Antonowna: Ach, dich soll … Will beleidigt fortgehen.
Protassow: Bring du mir selbst kochendes Wasser … Fima, diese Zierpuppe, bleibt überall hängen, entweder mit den Ärmeln … oder … mit den Röcken.
Antonowna: Ihre Fima hat, wie es scheint, mit dem Sohn des Wirts angebändelt …
Protassow: Du bist wohl neidisch auf sie?
Antonowna: Püh! Du bist doch der Herr im Hause, du mußt ihr sagen, daß sich sowas für ein junges Mädchen nicht schickt!
Protassow: Na, Alte, laß gut sein! Allerdings, wenn es nach dir ginge, müßte ich den ganzen Tag herumlaufen und allen Leuten sagen, was gut und was nicht gut ist … Merk es dir: Das ist nicht meines Amtes!
Antonowna: Wozu hast du denn dann studiert? Zu welchem Zweck? Melanija durch die Tür, die nach der Terrasse führt.
Protassow: Nun geh! - Was seh ich - Melanija Nikolajewna!
Melanija: Guten Tag, Pawel Fjodorowitsch!
Antonowna: Wer hat denn die Tür nicht geschlossen? Schließt die Tür.
Melanija: Sie sehen ja so zufrieden aus!
Protassow: Ich freue mich, daß Sie gekommen sind … sonst hätte mich die Alte noch zu Tode genörgelt. Und dann ist mir heute eine interessante Arbeit gelungen …
Melanija: Ja? Wie mich das freut! Ich wünschte so sehr, daß Sie berühmt werden …
Antonowna mürrisch abgehend: In der Stadt sprechen sie schon alle von ihm … Er ist schon berühmt …
Melanija: Ich hoffe, Sie werden noch einmal so eine Art Pastähr werden …
Protassow: Hm - darauf kommt es nicht an. Es heißt aber Pasteur … Ist das mein Buch, das Sie da haben? Haben sie es gelesen? Nicht wahr, das ist interessanter als ein Roman?
Melanija: Gewiß! Aber diese Zeichen …
Protassow: Die Formeln?
Melanija: Von Formeln verstehe ich nichts!
Protassow: Die muß man ein wenig lernen … Jetzt werde ich Ihnen eine Physiologie der Pflanzen zum Lesen geben … Vor allem aber und mit größter Aufmerksamkeit vertiefen sie sich in das Studium der Chemie! Studieren Sie Chemie und wieder Chemie! Wissen Sie, das ist eine ganz außerordentliche wissenschaftliche Disziplin! Sie ist, im Verhältnis zu anderen Wissenschaften, noch verhältnismäßig wenig entwickelt, aber schon jetzt erscheint sie mir wie das Auge, das alles sieht. Ihr scharfer, kühler Blick dringt sowohl in die Sonnenmasse und in das Dunkel des Erdkörpers wie in die fernsten unsichtbaren Tiefen unseres Herzens, Melanija seufzt, in das geheimnisvolle Wachstum des Steines, in das stumme Leben des Baumes. Die Chemie überblickt alles, und während sie überall Harmonie entdeckt, forscht sie hartnäckig nach dem Ursprung des Lebens … und sie wird ihn finden, wird ihn finden! Wenn die Chemie erst dahin gelangt sein wird, die Geheimnisse der Zusammensetzung der Materie zu ergründen, wird sie imstande sein, ein lebendes Wesen in einer Retorte herzustellen.
Melanija entzückt: Gott, warum halten Sie keine Vorlesungen?
Protassow: Wie kommen Sie darauf?
Melanija: Sie müssen durchaus Vorlesungen halten! Sie sprechen so hinreißend … Wenn ich Sie so höre, möchte ich Ihnen die Hände küssen …
Protassow betrachtet seine Hände: Das rate ich Ihnen nicht … Wissen Sie … meine Hände sind selten rein … denn ich muß allerhand anfassen.
Melanija innig: Wie gerne täte ich etwas für Sie! Wenn Sie wüßten! Ich … schwelge in Ihnen … Sie sind so überirdisch, so erhaben … Sprechen Sie, was brauchen Sie? Fordern Sie alles, alles.
Protassow: Ah … doch … Sie könnten …
Melanija: Was? Was kann ich?
Protassow: Haben Sie Hühner?
Melanija: Hühner? Was für Hühner?
Protassow: Nun - Hausgeflügel … Sie wissen doch! So eine Hühnerfamilie - Hähne, Hühner …
Melanija: Ja, ja, ich weiß.
Wir haben welche … Wozu brauchen Sie sie?
Protassow: Teure Melanija Nikolajewna, wenn Sie mir täglich frische Eier schenkten: ganz frisch gelegte, noch warme Eier … Wissen Sie, ich brauche so dringend Eiweiß, und Antonowna ist so geizig, sie hat keine Ahnung von Eiweiß, was das für mich bedeutet … Sie gibt mir nur alte Eier … und auch die bekomme ich nur nach langem Hin- und Herreden … und sie macht noch ein saures Gesicht dazu.
Melanija: Pawel Fjodorowitsch! Wie grausam Sie sind!
Protassow: Ich grausam? Wieso?
Melanija: Gut … Ich schicke Ihnen jeden Morgen ein Dutzend frischgelegte Eier …
Protassow: Herrlich! Jetzt ist mir geholfen! Ich bin Ihnen außerordentlich dankbar! Sie sind wirklich reizend!
Melanija: Sie sind ein Kind … ein grausames Kind … das nichts versteht!
Protassow: In der Tat, ich verstehe nicht, warum bin ich denn grausam?
Melanija: Warten Sie. Sie werden es noch einmal verstehen lernen. Ist Jelena Nikolajewna nicht zu Hause?
Protassow: Sie ist zur Sitzung bei Wagin …
Melanija: Gefällt er Ihnen?
Protassow: Wagin? O ja! Wir sind ja alte Freunde, haben zusammen das Gymnasium besucht und später - auf der Universität - Sieht auf die Uhr. Er war auch Naturwissenschaftler, aber im zweiten Studienjahr ist er zur Akademie übergegangen.
Melanija: Es scheint, daß auch Jelena Nikolajewna viel Gefallen an ihm findet …
Protassow: Ja, sehr viel. Er ist ein prächtiger Kerl, nur etwas einseitig.
Melanija: Und Sie befürchten nichts … Tschepurnoi klopft an die Verandatür.
Protassow öffnet die Tür: Was sollte ich fürchten? Ach - die Alte hat die Tür abgeschlossen …
Melanija: Ah, du bist hier?
Tschepurnoi: Du auch schon hier? Wo habt ihr Wasser? Jelisaweta Fjodorowna läßt darum bitten …
Protassow: Fühlt sie sich unwohl?
Tschepurnoi: Nein - es ist nichts von Belang … sie will Tropfen einnehmen … Geht ins Speisezimmer.
Protassow: Melanija Nikolajewna, entschuldigen Sie mich auf einen Augenblick … Ich will doch einmal sehen …
Melanija: Gehen Sie, gehen Sie! Kommen Sie aber bald zurück …
Protassow: Ja, ja! Wie wäre es, wenn Sie in den Garten gingen? Wie?
Melanija: Gut …
Protassow: Dort ist auch Lisa … Ruft. Antonowna, wo bleibt denn das Wasser? Entfernt sich.
Tschepurnoi tritt aus dem Speisezimmer: Nun, Melanija, wie steht's, wie geht's?
Melanija schnell und leise: Weißt du, was Hydatopyromorphismus bedeutet?
Tschepurnoi: Wa-s?
Melanija: Hy-dato-pyro-morphismus?
Tschepurnoi: Der Teufel weiß, was das ist! Vielleicht ein Wasserfeuerwerk …
Melanija: Ach, du willst mir was weismachen.
Tschepurnoi: Die Sache ist die: Pyro heißt Pyrotechnik und Metamorphose - Kunststück. Was ist damit? Er gibt dir wohl jetzt Lektionen auf?
Melanija: Das geht dich nichts an. Mach, daß du fortkommst.
Tschepurnoi: Wenn du ihn aber seiner Frau abjagst, so laß nur eine Seifenfabrik bauen: den Chemiker hast du dann ganz umsonst … Geht in den Garten.
Melanija: Wie grob du bist, Boris! Steht auf und zieht sich um.
Fima tritt ein: Jelisaweta Fjodorowna läßt Sie bitten, in den Garten zu kommen.
Melanija: Gut … Antonowna bringt einen Kessel mit heißem Wasser, Fima: klappert mit dem Tafelgeschirr. Was tragen Sie da, Antonowna?
Antonowna: Kochendes Wasser für den Herrn …
Melanija: Ach, wohl zum Experimentieren …
Antonowna: Ja, alles zum Experimentieren … Ab.
Melanija blickt ins Speisezimmer: Fima!
Fima in der Tür: Sie wünschen?
Melanija: Geht die gnädige Frau täglich zu dem Maler?
Fima: Wenn's regnet und wenn's trüb ist, geht sie nicht zu ihm. Dann pflegen Herr Wagin herzukommen …
Melanija: Du, Fima: , bist du klug?
Fima: Dumm bin ich nicht …
Melanija: Wenn du was merkst zwischen ihnen, willst du es mir sagen? Verstehst du?