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In der Mittagspause hockten Sanae und er unter den Bäumen im Park und ließen sich ihr Pausenbrot schmecken. Masao beschloß, vorsichtig auf das Thema loszusteuern. Aber statt dessen platzte er direkt heraus: »Ich habe zwei Karten für das Spiel der Mets morgen abend. Magst du Baseball?«

Sanae haßte Baseball. »Und wie!« sagte sie.

Sie beobachtete Masaos Gesicht, auf dem sich ein breites Lächeln ausbreitete. »Wunderbar! Die Mets spielen gegen die Philadelphia Phillies. Tug McGraw ist Werfer. Lee Mazzilli tritt zum erstenmal für die Mets an.«

Für Sanae war es, als erzählte er ihr vom Mars. »Oh, wie aufregend!«

Es war ihr egal, wohin Masao sie mitnehmen wollte. Sie wußte nur, daß sie gerne mit ihm zusammen war, daß er der attraktivste junge Mann war, den sie je kennengelernt hatte. Aber er hatte etwas in seinem Wesen, das sie nicht verstand – eine Angespanntheit, eine so sprungbereite Vorsicht, die nicht zu seinem Charakter paßte. Er schien dauernd auf der Hut vor irgend etwas oder irgend jemand zu sein. Manchmal schien er – der bloße Gedanke kam Sanae töricht vor – Angst zu haben. Sie wußte, daß irgend etwas ihn quälte, und sie hoffte nur, daß er eines Tages genug Vertrauen zu ihr haben würde, es ihr zu erzählen. Inzwischen war sie bereit, sich ein Dutzend Baseball-Spiele mit Masao anzusehen – wenn es ihn glücklich machte.

Das Shea-Stadion war rappelvoll. Masao konnte sich nicht erinnern, in seinem Leben schon so viele Menschen auf einem Haufen gesehen zu haben. Die Sportstadien in Japan waren groß, aber verglichen mit diesem hier waren sie nichts. All die großen Namen, von denen Masao seit Jahren gehört und gelesen hatte, waren auf dem Spielfeld versammelt. Er zeigte sie Sanae.

»Siehst du den großen Mann, der gerade aus der Kabine kommt? Das ist Steve Henderson, der Mittelfeldmann der Mets.«

»Ja, ich seh ihn«, sagte Sanae pflichtschuldig.

»Schau! Da ist Frank Taveris. Er ist einer der großen Stopper!«

Sanae nickte verständnisvoll. »Ah, ja.«

»Da kommt Craig Swann! Er ist der erste Werfer für die Mets.«

Das Spiel begann, und Masao konnte seine Augen nicht von der Baseball-Kugel abwenden. Sanae konnte ihre Augen nicht von Masao abwenden. Sie hatte nie jemanden so echt begeistert gesehen.

»Sieh nur!« rief Masao. »Das ist Greg Luzinski!«

»Sehr erfreut«, lächelte Sanae.

Das Wort Fan kommt von fanatisch, und Sanae kannte viele Baseball-Fans, die sich fanatisch für ihre Heim-Mannschaft begeisterten. Aber Masao feuerte beide Mannschaften an! Es war ihm egal, wer gewann. Es war das Spiel, das er liebte, der Sport als solcher, das Werfen und Schlagen und Rennen übers Feld.

Um so schockierender war für Sanae der ungewöhnliche Zwischenfall, der sich am Ende der neunten Runde ereignete. Das Spiel stand 2 : 2. Die Mets waren am Schlag, die Male waren besetzt, und zwei standen im Aus. Sogar Sanae, die sehr wenig vom Baseball verstand, erkannte, daß es ein aufregender Moment war. Steve Henderson trat vor, um den Ball zu schlagen, und die Menge fing an zu toben. Alle sprangen auf, schrien und feuerten ihn an, damit er den Durchbruch schaffte, der für das Heim-Team den Sieg bedeutete.

Und genau in diesem entscheidenden Augenblick fuhr Masao zu Sanae herum, sein Gesicht war auf einmal ganz blaß, und er sagte: »Komm, laß uns von hier verschwinden!«

Bevor Sanae wußte, wie ihr geschah, wurde sie von der Tribüne zum Ausgang gezerrt. Sie konnte es nicht glauben. Gerade im aufregendsten Augenblick des Spiels mußte Masao gehen!

Tosend brüllte die Menge auf. Da war etwas los auf dem Spielfeld.

Sanae sagte: »Masao, willst du denn nicht sehen, was …?«

»Nein! Schnell!« Sein Gesicht war wild entschlossen, er lief schnell und riß sie mit sich fort.

Sanae drehte sich um und schaute zurück. Uniformierte Polizisten kreisten die Stelle ein, wo sie gerade noch gestanden hatten, und kämmten die Menge durch. Im nächsten Moment waren Masao und Sanae in dem Tunnel, der zum Ausgang führte. Masao eilte auf ein Taxi zu.

»Wolltest du nicht abwarten und sehen, wie das Spiel ausgeht?« fragte Sanae.

»Ist jetzt egal.«

Aber sie brauchte ihm nur ins Gesicht zu sehen, um zu wissen, daß es gar nicht so egal war. Daß etwas Furchtbares passiert sein mußte.

Am nächsten Morgen, bei der Arbeit, schien Masao wieder ganz der alte. »Tut mir leid, daß ich gestern vor dem Spielschluß gehen mußte«, sagte er wie beiläufig zu Sanae. »Die Mets haben gewonnen. Es war ein großartiges Spiel, nicht wahr?«

Er tat so, als wäre nichts geschehen. Sanae konnte es einfach nicht fassen. Sie hätte alles darum gegeben, zu erfahren, was Masao quälte, aber sie kannte ihn nicht gut genug, um ihn zu fragen. Sie wußte nur eines: sie wollte ihm helfen, was es auch sein mochte – wenn er ihr nur die Möglichkeit gab.

Ein paar Minuten vor der Mittagspause kam Mr. Heller, der Vorarbeiter, durch die Tür.

Sanae blickte auf und sagte: »Wir haben Besuch.«

Masao schaute auf. Und sah – Teruo Sato.

Siebtes Kapitel

Eine schreckliche Sekunde lang war Masao wie erstarrt, sein Körper und Geist waren gelähmt vor Angst. Sein erster Gedanke war, daß Teruo sein Versteck entdeckt hatte und gekommen war, ihn zu holen. Dann aber, als Masao genauer hinschaute, sah er, daß Teruo mit Mr. Heller durch die Fabrikhalle schritt, während dieser ihm irgend etwas erklärte. Sein Besuch, das erkannte Masao, hatte nichts mit ihm zu tun. Noch hatte Teruo ihn nicht gesehen, aber jeden Moment konnten sie sich gegenüberstehen. Masao faßte einen raschen Entschluß. Als Teruo und Heller sich seiner Montagebank zuwandten, machte Masao eine rasche Bewegung mit dem Ellbogen und stieß eine Schaltplatte auf den Boden. Im gleichen Moment ließ er sich auf Knie und Ellbogen fallen und begann, unter dem Tisch verborgen, die verstreuten Teile zusammenzusuchen,

»He! Paß auf, was du tust!« bellte Hellers Stimme.

»Tut mir leid«, murmelte Masao. Er kauerte am Boden und kehrte, während er die Teile aufsammelte, den beiden Männern den Rücken zu. Sein Herz pochte stürmisch, sein Atem ging stoßweise. Wenn sein Onkel ihn erkannte, konnte Masao nur noch davonrennen – aber er wußte, er würde nicht weit kommen. Ein Wort, und die anderen Arbeiter würden sich auf ihn stürzen. Er schaute auf und sah, daß Sanae ihn mit verwirrter Miene beobachtete. Sie hatte gesehen, daß er die Schaltplatte absichtlich vom Tisch gestoßen hatte.

»Sind sie schon fort?« flüsterte Masao.

Sanae spähte zur Tür gegenüber, wo die beiden Männer gerade verschwanden. »Sie sind fort.«

Langsam stand Masao auf. Er war schweißgebadet.

»Hast du irgendwelche Probleme?« fragte Sanae freundlich.

Er hatte schlimmere Probleme, als sie sich vorstellen konnte! »Nein«, sagte Masao. »Ich hatte … es war nur ein Mißgeschick.«

Sogar für seine Ohren klang die Ausrede schwach. Sanae schaute ihn wortlos an, ihre sanften braunen Augen boten ihm Hilfe und Freundschaft an.

Masao zwang sich, weiterzuarbeiten, aber das falsche Gefühl der Sicherheit, das er gehabt hatte, war verschwunden. Statt dessen empfand er nackte Wut. Teruo Sato machte die Runde durch sein neues Firmenimperium und tat so, als gehöre es ihm. Und es würde ihm gehören, wenn Masao erst aus dem Weg geräumt war. Masao fühlte sich hilflos wie noch nie im Leben.

Jedesmal, wenn die Tür aufging, schaute er sich gehetzt um. Teruo konnte jeden Moment wiederkommen. Sanae bemerkte Masaos merkwürdiges Verhalten, aber sie sagte nichts. Sie beobachtete ihn und hoffte, daß er ihr etwas erklären würde. Sie wollte ihm helfen, aber sie schwieg. Er spürte, daß sein Schweigen sie verletzte, aber er konnte nichts dagegen tun. Dies war sein Problem, ganz allein seines.