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Antonowna  erscheint in der Tür:  Lisuschka - hast du deine Tropfen eingenommen?

Lisa  ungeduldig:  Ja doch, ja …

Antonowna:  Der Samowar kocht, und niemand kommt zum Tee … O Gott, o Gott … Geht in den Garten.

Tschepurnoi:  Ich habe überhaupt alles mit Neugier verfolgt … und war zu der Einsicht gekommen, daß das Leben schlecht eingerichtet ist - daß die Menschen habgierig und dumm sind, und daß ich besser bin als sie … Dieses Bewußtsein war mir angenehm, und meine Seele war ruhig … obgleich ich sah, daß es Menschen gibt, die am Leben schwerer zu tragen hatten als das Pferd, das ich behandelte, ja, daß es ihnen schlechter ging als einem Hund … das erklärte ich mir damit, daß der Mensch dümmer ist als Hund und Pferd.

Lisa:  Wie kann man nur so reden? Sie glauben doch selbst nicht, was Sie sagen!

Tschepurnoi:  Ja, so lebte ich und fühlte mich dabei gar nicht schlecht … Aber dann geriet ich in dieses Haus und sah, der eine reibt sich mit seinem Studium auf, der andere phantasiert nur von Zinnober und Ocker, dann ist eine da, die heiter scheinen will … und vernünftig … und Sie blicken in die Tiefen und tragen in Ihrer Seele eine Tragödie …

Lisa:  Aber womit haben wir Sie denn verdorben? Ich habe gewonnen …

Tschepurnoi:  Ich kann Ihnen das nicht so sagen … Zu Anfang hat es mir bei Ihnen so gut gefallen daß ich sogar aufhörte, Schnaps zu trinken. … Das fiel mir umso leichter, als ich mich an den Gesprächen mit Ihnen berauschen konnte … Aber dann … verlor ich meine Neugier und wurde unruhig …

Antonowna  kommt aus dem Garten:  Wenn Sie doch schon Tee trinken wollten …

Protassow  aus dem Zimmer sprechend:  Ist der Samowar fertig? Herrlich! Seid mir gegrüßt, gelehrter Herr …

Tschepurnoi:  Guten Tag, Kollege …

Protassow:  Ist Jelena im Garten?

Lisa:  Ja.

Protassow:  Ich gehe und rufe sie … Sie werden verlieren …

Tschepurnoi:  Nun, so werd ich verlieren …

Protassow:  Lisa, du hast heute eine so gute Farbe … und deine Augen sind so klar - so ruhig … Das - freut mich … Tritt in den Garten.

Lisa  ärgerlich:  Warum spricht er immer mit mir wie mit einem kranken Kinde?

Tschepurnoi:  Mit allen, die sich nicht für Protoplasma interessieren, spricht er, als ob sie Kinder wären …

Lisa:  Mit mir sprechen alle so … Alle haben es darauf abgesehen, mich daran zu erinnern, daß ich krank bin …

Tschepurnoi:  Seien Sie die erste, die es vergißt.

Lisa:  Fahren Sie fort … Sie sagten, daß Sie unruhig wurden, warum?

Tschepurnoi:  Ja, unruhig - und so unbehaglich … Es war mir, als sei der Mechanismus meiner Seele plötzlich eingerostet … Ich komme mir so albern vor, Jelisaweta Fjodorowna, und wenn Sie mir helfen …

Lisa:  Lieber Boris Nikolajewitsch! Lassen Sie das … Ich bin ein Schwächling, ein Krüppel …

Tschepurnoi:  Nun, dann werde ich zugrunde gehen wie ein Mistkäfer.

Lisa  aufspringend:  Lassen Sie das endlich! Sie quälen mich ja … Können Sie das nicht begreifen?

Tschepurnoi  erschreckt:  Nun gut! Ich tu's nicht wieder! Verzeihen Sie … es soll nicht wieder vorkommen! Ich schweige … Beruhigen Sie sich!

Lisa:  Mein Gott! Wie bemitleide ich Sie alle! Wie kraftlos sind sie alle … und wie einsam … Pause.

Tschepurnoi:  Wissen Sie, früher pflegte ich gut zu schlafen. Aber jetzt - jetzt liege ich da mit aufgerissenen Augen und träume wie ein blutjunger, verliebter Student … Ich möchte etwas vollbringen … wissen Sie, so etwas Großartiges … Heldenhaftes … aber was? Darauf kann ich nicht kommen … Und immer scheint es mir, als wäre auf dem Flusse Eisgang, und auf einer Scholle säße ein Ferkelchen, so ein kleines, rosiges Tierchen, und quiekt und quiekt! - Ich stürze drauflos, laufe ins Wasser … und rette das Schweinchen! Aber das Tier - niemand kann's brauchen! Und jetzt muß ich's ganz allein mit Meerrettich verspeisen … das Ferkel, das ich gerettet habe …

Lisa  lacht:  Das ist sehr spaßig!

Tschepurnoi:  Ja, zum Weinen … Aus dem Garten kommen Jelena, Protassow und Wagin.

Lisa:  Soll ich Tee eingießen?

Tschepurnoi:  Bitte schön … meinetwegen … Wissen Sie, Jelisaweta Fjodrowna - Sie sollten mich doch heiraten; dann würden wir zwei die Welt aus den Angeln heben!

Lisa  unangenehm berührt:  Wie Sie … so scherzen können … so peinigend, so merkwürdig …

Tschepurnoi  ruhig:  Ja, denken Sie mal drüber nach, was sollen wir tun? - Sie und ich?

Lisa  erschrocken:  Schweigen Sie … schweigen Sie!

Jelena  zu Wagin:  Nun ja, das ist hübsch, aber der Gedanke ist nicht tief und nicht jedem verständlich …

Wagin:  Die Kunst war stets nur für Auserlesene da … das ist ihr Stolz …

Jelena:  Das ist ihre Tragödie …

Wagin:  Diese Ansicht ist die der Mehrheit, und schon aus diesem Grunde bin ich dagegen.

Jelena:  Posieren Sie nicht! Es ist die Aufgabe der Kunst, die Menschen zu veredeln …

Wagin:  Die Kunst hat keinen Zweck …

Protassow:  Mein Freund, auf Erden gibt es nichts Zweckloses …

Tschepurnoi:  Wenn die ganze Erde es nicht ist …

Lisa:  Um Gottes Willen! Alles das hab ich schon tausendmal gehört …

Jelena:  Dimitrij Sergejewitsch! Das Leben ist schwer, und der Mensch wird häufig müde … Das Leben ist rauh, nicht wahr? Wo soll die Seele Erholung suchen? Das Schöne ist selten, aber ist etwas wirklich schön, so erhellt es meine Seele, wie die Sonne einen trüben Tag. Alle Menschen müssen die Schönheit verstehen und lieben, dann werden sie sie zur Grundlage der Moral machen … die Schönheit oder die Häßlichkeit des Handelns wird über seinen Wert entscheiden … und das ganze Leben wird schön sein!

Protassow:  Wunderbar, Jelena! Das kann geschehen …

Wagin:  Was scher ich mich um die Menschen! Mein Lied will ich laut und für mich allein singen …

Jelena:  Hören Sie auf! Wozu die vielen Worte? In der Kunst sollte der Trieb des Menschen ins Weite, in die Höhe zum Ausdruck kommen … Beherrscht dieses Streben den Künstler und glaubt er an die Sonnenkraft der Schönheit, so wird mir sein Bild, sein Buch, seine Sonate, verständlich und teuer sein … Er wird meine Seele empfänglicher, harmonischer machen … und fühle ich mich zu müde, so gibt er mir Erholung. Lust zur Arbeit, zum Glück und zum Leben!

Protassow:  Herrlich, Jelena!

Jelena:  Wissen Sie, ich stelle mir manchmal im Geiste ein Gemälde vor. Mitten auf dem unbegrenzten Ozean - schwimmt ein Schiff; leidenschaftlich wird es von den tobenden grünen Wellen umbrandet; vorn am Bug stehen starke, kräftige Männer … ganz einfach stehen diese Leute da - lauter offene, energische Gesichter - und mit stolzem Lächeln blicken sie in die Ferne, bereit, auf dem Wege zu ihrem Ziel ruhig unterzugehen … Das wäre das ganze Bild!

Wagin:  Das ist interessant … ja!

Protassow:  Warte …

Jelena:  Wenn diese Leute unter der strahlenden Sonne auf dem gelben Sande in der Wüste gehen …

Lisa  unwillkürlich halblaut:  Er ist rot …

Jelena:  Darauf kommt es nicht an! Es handelt sich nur darum, daß es Menschen besonderer Art sind, männlich und stolz, unerschütterlich in ihren Entschlüssen, dabei - einfach wie alles Große einfach ist … Ein solches Bild könnte mich stolz auf die Menschen machen, und auf den Künstler, der sie geschaffen … und würde mich an jene großen Männer mahnen, die uns geholfen, daß wir uns vom Tier getrennt haben, und die uns immer weiter führen zum Menschen hin! …

Wagin:  Ja, ich versteh … das ist interessant … und schön! Der Veranda nähert sich Jakow Troschin und bleibt mit offenem Munde stehen, ohne bemerkt zu werden.  Das werd ich versuchen, Donnerwetter!

Protassow:  Natürlich, Dimitrij! male! Jelena, du bist großartig! Das ist mir ganz neu an dir … wirklich, Lena!