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Frühmorgens erwachte er, steif und verkrampft. Auf der Leinwand liebte der gleiche Mann noch immer das gleiche Mädchen. Masao schien es, als ob die Franzosen an nichts außer Liebe dachten, und da fiel ihm Sanae wieder ein. Eines Tages, wenn er in Sicherheit war, würde er sie anrufen und ihr dafür danken, was sie für ihn getan hatte.

Masao trat auf die Straße hinaus und blinzelte in die grelle Sonne. Die Menge drängte sich auf den Bürgersteigen, und er ließ sich im Strom der Passanten treiben – immer wachsam nach Polizisten Ausschau haltend. Er wußte, daß er sich nicht lange in dieser Gegend aufhalten durfte. Es war zu gefährlich. Er war überzeugt, daß sein Onkel alle Bus-Stationen, Flughäfen und Bahnhöfe überwachen ließ. Also mußte er einen anderen Weg finden. Masao hatte gehört, daß ältere Leute manchmal einen jungen Mann suchten, der sie mit ihrem Auto quer übers Land chauffierte. Könnte er so jemand finden – das wäre der beste Weg, um aus New York wegzukommen.

An einem Kiosk an der Straßenecke kaufte sich Masao die Daily News und die japanische O. C. S. News. Er ging in ein Café und ließ sich nieder, um den Anzeigenteil zu studieren. In der Daily News fand er nichts, aber in der japanischen Zeitung entdeckte Masao etwas, das sein Herz höher schlagen ließ. In der Spalte ›Hilfe gesucht‹ las er: Ältere Japanerin sucht jungen Mann, der sie nach Los Angeles fährt. Alle Spesen werden bezahlt. Das war eine Chance, die der Himmel ihm sandte. Die Aussicht, nach Los Angeles zu fahren und Kunio Hidaka zu sehen, gab Masao neue Hoffnung. Vorsichtig riß er die Anzeige aus, schlug im Stadtplan nach, den er gekauft hatte, und fand auch gleich die in der Anzeige angegebene Adresse.

Er machte sich sofort auf den Weg. Er war voller Freude – und ganz sicher, daß die Dame ihn nehmen würde. Wahrscheinlich war sie alt und gebrechlich. Er würde sie gut nach Los Angeles bringen. Danach würde er sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern. Er würde seinen Onkel büßen lassen für den schrecklichen Anschlag, den er gegen ihn und gegen die Firma Matsumoto geplant hatte. Und wenn Masao nichts anderes erreichte, als die Familienehre zu rächen!

Zehn Minuten später stand Masao vor einem alten Apartmenthaus mit Sandsteinfassade. Er überflog noch einmal die Annonce: Apartment I B. Masao warf einen raschen Blick auf seine Kleider. Sie waren zerknittert von der Nacht im Kinosessel, und seine Schuhe waren staubig. Er rieb sie an seinen Hosenbeinen blank, holte tief Luft und ging hinein. Er war wahnsinnig aufgeregt. Die Dame mußte ihn anheuern. Sein Leben hing davon ab. Lange blieb er vor dem Apartment I B stehen – dann klopfte er an die Tür. Es öffnete eine ältere Japanerin, bekleidet mit dem traditionellen Kimono. »Was kann ich für Sie tun?« fragte sie.

»Ich komme wegen Ihrer Annonce in der Zeitung«, sagte Masao.

Sie musterte ihn einen Augenblick, dann sagte sie: »Ah, bitte. Kommen Sie herein.«

So weit, so gut!

Masao trat ins Apartment ein. »Sie suchen jemand, der Sie nach Kalifornien fährt?«

Die alte Frau nickte. »Ja. Ich habe ein Auto, aber ich kann nicht fahren.«

Masao sagte: »Ich kann Ihnen helfen. Ich hoffe, Sie werden mir erlauben, Sie nach Los Angeles zu fahren.«

Eine Männerstimme hinter Masao sagte: »Das ist aber mächtig nett von dir, Junge.«

Masao erkannte die Stimme sofort. Das letztemal hatte er sie in Sanaes Wohnung gehört.

Er drehte sich um und erblickte – Sam Collins. Der Privatdetektiv hielt eine Pistole in der Hand und zielte auf Masao.

Masao sagte: »Wie haben Sie nur …?« Und mit einem lähmenden Gefühl wurde ihm plötzlich klar, daß er in eine Falle getappt war. Teruo hatte ihn überlistet! Sein Onkel hatte gewußt, daß Masao verzweifelt versuchte, aus New York wegzukommen, und daß alle anderen Wege für ihn blockiert waren. Das einzig mögliche Fluchtmittel war ein Auto, und da Masao keine Kennkarte hatte und deshalb kein Auto mieten konnte, mußte er sich einen anderen Ausweg einfallen lassen. Und Teruo hatte ihm diesen Ausweg gezeigt. Er hatte die Annonce in der O. C. S. News aufgegeben, der einzigen japanischen Zeitung in New York, und es war genau das, was Masao brauchte.

Und Masao hatte den Köder geschluckt. Insgeheim verfluchte er sich, weil er so leichtgläubig gewesen war, aber jetzt war es zu spät.

Masao wandte sich an den Privatdetektiv. »Ich habe nichts Unrechtes getan«, sagte er. »Der Tod des Mannes war ein Unf…«

»Spar dir die Worte!« Die Pistole in der rechten Hand, griff Sam Collins mit der Linken in die Tasche, zog einen Hundert-Dollar-Schein heraus und reichte ihn der alten Frau. »Sie haben Ihre Sache gut gemacht. Danke.« Und zu Masao gewandt: »Los, geh’n wir, Kleiner.«

»Hören Sie mich doch an. Bitte!«

»Mach mir keine Schwierigkeiten. Du bist verhaftet.«

»Bringen Sie mich zum Polizeirevier?«

»Allerdings.« Sam Collins winkte mit der Pistole zur Tür. »Hinaus!« sagte er. »Beweg dich!«

Die alte Frau wandte sich ab, als könnte sie sich von dem Geschehnis distanzieren, indem sie einfach wegschaute. Masao konnte ihr keinen Vorwurf machen. Hundert Dollar waren wahrscheinlich ein Vermögen für sie, und sie wußte gar nicht, in welche Gefahr sie Masao damit gebracht hatte. Sie hatte nichts mit der Sache zu tun. Die anderen hatten sie einfach als Werkzeug benutzt.

Die Pistole auf Masao gerichtet, öffnete Sam Collins die Tür. Sie gingen hinaus. Der Detektiv hielt die Pistole versteckt, damit die Passanten sie nicht sehen konnten. Am Bordstein parkte ein alter grüner Chevrolet. Der Detektiv öffnete die Tür auf der Beifahrerseite.

»Versuch keine faulen Tricks!« warnte er Masao. »Es ist egal, ob ich dich tot oder lebendig aufs Revier bringe. Du wirst wegen Mordes gesucht. Verstehst du?«

Masao nickte. Er verstand nur zu gut.

Immer noch die Pistole im Anschlag, schob sich Sam Collins hinter das Lenkrad und winkte Masao auf den Beifahrersitz. »Mach die Tür zu«, befahl der Detektiv. »Hübsch leise.« Masao zog die Tür zu. »Na, braver Junge.« Sam Collins startete den Motor. »Mach dir’s bequem und entspanne dich. Wir haben eine lange Fahrt vor uns.«

Also fuhren sie gar nicht zu einem Polizeirevier! Der Detektiv wollte ihn zu seinem Onkel bringen. Masaos Gedanken rasten. Er wußte: Wenn er noch einmal Teruo in die Hände fiel, war sein Leben keinen Cent mehr wert.

»Ich weiß nicht, wieviel mein Onkel Ihnen bezahlt, aber ich kann ihnen mehr bezahlen. Ich besitze die Firma Matsumoto.«

Der Detektiv lachte. »Das ist komisch. Dein Onkel glaubt, daß er sie besitzt.«

Masao sagte: »Falls Sie mir helfen, werde ich …«

»Vergiß es! Ich weiß nicht, was zwischen euch los ist, und ich will’s auch gar nicht wissen. Ich bin angeheuert worden, um dich zu finden und zurückzubringen, und das tu ich jetzt. Ich kann’s auf die gemütliche oder auf die harte Tour machen. Wenn du’s auf die harte Art willst, wird’s ein bißchen weh tun. Es liegt ganz bei dir.«

»Sie stehen auf der falschen Seite«, sagte Masao. »Lassen Sie mich laufen, und ich werde Sie reich machen.«

Sam Collins lächelte höhnisch. »Ich bin reich.« Und das war er. Bei der zweiten Begegnung hatte Teruo gesagt: »Die Prämie von fünfzigtausend Dollar ist nur der Anfang. Bringen Sie mir meinen Neffen, und ich will Sie reich machen.« Teruo hatte ihm ein Vermögen versprochen, und jetzt, wo er dieses Vermögen praktisch in der Hand hatte, wollte er es nicht mehr loslassen. Er würde genug Geld haben, um sich für den Rest des Lebens zur Ruhe zu setzen. Er hatte immer den Wunsch gehabt, in Florida zu leben und mit der eigenen Yacht auf Fischfang zu fahren. Er konnte seine Frau mitnehmen – oder seine Geliebte. Vielleicht keine von beiden. Er hatte gehört, daß es in Florida eine Menge gutaussehende Frauen gab. Alles, was ein Kerl wie er brauchte, war Geld. Und von jetzt an würde er mehr Geld haben, als er je ausgeben konnte.