Protassow im Hereintreten: Es braucht ja gar nicht zu kochen! Was ist denn das?! Warum habt ihr mir's nicht gesagt, meine Herrschaften?
Tschepurnoi: Ich habe ja gesagt, daß es kocht …
Protassow betrübt: Aber verstehen Sie mich doch: es liegt mir durchaus nichts daran, daß es kocht! Jegor kommt heraus.
Lisa: Wer hat denn das gewußt, Pawel? …
Protassow brummend: Ach … Teufel noch mal … Jetzt muß ich von vorne anfangen.
Jegor: Pawel Fjodorowitsch, geben Sie ein Rubelchen …
Protassow: Einen Rubel? Aber gleich! Sucht in allen Taschen. Lisa: , hast du nichts bei dir?
Lisa: Nein, Antonowna hat Geld …
Tschepurnoi: Ich habe auch welches … Hier sind drei!
Protassow: Drei Rubel? Bitte, geben Sie her … Hier, Jegor, sind drei - na, stimmt's?
Jegor: Gut … Wir werden schon abrechnen … Danke … Empfehle mich …
Lisa: Pawel, die Alte hat dich gebeten … ihm zu sagen … Hast du vergessen?
Protassow: Was - zu sagen? Ach … ja! Hm … ja! Jegor … Bitte, nehmen Sie Platz! Sehen Sie … vielleicht sagst du es, Lisa: ? … Lisa schüttelt den Kopf. Sehen Sie, Jegor … ich muß Ihnen sagen … das heißt, Antonowna bat mich … es zu tun. Es handelt sich darum, daß Sie … angeblich Ihre Frau prügeln. Entschuldigen Sie, Jegor …
Jegor steht auf: Ich prügle sie -
Protassow: So? Aber, sehen sie, das ist doch nicht gut … Ich versichere Sie!
Jegor drohend: Soll auch nicht gut sein.
Protassow: Verstehen sie mich? Warum prügeln sie Ihre Frau? Das ist bestialisch, Jegor … Das müssen sie lassen … Sie sind ein Mensch, Sie sind ein mit Vernunft begabtes Wesen. Sie sind das herrlichste, das erhabenste Wesen auf Erden …
Jegor: Ich?
Protassow: Nun, ja!
Jegor: Herr! Haben Sie sie auch gefragt, warum ich sie geprügelt habe?
Protassow: Nun - begreifen Sie doch: man darf nicht prügeln! Ein Mensch darf den andern nicht schlagen … das ist doch ganz klar, Jegor!
Jegor lachend: Ich bin geprügelt worden … und nicht zu knapp … Und wenn ich von meiner Frau sprechen soll … ja, die ist überhaupt kein Mensch, das ist ein Teufel …
Protassow: Was für ein Unsinn! Was heißt das »Teufel«?
Jegor nachdrücklich: Empfehle mich! Und meine Frau, die prügle ich weiter … bis sie so ist, wie das Gras vor dem Wind, so lange bekommt sie ihre Schläge! Geht ins Speisezimmer.
Protassow: So hören sie doch, Jegor! Sie haben selbst gesagt … fort ist er! Scheint es übelgenommen zu haben … Wie dumm das war … Diese Antonowna richtet immer etwas an … Wie albern! Geht betrübt hinter die Portiere.
Tschepurnoi: Der Kollege hat sehr überzeugend gesprochen!
Lisa: Der gute Pawel! … Er ist immer so komisch!
Tschepurnoi: Wissen sie, ich hätte diesem Jegor mit dem Stock eins aufs Maul geschlagen!
Lisa: Boris Nikolajewitsch!
Tschepurnoi: Nun was -? Ah, entschuldigen Sie, ich war etwas kräftig in meinen ausdrücken. Übrigens urteilt er einigermaßen logisch: man hat ihn geprügelt, und daraus schließt er, daß auch er prügeln darf! Ich ziehe daraus die weitere Schlußfolgerung: er sollte noch geprügelt werden …
Lisa: Ich bitte Sie … Wie können Sie so reden, warum?
Tschepurnoi: Auf der Basis dieser Logik ist die ganze Kriminaljustiz aufgebaut!
Lisa: Sie wissen, wie widerwärtig mir jede Roheit ist … wie ich sie fürchte, und immer wieder, als ob sie es darauf abgesehen hätten, mich zu reizen, kommen sie mir so! Na, warten Sie … Dieser Schlosser erweckt in mir ein Gefühl der Furcht. Er ist so … finster … und diese riesigen, gekränkten Augen … Mir ist immer, als hätte ich sie schon gesehen … damals, dort, in der Menge …
Tschepurnoi: Ach, denken Sie nicht daran! Nicht an ihn!
Lisa: Kann man denn so etwas vergessen?
Tschepurnoi: Was nutzt es denn, darüber zu reden?
Lisa: Dort, wo Blut vergossen wurde, wachsen keine Blumen mehr.
Tschepurnoi: Und wie wachsen sie!
Lisa steht auf und geht auf und ab: Dort wächst nur der Haß … Wenn ich etwas Rohes höre, etwas Gehässiges, wenn ich etwas Rotes erblicke, erwacht in mir jenes dumpfe Grauen, und ich sehe sie gleich wieder vor mir, diese schwarze, vertierte Menge, diese blutbefleckten Gesichter und die roten Blutlachen im Sand …
Tschepurnoi: Sie werden sich so lange in die Aufregung hineinreden, bis Sie einen Anfall bekommen …
Lisa: Und zu meinen Füßen der junge Mensch mit dem eingeschlagenen Schädel … er versucht fortzukriechen, von seinen Wangen und vom Halse strömt das Blut, er hebt das Haupt zum Himmel … ich sehe sein brechendes Auge, den offenen Mund und die mit Blut befleckten Zähne … sein Kopf fällt mit dem Gesicht auf den Sand, mit dem Gesicht …
Tschepurnoi tritt an sie heran: Um Gottes Willen! Was fange ich nur mit Ihnen an?
Lisa: Erfüllt Sie das nicht mit Entsetzen?
Tschepurnoi: Kommen Sie … wir wollen in den Garten gehen.
Lisa: Nein, sagen Sie … sagen Sie mir: Haben Sie für mein Entsetzen kein Verständnis?
Tschepurnoi: Natürlich. Ich verstehe es … fühle es!
Lisa: Nein … das ist nicht wahr! Verständen Sie mich, so wäre mir leichter ums Herz. Ich möchte diese Last von meiner
Seele wälzen, aber - ich finde keine andere Seele, die sie mit mir auch nur teilen wollte, die mich versteht … Nein, keine!
Tschepurnoi: Meine Liebe! Teuerste! Lassen Sie das! Gehen wir in den Garten … was das hier für ein Geruch ist! Als ob man einen alten Gummischuh in Fastenöl gebraten hätte …
Lisa: Ja … der Geruch … mir wird ganz schwindlig …
Antonowna tritt aus dem Speisezimmer: Lisonjka, es ist Zeit, die Tropfen einzunehmen, und du hast die Milch noch nicht getrunken!
Lisa ins Speisezimmer gehend: Gleich …
Tschepurnoi: Nun, wie geht's, Antonowna?
Antonowna den Tisch aufräumend: Nun … es macht sich … ich kann nicht klagen.
Tschepurnoi: Das ist ja schön! Und wie steht's mit der Gesundheit?
Antonowna: Gott sei Dank …
Tschepurnoi: Schade. Sonst hätte ich Sie kuriert.
Antonowna: Kurieren sie lieber Hunde … Ich bin kein Hündchen … Lisa tritt ein.
Tschepurnoi: Und ich möchte doch so gern einen guten Menschen kurieren …
Lisa: Wollen wir gehen? … Tritt durch die Tür auf die Veranda. Protassow mit einer Retorte in der Hand.
Protassow: Alte, kochendes Wasser!
Antonowna: Ich hab kein kochendes Wasser …
Protassow: nun, ich bitte dich recht sehr!
Antonowna: Warte - das Wasser im Samowar wird gleich kochen … Hast du mit Jegor gesprochen?
Protassow: Ja, ja ..
Antonowna: Hast du ihm ordentlich zugesetzt?
Protassow: Sehr! Weißt du, er hat vor angst förmlich gezittert: Ich habe ihm gesagt: »Weißt du, guter Freund, ich schicke dich …«
Antonowna: Zum Polizeimeister.
Protassow energisch werdend: Nein, nein … nun einerlei! Aber zum Gericht … zum Friedensrichter …
Antonowna: Besser wär's gewesen, ihn mit dem Polizeimeister zu schrecken … Nun, und er?
Protassow: Und er … weißt du, was er mir geantwortet hat? »Herr«, hat er gesagt, »du bist ein Narr!«
Antonowna ungläubig: Was du sagst?
Protassow: Ja, gewiß. »Ein Narr sind Sie«, hat er gesagt … »Stecken sie Ihre Nase nicht in Dinge, die Sie nichts angehen«, hat er gesagt …
Antonowna: Das hat er gesagt? Ist das möglich, Väterchen?
Protassow: Nein, nein, siehst du, Alte -! Das hat nicht er, das habe ich mir gesagt … Er hat es gedacht, und ich habe es ausgesprochen ,,,