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»Es war auch dein Turm! Du hast ein Jahr deines Lebens für ihn geopfert, Thor! Ich weiß, wie du ihn geliebt hast. Du warst mit ihm verwachsen, erinnere dich! Und dennoch… und dennoch hast du…« Krug unterbrach sich, bewegte stumm die Lippen, hustete.

Watchman nahm Liliths Hand. »Wir können jetzt gehen. Wir haben getan, wozu wir hergekommen waren. Wir werden nach Stockholm zurückkehren zu den anderen.«

Zusammen gingen sie an dem schweigenden, regungslosen Krug vorbei auf die Transmatanlage zu. Watchman schaltete eine der Kabinen ein. Das Feld war grün, hatte den richtigen Farbton; es mußte wieder alles in Ordnung sein im Transmathauptquartier.

Er streckte die Hand aus, um die Koordinaten einzustellen. Während er es tat, hörte er Krugs verzweifeltes Brüllen:

»Watchman!«

Der Androide wandte sich um. Krug stand wenige Meter von der Transmatkabine entfernt. Sein Gesicht war gerötet und verzerrt vor Wut. Seine Kinnbacken arbeiteten. Seine Hände ballten sich zur Faust, öffneten sich wieder. Plötzlich sprang er vor, packte Watchman am Arm und zog ihn von der Transmatkabine weg.

Krug schien nach Worten zu suchen. Er fand keine. Und plötzlich holte er aus und schlug Watchman ins Gesicht. Es war ein mächtiger Schlag, doch Watchman machte keinen Versuch, ihn zu erwidern. Krug schlug wieder zu, diesmal mit geballter Faust. Watchman wich zurück in Richtung auf den Transmat.

Aus tiefer Kehle gurgelnd stürzte Krug vorwärts. Er packte Watchman bei den Schultern und begann ihn wild zu schütteln. Watchman war erstaunt über die Wildheit seiner Bewegungen. Krug trat mit den Füßen nach ihm, spuckte ihn an, grub seine Nägel in sein Fleisch. Watchman versuchte sich von Krug freizumachen. Krug hämmerte mit seinem Kopf gegen Watchmans Brust. Watchman wußte, es würde nicht schwer sein, Krug beiseite zu schleudern. Aber er konnte es nicht tun.

Er konnte seine Hand nicht gegen Krug erheben.

In der Wut seines Ansturms hatte Krug Watchman fast an den Rand des Transmatfeldes gestoßen. Watchman schaute beunruhigt über seine Schulter nach hinten. Er hatte noch keine Koordinaten eingestellt; das Feld war offen, ein Weg ins Nichts. Wenn er oder Krug jetzt zufällig hineinfielen…

»Thor!« rief Lilith. »Paß auf!«

Der grüne Schein schien nach ihm zu greifen. Krug, um einen Meter kleiner als er, fuhr fort, ihn zu schlagen und zu stoßen. Es war Zeit, dem Kampf ein Ende zu machen, erkannte Watchman. Er legte seine Hände auf Krugs dicke Arme und verlagerte sein Gleichgewicht, um seinen Angreifer zu Boden zu schleudern.

Aber es ist Krug, dachte er.

Aber es ist Krug.

Es ist Krug!

Jetzt ließ Krug ab von ihm. Verblüfft atmete Watchman tief ein, versuchte seine Kräfte zu sammeln. Und jetzt stürzte Krug vorwärts, wild schreiend. Watchman ließ ihn gegen sich anrennen. Krugs Schulter krachte gegen Watchmans Brust. Wieder fühlte sich der Androide aus der Zeit geschleudert. Er schwebte rückwärts, wie von der Schwerkraft befreit, zeitlos mit unendlicher Langsamkeit. Das grüne Transmatfeld brandete hoch, um ihn zu verschlingen. Gedämpft hörte er Liliths Schrei, gedämpft hörte er Krugs Triumphgeheul. Gelassen, fast heiter taumelte Watchman in den grünen Schein, machte das Zeichen des Krug-bewahre-uns, bevor er verschwand.

37

Krug steht dicht vor der Transmatkabine, schwer atmend, zitternd. Er hat seine Bewegung genau berechnet. Ein oder zwei Schritte mehr, und er wäre Thor Watchman in das Feld gefolgt. Er ringt nach Atem. Dann tritt er zurück, wendet sich um.

Der Turm liegt in Trümmern. Tausende von Androiden stehen herum wie Statuen. Die Alphafrau Lilith Meson liegt, das Gesicht nach unten, im Schlamm und schluchzt. Ein Dutzend Meter entfernt kniet Manuel, eine traurige Gestalt, blutbefleckt, mit Schlamm bespritzt, seine Kleider in Fetzen, seine Augen leer, sein Gesicht kreidebleich und schlaff.

Krug empfindet ein großes Gefühl des Friedens. Sein Kopf ist klar. Er fühlt sich von allen Fesseln befreit. Er tritt zu Manuel.

»Steh auf«, sagt er.

Krug greift ihm unter die Arme, zieht ihn hoch und hält ihn, bis er aus eigener Kraft stehen kann.

Krug sagt: »Du bist jetzt der Boß. Ich überlasse dir alles. Leite den Widerstand, Manuel. Übernimm das Kommando. Stelle die Ordnung wieder her. Du bist der Mann an der Spitze. Du bist Krug. Verstehst du mich, Manuel? In diesem Augenblick danke ich ab.«

Manuel lächelt. Manuel hustet. Manuel starrt auf den schlammigen Boden.

»Es gehört alles dir, mein Junge. Ich weiß, du wirst es meistern. Die Dinge mögen düster aussehen heute, aber das ist nur vorübergehend. Du hast jetzt ein Reich, für dich, für Clarissa, für eure Kinder.«

Krug umarmt seinen Sohn. Dann geht er zu den Transmatkabinen. Er stellt die Koordinaten für das Fahrzeugmontagezentrum in Denver ein.

Tausende von Androiden sind anwesend, doch keiner scheint zu arbeiten. Sie starren Krug gelähmt vor Entsetzen an. »Wo ist Alpha Fusion?« fragt er. »Hat ihn jemand gesehen?«

Romulus Fusion erscheint. Er ist bestürzt beim Anblick Krugs. Krug gibt ihm keine Gelegenheit zu sprechen.

»Wo ist das Raumschiff?« fragt er sofort.

»Auf der Startrampe«, sagt der Alpha stockend.

»Führ mich hin.«

Die Lippen des Alpha bewegen sich zögernd, als wolle er Krug sagen, es habe eine Revolution stattgefunden, Krug sei nicht länger der Herr, seine Befehle hätten kein Gewicht mehr. Doch Alpha Fusion sagt nichts. Er nickt nur.

Er begleitet Krug zum Raumschiff. Da steht es, wie zuvor, verlassen auf der großen Rampe.

»Ist es fertig zum Start?« fragt Krug.

»Wir wollten in drei Tagen den ersten Testflug mit ihm durchführen, Sir.«

»Keine Zeit für einen Test jetzt. Sofortiger Start für eine interstellare Reise. Wir werden es per Automatik steuern. Besatzung ein Mann. Sag der Bodenstation, sie sollen das Schiff für sein früher besprochenes Reiseziel programmieren, Höchstgeschwindigkeit.«

Wieder nickt Romulus Fusion. Er bewegt sich wie in einem Traum. »Ich werde Ihre Instruktionen weitergeben«, sagt er.

»Gut. Sorgen Sie dafür, daß alles schnell geht.«

Der Alpha entfernt sich. Krug besteigt das Schiff, schließt und verriegelt die Luke hinter sich. Der planetarische Nebel NGC 7293 im Wassermann brodelt in seinem Gehirn, strahlt pulsierendes Licht aus, tönendes Licht, das wie ein Gong im Himmel klingt. Krug kommt, murmelt: Wartet! Wartet auf mich, ihr da oben! Krug kommt, um mit euch zu sprechen. Irgendwie. Ich werde einen Weg finden.

Selbst wenn eure Sonne Feuer ausstrahlt, das mich verbrennt, bevor ich euch erreicht habe. Krug kommt, um mit euch zu sprechen.

Er geht durch das Schiff. Alles ist in Ordnung.

Er schaltet nicht den Bildschirm für einen letzten Blick auf die Erde ein. Krug hat der Erde den Rücken gekehrt. Er weiß, wenn er jetzt hinausschaut, dann sieht er Brände in allen Städten aufflammen, und das will er nicht sehen; das einzige Feuer, das ihn jetzt hoch interessiert, ist jener feurige Ring im Wassermann. Die Erde ist etwas, das er Manuel vererbt hat.

Krug entkleidet sich. Er legt sich in eine der Gefriereinheiten des Lebensunterbrechungssystems. Er ist bereit zur Abreise. Er weiß nicht, wie lange die Reise dauern wird, noch ob er an ihrem Ende etwas vorfinden wird. Aber sie haben ihm keine andere Wahl gelassen. Er überantwortet sich ganz seinen Maschinen, seinem Raumschiff.

Krug wartet.

Werden sie diesem seinem letzten Befehl gehorchen?

Krug wartet.

Der Glasdeckel der Gefriereinheit schließt sich plötzlich, schneidet ihn vollkommen von der Außenwelt ab. Krug lächelt. Jetzt fühlt er die kühlende Flüssigkeit einströmen; er erschauert, als sie sein Fleisch berührt. Sie steigt an ihm hoch. Ja, die Reise wird bald beginnen. Krug wird zu den Sternen fliegen. Draußen stehen die Städte der Erde in Flammen. Ihn lockt jenes andere Feuer, der Gong im Himmel. Krug kommt! Krug kommt! Die Kühlflüssigkeit bedeckt jetzt beinahe seinen ganzen Körper. Er versinkt in Lethargie. Der pulsierende Lebensstrom in seinem Innern verebbt. Sein fieberndes Gehirn wird ruhig. Er war noch nie so vollkommen entspannt gewesen. Phantome tanzen in seinem Gehirn: Clarissa, Manuel, Thor, der Turm, Manuel, der Turm, Thor, Clarissa. Dann sind sie verschwunden, und er sieht nur noch den feurigen Ring von NGC 7293. Auch der beginnt zu verblassen. Er atmet jetzt kaum noch. Schlaf senkt sich auf ihn herab. Er wird den Start nicht spüren. Fünf Kilometer entfernt sprechen einige treu gebliebene Androiden zu einem Computer; sie schicken Krug zu den Sternen. Er wartet. Jetzt schläft er. Die kalte Flüssigkeit hat ihn verschlungen. Krug hat seinen Frieden gefunden. Er verläßt die Erde für immer. Er tritt seine letzte Reise an.