zu etwas zwingen, keiner konnte den anderen der Insubordination beschuldigen. Doch die Tatsache blieb, daß er ein Androide war, und Spaulding ein Mensch, und in allen Konflikten zwischen Androiden und Menschen war der Android verpflichtet, nachzugeben. Spaulding ging bereits auf den Eingang zu.

Watchman rief ihm nach: »Bitte. Nicht. Wenn ein Risiko besteht, lassen Sie es mich auf mich nehmen. Ich werde das Gebäude überprüfen und sicherstellen, daß Sie es ohne Gefahr betreten können. Kommen Sie erst, wenn ich Sie rufe.«

»Ich bestehe darauf…«

»Was würde Krug sagen, wenn er erführe, daß wir ein Gebäude betreten haben, nachdem man uns gewarnt hatte, es sei gefährlich? Wir schulden es ihm, unser Leben zu erhalten. Warten Sie. Warten Sie. Nur einen Augenblick.«

»Nun gut«, sagte Spaulding mürrisch.

Die Betas traten auseinander, um Watchman durchzulassen. Der Alpha eilte in die Kapelle. Drinnen fand er drei Gammas vor dem Altar in der Haltung der Nachgeberkaste; ein Beta stand über ihnen in der Haltung der Projektoren, und ein zweiter Beta kauerte an der Mauer, mit den Fingerspitzen das Hologramm Krugs berührend und die Worte des Übergängerrituals flüsternd. Alle fünf nahmen Haltung an, als Watchman eintrat.

Der Alpha improvisierte rasch eine Ablenkungstaktik.

Dem einen der Gammas winkend, sagte er: »Draußen ist ein Feind. Mit eurer Hilfe werden wir ihn verwirren.« Watchman gab dem Gamma genaue Instruktion, befahl ihm, sie zu wiederholen. Dann deutete er auf den rückwärtigen Ausgang der Kapelle hinter dem Altar, und der Gamma ging hinaus.

Nach einem kurzen Gebet kehrte Watchman zu Leon Spaulding zurück.

»Man hat Ihnen die volle Wahrheit gesagt«, berichtete der Alpha. »Dies ist in der Tat ein Teil der Gefrieranlage. Drinnen ist ein Team von Mechanikern mit schwierigen Gradkorrekturen beschäftigt. Wenn Sie hineingehen, werden Sie sie sicher stören, und außerdem setzen Sie sich Temperaturen von minus…«

»Ich wünsche trotzdem hineinzugehen«, sagte Spaulding. »Bitte lassen Sie mich durch.«

Watchman erblickte seinen Gamma, der sich atemlos von Osten näherte. Ohne sich zu beeilen, tat der Alpha so, als gewähre er Spaulding Zutritt zu der Kapellentür. In diesem Augenblick war der Gamma bei ihnen angelangt und rief: »Hilfe! Hilfe! Krug! Krug ist in Gefahr. Rettet Krug!«

»Wo?« fragte Watchman.

»Im Kontrollzentrum! Mörder! Mörder!«

Watchman ließ Spaulding keine Zeit, über die Unwahrscheinlichkeit der Situation nachzudenken. »Kommen Sie«, sagte er, den Ektogenen am Arm zerrend. »Rasch, wir müssen uns beeilen!«

Spaulding war bleich vor Schreck. Wie Watchman gehofft hatte, hatte die angebliche Gefahr für Krug das Problem der Kapelle aus seinem Bewußtsein gelöscht.

Zusammen liefen sie auf das Kontrollzentrum zu. Nach zwanzig Schritten schaute Watchman zurück und sah Dutzende von Androiden auf seinen Befehl hin zur Kapelle eilen. Sie würden das Innere innerhalb Minuten vollständig verändern. Bis Leon Spaulding wieder in der Lage war, in diesen Sektor zurückzukehren, würde der Kuppelbau nichts anderes beherbergen als einen Teil der Gefrieranlage.

12

»Genug«, sagte Krug. »Es wird kalt. Gehen wir hinunter.«

Die Aufzüge fuhren nach unten. Schneeflocken begannen um den Turm zu wirbeln; das Isolierfeld über dem Turm lenkte sie ab, schleuderte sie in weitem Bogen beiseite. Es war unmöglich, hier eine vollkommene Wetterkontrolle durchzuführen wegen der Notwendigkeit, die Tundra ständig gefroren zu halten. Es war gut, dachte Krug, daß die Androiden sich nichts daraus machten, im Schnee zu arbeiten.

Manuel sagte: »Wir möchten uns verabschieden, Vater. Wir haben uns im Psychoschaltinstitut von New Orleans angemeldet für eine Woche Egotausch.«

Krugs Blick verfinsterte sich. »Ich wünschte, du würdest aufhören mit diesem Unsinn.«

»Was ist Schlimmes dabei, Vater, mit Freunden die Identität zu tauschen? Eine Woche lang in der Seele eines anderen zu verbringen? Es ist harmlos, es ist befreiend. Es ist wunderbar. Auch du solltest es einmal versuchen.«

Krug zog verächtlich die Mundwinkel herab.

»Ich meine es ernst«, sagte Manuel. »Es würde dich ein wenig von dir selbst distanzieren. Deine krankhafte Konzentration auf Finanzprobleme, diese überspannte Begeisterung für dein interstellares Hobby, dieser entsetzliche Druck auf dein Nervensystem, das alles kommt von…«