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»Das ist alles.«

Sam Collins war entlassen. Sein Leben lang hatte er mit gefährlichen Männern zu tun gehabt, mit Rowdys und Mördern und Psychopathen und Sadisten. Aber dieser leise sprechende, ruhige Mann strahlte eine tödliche Kälte aus, die ihn frösteln ließ.

»Ich erwarte also Ihren Anruf«, sagte Sam Collins.

Lange nachdem der Detektiv gegangen war, saß Teruo Sato immer noch da, reglos wie eine Statue. Bislang hatte sein Neffe alle seine Züge gekontert. Teruo hatte ihm Schach geboten – aber Masao hatte sich niemals mattsetzen lassen.

Aber Teruo hatte bereits eine Lösung für das Problem. Er würde Masao mit Hilfe der Logik aufspüren – nicht seiner eigenen Logik, sondern mit einer höheren Logik. Er würde einen Computer einsetzen, um Masao zu fangen – einen Matsumoto-Computer.

Diese Ironie machte Teruo Spaß. Er griff zum Telefon, traf die nötigen Verabredungen und war eine Stunde später in der Computer-Abteilung der Matsumoto-Fabrik, um mit dem Operator zu sprechen. Teruo erklärte genau, was er wollte, und der Operator machte sich daran, die Daten in die Maschine einzufüttern.

Teruo schilderte Masaos Gewohnheiten, seine Hobbys, seine Vorlieben und Abneigungen. Sie hatten miteinander Schach gespielt, und Teruo wußte, wie das Hirn seines Neffen arbeitete, wie er dachte und reagierte. Auch das wurde weitgehendst in den Computer eingefüttert.

»Kommen Sie in zwei Stunden zurück, Mr. Sato«, sagte der Operator, »dann werde ich alle Informationen haben, die Sie brauchen.«

»Sehr gut.«

Teruo stand auf und ging hinaus. Er schlenderte durch die riesige Fabrik und dachte: Das alles gehört mir – genau wie alle anderen Matsumoto-Fabriken auf der Welt. Sie gehörten ihm. Er hatte sie sich verdient. Er hatte schwere Auseinandersetzungen mit Sachiko gehabt, aber schließlich hatte er seine Frau überzeugt, daß er das Richtige tat.

Er hatte ihr nicht erzählt, daß Higashis Tod nur ein Unfall war. »Masao hat ihn ermordet«, hatte er gesagt, und das hatte mitgeholfen, Sachiko noch mehr zu überzeugen.

Es war ein Fehler gewesen, der Polizei zu sagen, Masao habe Higashi ermordet. Er hatte es nur gesagt, weil er wollte, daß die Polizei ihm half, Masao rasch ausfindig zu machen. Aber inzwischen bereute er es. Er wollte nicht, daß Masao der Polizei in die Hände fiel. Er wollte, daß er ihm selbst auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war. Darum hatte er den Privatdetektiv angeheuert, der ihm den Jungen persönlich in die Hand liefern würde. Diesmal würden keine Fehler passieren. Computer machen keine Fehler.

Zwei Stunden später kehrte Teruo in den Computerraum zurück.

Der Operator blickte auf. »Ich habe alles für Sie bereit«, sagte er. »Hier sind alle Informationen, die Sie brauchen.«

»Hervorragend. Vielen Dank.«

»Gern geschehen, Mr. Sato.«

In seinem eigenen Büro studierte Teruo den Computer-Ausdruck sehr genau. Alle Vorlieben und Abneigungen und Hobbys seines Neffen waren ausgewertet. Masao liebte Hamburger und Pizzas. Also würden Privatdetektive solche Lokale beschatten. Er mochte Flipper-Maschinen. Also würden die Spielhallen bewacht werden. Er spielte gern Bowling. Sein Foto würde in jeder Bowling-Bahn und bei jeder Sportveranstaltung verteilt werden. Masao war ein Fan amerikanischer Cowboyfilme und Italo-Western. Die Kinos, die solche Streifen spielten, würden durchsucht werden. Privatdetektive würden alle Flughafen, Bahnhöfe und Busstationen beobachten. Es gab keine Möglichkeit, wie Masao die Stadt lebendig verlassen konnte. Der Computer hatte ihn eingekesselt.

Zwei letzte Angaben fand Teruo auf dem Ausdruck, die ihn besonders interessierten: Der Gesuchte wird zunehmend das Bedürfnis haben, sich unauffällig zu machen. Wird wahrscheinlich versuchen, sich im Japaner-Viertel zu verstecken. Höchste statistische Wahrscheinlichkeit: Japanische Kolonie in Greenwich Village, Sollte dem Gesuchten die Flucht aus New York gelingen, ist höchste statistische Wahrscheinlichkeit Los Angeles oder San Francisco.

Lange grübelte Teruo über diesen letzten beiden Angaben. Er lehnte sich in seinen Sessel zurück, um nachzudenken – es war ein geistiges Schach mit Masao. Er versetzte sich an die Stelle seines Neffen. Wenn er Masao wäre – was wäre sein nächster Zug? Wie würde er versuchen, aus New York herauszukommen? Und plötzlich fand Teruo die Lösung, die er gesucht hatte. Es war so einfach. Er selbst würde Masao helfen, zu fliehen.

Es gab keinen Ort, wo Masao sich verbergen konnte. Die Fahndung nach ihm konzentrierte sich auf New York. Masao wußte, daß er einen Weg finden mußte, die Stadt so schnell wie möglich zu verlassen. Er dachte daran, wie der Detektiv in die Wohnung der Familie Doi eingebrochen war, und er war verzweifelt, weil er Sanae und ihre Eltern in sein Problem hineingezogen hatte. Sanae hatte keine Ahnung, wer er war, und doch hatte sie keine Mühe gescheut, ihm zu helfen. Masao hatte das Gespräch zwischen Sanae und dem Detektiv nicht zu Ende angehört. Sein Gefühl sagte ihm, daß er schleunigst verschwinden mußte, und er war über die Feuerleiter geflohen. Er hatte auch nicht gewagt, in sein Hotel zurückzukehren. Die Fahndung konzentrierte sich wahrscheinlich auf dieses Stadtviertel. Und es war so leicht, ihn zu finden. Wie konnte sich ein japanisches Gesicht in einer rein weißen Nachbarschaft verstecken? Auf einmal wußte Masao, was er zu tun hatte. Er mußte ins Japaner-Viertel von Greenwich Village fahren.

Er nahm die U-Bahn und war überrascht von dem Lärm und dem Schmutz und der Grobheit der Menschen. In Tokyo war die Untergrundbahn sauber und leise, und die Fahrgäste waren höflich. Der Zug hielt in Greenwich Village, und Masao stieg aus. Sanae hatte ihm einmal vom Japaner-Viertel im Village erzählt, aber er wußte nicht genau, wo es sich befand.

Er hielt einen Botenjungen auf dem Fahrrad an und fragte: »Entschuldige. Ich suche das Japaner-Viertel. Kannst du mir sagen, wo es ist?«

»Yeah«, sagte der Junge. »Geh einfachdreimeilendiestraßelangunddannlinksbis zur Blaker Street.«

Der Junge verschwand, und Masao hatte kein Wort verstanden. Er stand gerade vor einem Kaufhaus. Er ging hinein und suchte, bis er einen Stadtplan von New York gefunden hatte. Rasch schlug er nach und fand auch gleich, was er suchte. Es war nicht mehr weit.

Masao lief die 10th Street hinab, und schon sah er japanische Firmenschilder und Reklametafeln an den Hauswänden. Er war beruhigt. Hier würde er nicht so sehr auffallen.

Natürlich rechnete Teruo damit, daß er sich hier verstecken würde, wo er sich sicher fühlte. Er würde Detektive losschicken, um alle Hotels und Pensionen in dieser Gegend zu durchsuchen und auf den Straßen nach ihm Ausschau zu halten. Sie würden Masao in Hamburger-Restaurants und Pizzerias und Kinos mit Italo-Western suchen. Aber so leicht würde er sich nicht schnappen lassen. Er würde Teruo überlisten. Er würde sich im Village verstecken, aber nicht an solchen Orten, wo Teruo ihn vermutete und nach ihm suchte.

Masao lief durch die Straßen, vorbei an Pizzerias und Hamburger-Buden und Spielhallen. Er ließ sie alle links liegen. Er entdeckte einen Delikatessen-Laden und kaufte sich ein paar Sandwiches, die er in einer Papiertüte mitnahm. Er lief an Nacht-Kinos vorbei, die Cowboy-Filme zeigten, und an anderen, wo Italo-Western liefen. Er marschierte immer weiter, bis er vor einem kleinen Nachtkino in der Bleeker Street stand, wo ein französischer Film gezeigt wurde. Masao schaute sich um, ob ihn auch niemand beobachtete, dann kaufte er sich eine Karte und ging hinein. Er verstand kein Wort Französisch, aber das war seine Sicherheit. Hier würden sie ihn nicht suchen. Er starrte auf die Leinwand, ohne ein Wort zu verstehen, und kaute sein Sandwich. Es war eine Doppelvorstellung, und als der eine Film zu Ende war, fing ein anderer an – aber Masao war schon eingeschlafen. Am gefährlichsten war es für ihn nachts auf den Straßen, weil dann so wenige Menschen unterwegs waren. Tagsüber konnte er in der Menge untertauchen.