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Es war der Abdruck eines Männerfußes – eines nackten Fußes. In der Ferse hatte sich ein kleiner Teich gebildet, Wasser vermischt mit Blut.

Wortlos richtete ich mich auf, dann durchsuchte ich das ganze Gestrüpp. Ich fand nichts – nichts außer diesem geheimnisvollen, blutigen Fußabdruck. Als ich Betts schließlich zur Treppe zurückstieß, war mein Mund staubtrocken. Ich hatte Angst.

Auf der Veranda ließ ich mich in einen Sessel fallen. Betts setzte sich zu mir und starrte mich furchtsam an. Minutenlang wagte keiner von uns das Schweigen zu brechen. Dann beugte sich Betts vor, legte eine Hand auf mein Knie und flüsterte: »Was – was war das?«

Ich antwortete nicht sofort. Ich dachte an Kodagi, den er in den Schlamm geworfen hatte, der so unglaublich schnell verschwunden war. Eben noch hatte der Medizinmann reglos im Schmutz gelegen, im nächsten Augenblick hatte Betts die seltsame Erscheinung im Gestrüpp gesehen, und Kodagi war plötzlich verschwunden.

»Ich weiß nicht, was es war«, sagte ich ruhig. »Ich weiß nur, daß Sie eine Riesendummheit gemacht haben.«

»Eine Dummheit? Ich?«

»In diesem Dorf werden die Eingeborenen nicht getreten und geschlagen. Wir sind im tiefsten Dschungel. Hier leben nicht die halb zivilisierten, friedlichen Neger, an die Sie gewöhnt sind. Die Leute hier sind atavistisch, und viele gehören den Bakanzenzi an.«

»Sie – Sie meinen…«

»Sie sind hier im Herzen eines fremdartigen Dschungels, inmitten fremdartiger Menschen. Hier geschehen seltsame Dinge. Das ist die einzige Erklärung, die ich Ihnen anbieten kann.«

»Aber der Affe – ich habe ihn doch gesehen…«

»Hier gibt es keine Gorillas, Betts. Die Menschenaffen kommen nie in diese Gegend. Sie verlassen niemals ihre Heimat in den Ogowwi- und Kivu-Distrikten.«

Er blinzelte mich verständnislos an. Zitternd hob er eine dicke Hand, um sich den Schweiß vom Kinn zu wischen. Meine Worte hatten ihn offenbar tief beeindruckt, denn in seinen Augen stand Entsetzen, und seine Lippen zuckten. »Geben Sie mir einen Drink, Varicks« stieß er hervor. »Ich kann einen brauchen.«

Ich zögerte. Er hatte schon mehr als genug getrunken. Aber ein Glas würde vielleicht seine Nerven stärken und einen Zusammenbruch verhindern. Ich stand auf, um die Flasche zu holen. Auch er erhob sich und wandte sich schwerfällig zur Verandatür um. Er öffnete sie und blickte zum anderen Ende der Lichtung, wo die Safari aufgetaucht war.

»Lucilia!« schrie er. »Lucilia!«

Ich war verwirrt, und meine Verwirrung wuchs noch, als ich der Richtung seines Blickes folgte und sah, was mir zuvor entgangen war. Ein Masheela-Stuhl, eine Art verschleierter Sänfte, stand am Waldrand, wo die vier Träger ihn abgesetzt hatten, bevor sie Hals über Kopf davongestürzt waren. Nun waren sie zurückgekommen. Betts befahl ihnen, den Masheela zur Hütte zu tragen, und sie gehorchten.

»Mein Gott«, flüsterte ich, »Sie haben eine Frau mitgebracht?«

»Warum nicht?«

»Hier hat eine weiße Frau nichts zu suchen, Betts. Das wissen Sie ganz genau…«

»Das ist meine Sache«, unterbrach er mich. »Sie ist meine Frau.«

Ich schluckte die Entgegnung hinunter, die mir auf der Zunge lag. Dann wandte ich mich um und starrte die Frau an, die auf uns zukam. Sie war jung, – viel jünger als ihr Mann, eine schlanke, sehr schöne Frau. Als Betts uns miteinander bekanntmachte und sie ihre Hand in die meine legte, war ich nur zu gern bereit, die Anwesenheit ihres betrunkenen Mannes hier in Kodagi zu ertragen. Eine weiße Frau an diesem schrecklichen Ort – es war, als sei ein Engel vom Himmel herabgestiegen.

Am nächsten Tag sah ich nur wenig von Betts und seiner Frau. Sie führten ihre Safari ans andere Ende des Dorfes und ließen sich mit ihrer gesamten Ausrüstung in einer Gruppe halbverfallener, leerstehender Hütten nieder. N jo, mein Hausdiener, erzählte mir am späten Nachmittag, daß Betts allein in den Dschungel gegangen war, um eine Besichtigungstour zu unternehmen.

»Allein?« Ich runzelte die Stirn und starrte auf Njos gelbe Zähne.

»Ja, Bwana. Er ist ein unwissender Narr.«

»Ist er betrunken?«

»So betrunken, Bwana, daß er nicht gerade gehen kann.«

»Hm. Glaubst du, daß er auch betrunken war, als er behauptete, er hätte einen weißen Affen gesehen?«

Die Augen des kleinen Jopaous weiteten sich vor Angst. Er schnitt Grimassen und warf sich vor mir auf die Knie. Ich mußte meine Frage wiederholen, bevor ich eine Antwort bekam.

»Andere haben den weißen Affen auch gesehen, Bwana«, flüsterte er. »Ich selbst sah ihn eines Abends im Dschungel, in der Nähe des Mondturms, wo sich die Bakanzenzi treffen. Und viele Manyimas und Zapo Zaps haben ihn gesehen. Es ist Mafui – der Weraffe. Er ist nicht von dieser Welt, Bwana.«

»Hast du Angst vor ihm?«

»Angst? Und wie! Der Mafui ist ein Todesbote.«

Ich sah ihn prüfend an. Kein Zweifel, die Angst, die ich in seinen Augen las, war echt. Ich zuckte gleichmütig mit den Schultern, um mein eigenes Unbehagen zu verbergen, wandte mich ab, drehte mich dann jedoch noch einmal zu Njo um. »Wo ist Kodagi?«

»In seiner Hütte, Bwana, auf der anderen Seite des Dorfes.«

»Geh zu ihm«, befahl ich. »Sag ihm, es tut mir leid, daß der weiße Mann ihn getreten hat. Sag ihm, er soll zu mir kommen, ich werde seine Wunden heilen.«

»Ja, Bwana.«

N jo lief davon. Eine Zeitlang ging ich in meiner Hütte auf und ab und lauschte dem Regen, der auf das Dach trommelte. Dann trat ich auf die Veranda hinaus und vergewisserte mich, daß mein Revolver, ein Webley 44, in der Halfter steckte.

Eine Stunde später kam Betts zu Besuch. Er kam allein, watete mühsam durch den dunklen Schlamm, stockbetrunken und in schlechter Laune. Zitternd sank er neben mir auf einen Verandastuhl. »Dieses verdammte Wetter…«

»Sie trinken zuviel. In dieser Gegend kann man sich nicht vollaufen lassen, wenn man am Leben bleiben will. Man kann nicht…«

»Man kann nicht, man kann nicht!« unterbrach er mich wütend. »Das ist offenbar der wichtigste Satz in diesem verfluchten Land. Man hat mir gesagt, daß ich im Ituri-Distrikt keinen Gummi produzieren kann. Aber, bei Gott, ich habe die Konzession, und ich werde es tun.«

Ich zuckte mit den Schultern. Wenn er sich mit dem starken Rum der Eingeborenen umbringen wollte, so war das seine Sache. Aber ich dachte an seine schöne junge Frau mit dem zarten Gesicht. Ich bedauerte sie aus tiefster Seele.

Das Ende war unausweichlich. Der Alkohol und der Regen würden ihn um den Verstand bringen. Er würde Lucilia das Leben zur Hölle machen. Ein Blick in ihr sorgenvolles Gesicht hatte mir genügt, um zu erkennen, daß diese Entwicklung bereits begonnen hatte.

»Sie müssen Ihre Frau zurückschicken«, sagte ich. »Sie haben kein Recht dazu, sie hierzuhalten und…«

Die Tür hinter mir öffnete sich. Ich drehte mich rasch um. Njo kam auf mich zu. Er war aus dem Dorf zurückgekehrt und hatte eine Nachricht für mich.

Er beugte sich zu mir herab und flüsterte mir ins Ohr: »Bwana, Kodagi sagt, daß er kommen wird, und er bedankt sich. Er sagt, daß du sein Freund bist, aber der weiße Mann mit den roten Augen soll sich in acht nehmen. Das ist alles, Bwana.«

Njo verschwand im Haus, und ich wandte mich wieder zu Betts. Meine Augen verengten sich. »Sie sind in Gefahr. Sie haben kein Recht dazu, auch Ihre Frau dieser Gefahr auszusetzen.«

»Nein? Komisch, daß Sie sich so für meine Frau interessieren…«

»Ich werde tun, wozu Sie nicht imstande sind – weil Sie zu betrunken sind«, stieß ich hervor. Ich konnte mich nur noch mühsam beherrschen. Am liebsten hätte ich ihn erwürgt.