Willis O’Briens Witwe, Mrs. Darlyne O’Brien, hatte behauptet, sie würde ihren Mann in Mimik und Gestik des originalen King Kong wiedererkennen. Wie dem auch sei, O’Brien konnte über ein erstklassiges Team von Effekt-Spezialisten verfügen, die ihn bei der Arbeit an »King Kong« unterstützten, vor allem sein Protege Marcel Delgado, der für die Konstruktion der beiden Kong-Modelle verantwortlich war, die im Film benutzt wurden.
Fast dreißig Jahre nach dem ersten King Kong-Film schuf O’Brien einen der faszinierenden Leinwandrivalen des Riesenaffen. In dem Film »King Kong Versus Frankenstein or King King Versus the Ginko« beauftragt Earl Denham, der Filmproduzent, der Kong zum erstenmal eingefangen hat, einen Nachkommen Victor Frankensteins, ein großes Monstrum zu bauen, das stark genug ist, gegen Kong zu kämpfen. Kong hatte wunderbarerweise seinen Sturz vom Empire State Building überlebt. Denham will die beiden Ungeheuer in einer Arena in San Francisco gegeneinander boxen lassen und hofft auf den gewinnträchtigen Zustrom vieler Schaulustiger.
Das Monstrum Frankenstein konstruiert zu diesem Zweck eine groteske Patchwork-Figur, die den Namen »Ginko« erhält. Ginko ist eine Kombination aus Gorilla, Elefant und Rhinozeros. Wie vorauszusehen war, gerät der Boxkampf aus den Fugen. O’Brien hatte vor, als Höhepunkt des Films einen Kampf auf der Golden Gate Bridge zu inszenieren, die bereits einmal von einem Polypen mit Kong-Proportionen zerstört worden war, in dem Film »It Came from Beneath the Sea« aus dem Jahre 1955.
O’Brien konnte einen Hollywood-Produzenten für seine Idee interessieren, der das Drehbuch aber völlig umschreiben ließ. Die Toho Films in Japan übernahmen das Projekt, und dort entstand 1962 ein Film unter dem Titel »King Kong Versus Godzilla«, ohne Ginko und ohne O’Briens raffinierte, aber teure Spezialeffekte. Statt dessen agierten zwei Stuntman, als Monstren verkleidet. Vielleicht war es gut, daß O’Brien im selben Jahr starb. So mußte er nicht mehr mit ansehen, was aus seiner Idee geworden war.
Seit King Kong zum erstenmal losgelassen wurde, sind viele Romane und Kurzgeschichten erschienen, die der Riesenaffe direkt oder indirekt inspiriert hat. Die vorliegende Anthologie »King Kongs Rivalen«, die einer der phänomenalsten und beliebtesten Gestalten der Filmgeschichte Tribut zollen soll, bringt zum erstenmal eine Auswahl dieser Kurzgeschichten in einem Band.
Der erste Teil der Anthologie handelt von Verwandten King Kongs. Im zweiten Teil lernen wir eine Reihe von überlebensgroßen Monstern kennen, die es alle mit ihm aufnehmen könnten. Durch diesen Teil des Buchs toben mehr Ungeheuer als im schönsten japanischen Horror-Film, und Godzilla und seine Spielkameraden wären monatelang beschäftigt, wenn sie alle diese Monster unschädlich machen wollten.
»Hier, meine Damen und Herren«, wie Carl Denham einst sagte, »sehen Sie King Kong, das achte Weltwunder!«
Und nun stellen sich seine Rivalen vor: die Weltwunder Nummer neun bis vierzehn.
Michel Parry
TEIL I.
ENTFERNTE VERWANDTE
DER MONSTERGOTT
von H. Rider Haggard
Der Erzähler, der Forscher Allan Quatermain, leitet eine Safari, die in ein feindliches afrikanisches Gebiet eindringt. Er hofft, eine wertvolle Orchidee zu finden, die als »Heilige Blume« bekannt ist. Kalubi, ein verängstigter Negerhäuptling, führt Quatermain durch den Urwald…
Die Dunkelheit brach herein. Es war nicht völlig schwarz, denn der Mond stieg auf. Aber dichte Regenwolken verdeckten ihn, und auch die hohen Bäume schienen das schwache Licht aufzusaugen.
Wir kauerten uns eng aneinander, in unsere Decken gewickelt, um uns vor der Kälte und der Feuchtigkeit zu schützen, aßen Biltong, getrocknetes Wildfleisch und geröstetes Getreide, das der junge Jerry glücklicherweise in einem Beutel über der Schulter getragen hatte, als er ins Kanu geworfen worden war. Ich war nun froh, daß ich daran gedacht hatte, diese Nahrungsmittel mitzunehmen, und auch eine Flasche Alkohol.
Dann hörten wir es zum erstenmal. Ein gräßliches Heulen drang durch den Urwald zu uns, gefolgt von dumpfen Trommelschlägen. Keiner von uns hatte je zuvor solche Laute gehört. Das Heulen ließ sich weder mit dem Gebrüll eines Löwen noch mit anderen tierischen Schreien vergleichen.
»Was ist das?« fragte ich.
»Der Gott«, jammerte Kalubi. »Der Gott betet den Mond an – immer, wenn er gemeinsam mit ihm aufsteht.«
Ich sagte nichts, denn ich überlegte, daß wir nur vier Kugeln im Gewehr hatten. Das war nicht viel und nichts sollte mich dazu verleiten, die wertvolle Munition zu verschwenden.
Da wir keine Schreie mehr hörten, fragte Bruder John Kalubi, wo denn die Mutter der Blumen wüchse.
»Herr«, antwortete Kalubi, noch immer völlig verwirrt, »da drüben, im Osten. Sie müssen einen Hügel hinaufsteigen, so lange, wie die Sonne braucht, um ein Viertel ihrer täglichen Reise zu vollenden. Sie müssen einem Pfad folgen, der durch Kerben in den Baumstämmen markiert ist, bis Sie hinter dem Garten des Gottes auf dem Gipfel zu einem Gewässer gelangen, in dessen Mitte eine Insel liegt. Am Ufer werden Sie ein Kanu finden, zwischen Büschen versteckt. Damit können Sie zur Insel fahren, auf der die Mutter der Heiligen Blumen wächst.«
Bruder John schien mit dieser Information nicht zufrieden zu sein und meinte, Kalubi könne uns den Weg ja morgen zeigen.
»Ich kann Ihnen den Weg nicht zeigen«, stöhnte das zitternde Häufchen Unglück.
In diesem Augenblick begann der Gott wieder zu heulen. Inzwischen schien er näher an uns herangekommen zu sein. Kalubi, von einer bösen Vorahnung ergriffen, erkundigte sich bei Bruder John nach den diversen Möglichkeiten eines Lebens nach dem Tode. Er wußte, daß unser Bruder ein Priester war, der Repräsentant irgendeiner unbekannten Religion.
Bruder John, ein verdienstvoller Missionar, bemühte sich gerade, Kalubi himmlischen Trost zu spenden, als der Urwaldgott ganz in unserer Nähe auf eine große Trommel zu schlagen begann. Diesmal brüllte er nicht, er bearbeitete nur sein Instrument, eine Art Militärtrommel. Zumindest klang es so, und ich kann versichern, daß es sehr unangenehm war, diesen Lärm im nächtlichen Urwald mitanzuhören.
Die Trommelschläge verstummten, und Bruder John riß sich zusammen und fuhr fort, seine frommen Ratschläge zu erteilen. Um diese Zeit hatte sich gerade wieder eine dicke Regenwolke vor den Mond geschoben, und das Dunkel im Wald war noch dichter geworden. Ich hörte, wie John Kalubi erklärte, dieser sei in Wirklichkeit nicht Kalubi, sondern eine unsterbliche Seele (ob der Häuptling das verstand?). Dann nahm ich einen schrecklichen Schatten wahr – ich kann ihn nicht anders beschreiben –, einen Schatten, der schwärzer war als das Dunkel rings um uns. Er kam blitzschnell auf uns zu, vom Rand der Lichtung her, auf der wir uns niedergelassen hatten.