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»Wenn es in diesem Dorf so gefährlich ist, warum bleiben Sie dann hier?« fragte er spöttisch.

»Weil ich nicht in Gefahr bin. Ich trete nicht nach Medizinmännern, und ich schieße nicht auf weiße Affen. Ich kümmere mich nur um meine eigenen Angelegenheiten.«

»Und?«

»Mein Vorgänger war so wie Sie. Er tat immer nur das, wozu er Lust hatte. Er starb ganz langsam – und qualvoll – und auf geheimnisvolle Weise.«

Meine Worte verfehlten ihre Wirkung. Betts stand schwankend auf und grinste mich an. »Sie sind schlimmer als die Nigger mit Ihrem verdammten Aberglauben. Ich bin vernünftiger. Und was ich begonnen habe, werde ich auch zu Ende bringen.«

»Sie weigern sich also, Lucilia zurückzuschicken?«

»Sie bleibt hier bei mir. Ich brauche jemanden, der mir die Drinks eingießt, Varicks. Zu was anderem ist sie nicht zu gebrauchen, aber vielleicht lernt sie mit der Zeit noch was dazu.«

»Sind Sie…« Ich brach ab. Diese Frage war indiskret.

»Was?«

»Sind Sie schon lange verheiratet?«

»Etwa einen Monat.« Er wandte sich ab. »Ich glaube, es war ein Fehler. Aber vielleicht lernt sie’s noch. Ja, ich werde es ihr schon beibringen.«

Dann stolperte er die Treppe hinab und taumelte durch das Dunkel davon.

Danach sah ich ihn ziemlich oft. Er war ständig betrunken, und immer, wenn er zu mir kam, prahlte er mit den großartigen Fortschritten, die er gemacht hätte. Er hatte seine Hütten bereits repariert, so daß sie dem trommelnden Regen standhielten. Und er hatte Vorbereitungen getroffen, um seine Milchsaftgewächse zu pflanzen. Seine Frau begleitete ihn nur selten, wenn er mich besuchte. Zuerst konnte ich das nicht verstehen. Aber eines Abends, als sie ihn begleitete, erkannte ich den Grund. Sie schämte sich.

Häßliche rote Flecken entstellten ihren schönen Hals. Rote Striemen zogen sich über ihre blasse linke Wange. Er mußte sie geschlagen oder gekratzt haben. Aber sie sagte nichts. Sie schwieg auch, wenn wir uns zufällig allein begegneten.

Und dann sagte Betts eines Abends: »Ich habe eine große Lichtung im Dschungel gesehen, Varicks – etwa eine Viertelmeile vom Dorf entfernt. Was ist denn das für ein komischer Turm in der Mitte dieser Lichtung?«

Ich wußte, was er meinte. Er hatte den Versammlungsort der Bakanzenzi gefunden, der kannibalistischen Sekte. Der Turm war eine massive Säule aus schimmerndem weißen Stein, eine Plattform umgab die Spitze, die sich wie ein Gegenstand aus einer anderen Welt aus dem Dschungel erhob.

Während der vier Monate, die ich nun in Kodagis Dorf lebte, hatte ich mir diesem Turm schon oft angesehen. Er war nicht hohl, und die Steine waren offenbar aus weiter Ferne angeschleppt worden, denn in der näheren Umgebung hatte ich kein ähnliches Gestein entdecken können. Ich glaube, daß die Phönizier diesen Turm gebaut haben, vor vielen Jahrhunderten. Im dunklen Innern des afrikanischen Kontinents stehen viele solche Türme. Sie waren zu Ehren der phönizischen Göttin Astarte errichtet worden. Aber nun sind sie den Göttern der Eingeborenen geweiht, und der schwarzen Magie.

Ich erklärte das alles dem Mann, der mir gegenübersaß, so gut ich konnte. Er zuckte mit den Schultern, als ich Astarte erwähnte, und grinste spöttisch, als ich von Mafui sprach. »Was sind denn das für merkwürdige Leute, diese Bakanzenzi?«

»Das weiß ich nicht genau, Betts. Kein Weißer kennt die geheimen Kulte der Schwarzen. Die Bakanzenzi sind Kannibalen, die sich angeblich zu bestimmten Zeiten in Tiere verwandeln können. Kodagi hat mir erzählt, daß jene Lichtung den Bakanzenzi heilig ist. Sie feiern bei dem alten weißen Turm ihre kultischen Feste. Die Lichtung ist von verkrümmten Okis umgeben, die angeblich Zauberbäume sind. Kodagi behauptet, daß jeder, der den heiligen Ort entweiht, mit dem Tode bestraft wird – mit einem grausamen Tod.«

»Unsinn«, sagte Betts. »Sie sind ein altes Waschweib, Varicks.«

»Ich habe lange genug im Dschungel gelebt, um vorsichtig zu sein«, erklärte ich.

»Tatsächlich? Und ich bin lange genug hier, um zu wissen, daß diese Lichtung eine wunderbare Plantage abgeben wird. Morgen werde ich anfangen, den Boden zu bebauen.«

Ich versuchte ihn von seinem Vorhaben abzubringen, aber er sagte, die Lichtung gehöre zu seinem Pachtgrund und es sei sein gutes Recht, sie zu bepflanzen. Am nächsten Tag ging er mit einer Negerschar in den Dschungel, um in der Lichtung der Astarte Gummipflanzen einzusetzen. Er trieb die Eingeborenen brutal an, und während sie sich für ihn abrackerten, lag er im Schatten des Turms und schüttete Rum in sich hinein.

An diesem Abend kam seine Frau zu meiner Hütte – allein. Wir saßen drinnen, denn die Nachtluft war kalt und feucht. Als sie sich im Schein der Lampe zu mir beugte, sah ich neue Spuren seiner Brutalität in ihrem Gesicht und an ihrem Hals.

»Ich – habe Angst«, flüsterte sie. »Er trinkt mehr denn je. Und einige unserer schwarzen Diener hat er so geprügelt, daß sie nicht mehr gehen können.«

»Hat er Sie auch geschlagen?« fragte ich sanft.

Sie wich meinem Blick aus, und ich sah, daß ihr das Blut in die Wangen stieg. Ich griff nach ihrer Hand. »Es wird Ärger geben«, sagte ich seufzend. »Sie haben mir erzählt, daß er seine Diener geschlagen hat. Aber noch kein Eingeborener ist zu mir gekommen, um sich zu beschweren. Das ist merkwürdig. Normalerweise kommen sie mit allen ihren Problemen zu mir, seit ich diesen Posten angetreten habe. Dieses Schweigen kann nur bedeuten, daß sie die Angelegenheit auf eigene Faust regeln wollen.«

»Und Sie können gar nichts tun?«

»Ich werde mein Bestes tun. Kodagi kommt morgen zu mir, um sich seine Wunden frisch verbinden zu lassen. Ihr Mann hat brutal nach ihm getreten, und ich fürchte, der Medizinmann hat auch innere Verletzungen.«

Unwillkürlich preßte Lucilia eine Hand auf ihre Rippen, sie stöhnte und unterdrückte einen Schmerzensschrei, als ihre Finger eine verborgene Verletzung berührten. Nun wußte ich, daß nicht nur Kodagi Betts’ Stiefel zu spüren bekommen hatte, und eine dumpfe Wut stieg in mir auf. O Gott – wenn ich ihn dabei erwische, wenn er Lucilia Fußtritte versetzte…

»Weiß er, daß Sie hier sind?« fragte ich.

»Nein. Er ist in den Dschungel gegangen – allein. Ich weiß nicht genau, wohin. Er ist immer betrunken – und mißgelaunt. Ich wage es nicht, ihm Fragen zu stellen.«

Ich ballte die Hände, sah, daß sie weinte, und zog sie an mich. Sie legte den Kopf an meine Schulter.

»Warum haßt er Sie, Lucilia?« fragte ich leise.

»Weil – weil er soviel trinkt. Und weil er eifersüchtig auf Sie ist. Sie sind so, wie er gern sein möchte. Stark und voller Selbstvertrauen…«

»Wenn ich wirklich stark wäre, wenn ich Mut hätte«, sagte ich bitter, »dann würde ich ihm seine Frau wegnehmen.«

Langsam hob sie den Kopf.

»Ich wünschte, Sie würden es tun«, flüsterte sie.

Ich widerstand der Versuchung. Sie war seine Frau. Ich war ein zivilisierter Weißer, trotz der Wildnis, die mich umgab. Ich konnte ihn töten – ich würde ihn töten, wenn ich mit ansehen müßte, daß er sie mißhandelte. Aber ich durfte sie nicht lieben, trotz der Gefühle, die sie in mir geweckt hatte. Es gab einen Unterschied zwischen Schutz und Diebstahl.

Ich begleitete sie durch das Dorf, durch den Regen.

Die Hütte, in der sie wohnte, war leer. Betts war noch nicht zurückgekommen. Flüsternd verabschiedete ich mich von Lucilia, dann ging ich langsam und mit schwerem Herzen nach Hause, zu meinem trostlosen Heim am anderen Ende des Dorfes.

Am nächsten Nachmittag kam Kodagi zu mir. Er humpelte und stützte sich auf die Schultern zweier Zapo Zaps. Sorgfältig verarztete ich seine Wunden. Dann lud ich den Medizinmann und seine beiden Begleiter in meine Hütte ein, um mich seiner Freundschaft zu versichern. Ich schenkte ihnen Zigaretten und ein paar wertlose Gegenstände, die sie entzückt in Empfang nahmen. Ich erlaubte ihnen auch, durch das Mikroskop zu blicken, das auf dem Tisch stand – ein Ding, das schon immer ihre Neugier erregt hatte.